Gelsenkirchen. Illegal abgestellte Autos bleiben ein großes Ärgernis in Gelsenkirchen, weil die Stadt schwer gegen sie vorgehen kann. Dabei gäbe es eine Lösung.

Die Stadt Gelsenkirchen bekommt das Problem mit abgemeldeten Fahrzeugen, die illegal im öffentlichen Raum abgestellt werden, nicht in den Griff: Fast 9200 solcher Autos wurden in den Jahren 20222 und 2023 mit einem „orangen Aufkleber“, einer Beseitigungsaufforderung, versehen. Dem gegenüber steht eine vergleichsweise mickrige Zahl an Abschleppmaßnahmen und eingeleiteten Bußgeldverfahren, wie aus einer Anfrage der AfD-Fraktion hervorgeht. Die Stadt muss also oft zusehen, wie beispielsweise Autohändler den öffentlichen Raum missbrauchen – und pocht deshalb auf weitere gesetzliche Änderungen.

Die wichtigsten Zahlen: Vom 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2023 erhielten 9174 unangemeldet abgestellte Fahrzeuge den orangen Aufkleber mit der Aufforderung, den Wagen innerhalb eines Monats zu entfernen. Gegen ermittelte Verursacher wurden 291 Bußgeldverfahren (2022: 133 Verfahren, 2023: 158 Verfahren) eingeleitet. Aus den rechtskräftigen Bußgeldbescheiden der Jahre 2022 und 2023 resultieren Einnahmen von rund 38.000 Euro. Im Regelfall lag die Höhe des Bußgeldes bei 250 Euro, bei Mehrfachtätern wurden die Geldbußen laut Stadt teils verdoppelt. Insgesamt erfolgten 425 Abschleppmaßnahmen.

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Abgeschleppt wird ein Auto in Gelsenkirchen in der Regel dann, wenn das Auto nach Auslaufen der Monatsfrist immer noch nicht weggefahren wurde. Die Erfahrung der Stadt zeigt aber seit Jahren, dass es gerne kurz vor Fristende umgeparkt wird.

Illegal abgestellte Autos: Verursacher in Gelsenkirchen schwierig zu identifizieren

Schneller abgeschleppt werden kann hingegen, wenn drei Kriterien erfüllt sind, wie Marcel Günther vom Innen- und Lagedienst der Stadt erläutert. „Das geht, wenn es keine Hinweise auf den letzten Halter gibt – also, wenn kein Kennzeichen, keine Feinstaubplakette und keine Fahrzeug-Identifikationsnummer ersichtlich ist.“ Das aber treffe auf die wenigsten abgestellten Fahrzeuge zu. Meist gebe es irgendeinen Hinweis auf den Halter. Der aber könne dann auch nicht zur Rechenschaft gezogen werden, wenn es um Bußgeldbescheide geht.

Nicht angemeldete, abgestellte Fahrzeuge fallen häufig in der Nähe von Autohändlern auf, wie hier 2021 an der Uechtingstraße in Gelsenkirchen.
Nicht angemeldete, abgestellte Fahrzeuge fallen häufig in der Nähe von Autohändlern auf, wie hier 2021 an der Uechtingstraße in Gelsenkirchen. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

„Denn es gilt hier nun einmal das Verursacherprinzip“, sagt Günther. „Und der Verursacher ist sehr schwierig zu identifizieren.“ Man müsse ihn quasi in flagranti erwischen, um durchgreifen zu können. Denn von alleine melde sich der Verantwortliche selten. Und vom kontaktierten Halter – häufig ein Autohändler – werde dann selten derjenigen genannt, der tatsächlich für das Abstellen des Fahrzeugs verantwortlich war.

„Wir bekommen dann nicht selten den Namen von jemanden, der nicht zu erreichen ist oder der keinen festen Wohnsitz im Inland hat. In der Praxis führt das dazu, dass wir nicht hinterherkommen“, muss Günther eingestehen, der davon ausgeht, dass es sich bei vielen Aussagen der Halter auch um „Schutzbehauptungen“ handelt. „Aber die Kröte hat man zu schlucken. Das ist wirklich sehr unbefriedigend.“

Illegal abgestellte, unangemeldete Fahrzeuge: Stadt Gelsenkirchen wünscht sich „Sofort-Vollzug“

Enxhi Seli-Zacharias von der AfD, die das Thema der abgestellten Fahrzeuge bereits zu Beginn der Wahlperiode für sich entdeckt hatte, spricht deshalb gar von einem „failed state“, da „das staatliche Gewaltmonopol und grundlegende Verwaltungsstrukturen so stark eingeschränkt sind, dass Recht und Ordnung entsprechend nicht mehr umgesetzt werden können.“ In Gelsenkirchen widme man sich dem Thema im Rahmen der Möglichkeiten. „Doch die Zahlen belegen, dass die Intensität und Bemühungen der Stadt definitiv nicht zu einer Abschreckung führen“, meint die Landtagsabgeordnete und Sprecherin des hiesigen Kreisverbandes der Rechtsaußen-Partei.

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Was die Effektivität beim Vorgehen steigern könnte? „Eine Rechtsgrundlage, die besagt: Wer ein unangemeldetes Fahrzeug abstellt, der muss auch sofort damit rechnen, dass abgeschleppt wird“, fordert Marcel Günther und meint die Ermöglichung eines tatsächlichen „Sofort-Vollzugs“, bei der weder auf eine einmonatige Frist noch auf ein aufwendiges Verfahren oder einen Rückschluss auf den Halter durch Feinstaub-Plaketette, Kennzeichen oder ID Rücksicht genommen werden müsse.

„Bürokratiemonster“: Gesetzesnovelle hat für Gelsenkirchen weiter keine Relevanz

Um mehr Effektivität und Rechtssicherheit beim Vorgehen gegen abgestellte Autos zu gewährleisten, wurde das Straßen- und Wegegesetz eigentlich erst vor rund zwei Jahren überarbeitet. Das NRW-Verkehrsministerium verkündete 2022 auch auf WAZ-Anfrage, dass der Vorteil des überarbeiteten Gesetzes darin liege, Fahrzeuge „unmittelbar beseitigen“ zu können. Allerdings geht das laut Marcel Günther vom Ordnungsreferat eben nur dann, wenn wirklich keine Feststellung des Halters über Kennzeichen, Plakette oder ID möglich ist. Ansonsten müsse man beim Weg über das Straßen- und Wegerecht mit einem gestreckten Verfahren arbeiten. Und dabei gehe viel Zeit verloren.

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Auf der Windschutzscheibe landet bei dieser Rechtspraxis zwar auch ein „oranger Zettel“, allerdings nicht mit einer einmonatigen Frist. Schneller abgeschleppt werden kann nach Günthers Auffassung trotzdem nicht wirklich, da der letzte bekannte Halter erst mehrmals anzuschreiben sei und mehrere Nachkontrollen gemacht werden müssten. „Da schreiben sich Mitarbeiter die Finger wund und man schafft mit der Koordinierung und Kontrolle ein regelrechtes Bürokratiemonster. Deswegen hat das Gesetz in der Praxis nicht die Durchschlagskraft, die man sich erhofft.“

Die Stadt setzt deswegen weiter auf eine ältere gesetzliche Regelung und nutzt das Kreislaufwirtschaftsgesetz. Dieses besagt im Kern: Wenn ein unangemeldetes Auto nach einem Monat nicht entfernt wurde, ist es Müll und gehört verschrottet. Ein langwieriges Verfahren brauche es dann nicht, eben nur den „orangen Zettel“ mit der einmonatigen Frist. Versteigert werden kann ein eingezogener Wagen nach dieser Vorgehensweise allerdings auch nicht mehr. Hier hätte die Stadt aber ohnehin nicht viel Einnahmen zu erwarten, behauptet Günther. „Die meisten Autos sind dann eben doch Schrottfahrzeuge ohne großen Wert.“