Gelsenkirchen. Es gibt neue Möglichkeiten, gegen die vielen illegal geparkten Autos in Gelsenkirchen vorzugehen, doch die bleiben ungenutzt. Das sind die Gründe

Obwohl es durch eine neue gesetzliche Regelung vereinfacht werden sollte, gegen illegal abgestellte Fahrzeuge vorzugehen, ist die Zahl jener meist abgemeldeten Fahrzeuge in Gelsenkirchen weiterhin extrem hoch: Alleine rund 3170 Pkw wurden bereits in diesem Jahr erfasst. Das sind also schon jetzt mehr als im Jahr 2017 und 2018, wo zwischen 2800 und 2920 mal der Straßenrand als Abstellfläche missbraucht wurde. Und: abgeschleppt wird weiterhin nur ein sehr kleiner Teil der Fahrzeuge. Hat es damit zu tun, dass Gelsenkirchen die neuen gesetzlichen Möglichkeiten ungenutzt lässt?

Das legt zumindest die Antwort der NRW-Landesregierung auf eine Anfrage der AfD-Fraktion nahe. Die Gelsenkirchener Landtagsabgeordnete Enxhi Seli-Zacharias wollte wissen, wie oft die Kommunen in NRW von der Neuregelung des Straßen- und Wegegesetzes Gebrauch gemacht haben. Durch die Gesetzesnovelle Ende 2021 sollten die Kommunen eine schärfere Waffe im Kampf gegen illegal abgestellte Fahrzeuge erhalten. Ihnen wurde jetzt auch durch das Straßen- und Wegegesetz erlaubt, die Autos einzuziehen und diese zu verwerten, also zu verschrotten.

Gelsenkirchen hat neue Möglichkeiten zur Entfernung illegal abgestellter Autos null Mal genutzt

Die Gesetzesänderung diente der Klarstellung, dass das Abstellen nicht zugelassener Fahrzeuge eine illegale Sondernutzung ist, gegen die auch nach dem Straßen- und Wegegesetz vorgegangen werden kann, wie man bei dem Landesverkehrsministerium auf Nachfrage erläutert.

Illegal abgestellte Fahrzeuge, wie hier 2021 an der Uechtingstraße, sind in Gelsenkirchen ein großes Ärgernis. Doch warum macht die Stadt nicht von neuen gesetzlichen Bestimmungen Gebrauch?
Illegal abgestellte Fahrzeuge, wie hier 2021 an der Uechtingstraße, sind in Gelsenkirchen ein großes Ärgernis. Doch warum macht die Stadt nicht von neuen gesetzlichen Bestimmungen Gebrauch? © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Wie auch viele andere Kommunen gab die Gelsenkirchener Verwaltung bei der Antwort auf die AfD-Anfrage jedoch an, über ein halbes Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes noch nicht ein einziges Mal die Möglichkeiten des neuen Gesetzes genutzt zu haben. Warum schöpft eine Kommune, die eine Hochburg von illegal abgestellten Fahrzeugen ist, die neuen Optionen nicht aus?

Nur ein kleiner Teil der illegal abgestellten Fahrzeuge in Gelsenkirchen wird abgeschleppt

Auf Nachfrage erklärt Stadtsprecher Martin Schulmann, dass auch längst vor der Gesetzesnovelle schon illegal geparkte Autos in Gelsenkirchen einbezogen und verschrottet wurden. Allerdings ist und bleibt der Anteil klein: Von den rund 3170 in diesem Jahr erfassten Pkw wurden demnach nur rund 120 per Abschleppwagen entfernt, wie es aus dem Hans-Sachs-Haus heißt. Das ergibt eine Abschleppquote von nur 3,75 Prozent. Seit 2017 schwankt sie zwischen 2,5 und 4,4, Prozent.

Allerdings greift die Stadt beim Abschleppen laut Schulmann nicht auf das Straßen- und Wegegesetz zurück, sondern auf das Kreislaufwirtschaftsgesetz, in dem es heißt, dass ein im öffentlichen Raum abgestelltes Fahrzeug ein Monat nachdem eine „deutlich sichtbare Aufforderung“ angebracht wurde, entfernt werden darf. Jene Aufforderung sind die orangefarbenen Zettel, welche das Ordnungsamt an die Scheiben der illegal geparkten Pkw klebt.

Das Problem nur: Die Fahrzeuge stammen in Gelsenkirchen häufig von Autohändlern, die den öffentlichen Raum als Zwischenlager nutzen. Gerne wird der Wagen erst dann weggefahren, wenn die Frist von einem Monat kurz davor ist, abzulaufen.

Gelsenkirchens Stadtsprecher: Gesetzeserneuerung hat „keine praktische Relevanz“

Im Kampf gegen jene Autohändler biete die Gesetzesnovelle keine neue Hilfe, meint Martin Schulmann: „Das Gesetz hat für uns keine praktische Relevanz“. Wirklich helfen würde nach Ansicht des Stadtsprechers, wenn man die Monatsfrist verkürzen würde – und illegal abgestellte Autos schon nach kurzer Zeit abschleppen dürfte.

Doch auf Nachfrage erklärt das NRW-Verkehrsministerium das genau dies durch die Gesetzeserneuerung ja möglich sei: Der Vorteil des erneuerten Gesetzes liege darin „dass nicht eine Frist von einem Monat [...] abgewartet werden muss, sondern die Behörde das Fahrzeug unmittelbar [...] beseitigen kann“. Allerdings geht das nur dann – und hier wird es uneindeutig – „wenn eine Beseitigungsanordnung unverhältnismäßig oder nicht erfolgversprechend ist.“

Mit diesen „Ankündigungsaufklebern“ fordert die Stadt Gelsenkirchen die Besitzer illegal gepartker Pkw dazu auf, ihren Wagen zu entfernen. Geschieht das nicht innerhalb eines Monats, schleppt die Stadt ab.
Mit diesen „Ankündigungsaufklebern“ fordert die Stadt Gelsenkirchen die Besitzer illegal gepartker Pkw dazu auf, ihren Wagen zu entfernen. Geschieht das nicht innerhalb eines Monats, schleppt die Stadt ab. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Mit dieser Voraussetzung hat man bei der Stadt ein Problem: Ob die Aufforderung zum Entfernen eines Autos nicht von Erfolg gekrönt ist, sei nur in den wenigsten Fällen doch sofort ersichtlich. „Sobald es auch nur die Möglichkeit gibt, einen Halter zu ermitteln (sei es über Fahrgestellnummern, Feinstaubplaketten oder andere Identifikationsmerkmale), kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass eine Beseitigungsanordnung nicht erfolgversprechend ist“, sagt Stadtsprecher Martin Schulmann – und ergänzt. „Die Verwaltung muss in diesem Fall erst alle Möglichkeiten einer Halterfeststellung ausnutzen.“

Kampf gegen illegal abgestellte Fahrzeuge wird in Gelsenkirchen hart bleiben

Wie das genau abläuft, versucht Schulmann an einem fiktiven Beispiel zu erläutern: „Wird zum Beispiel über eine Feinstaubplakette ein möglicher Halter ermittelt, wird er entsprechend angeschrieben. Teilt er dann mit, dass er das Fahrzeug verkauft hat, muss sich die Verwaltung an den neuen Eigentümer wenden, der möglicherweise auch nur ein Zwischenhändler ist. Die Geschichte lässt sich nun unendlich fortsetzen, da jeweils gerichtsfeste Wartezeiten für die Beantwortung der Anfragen abgewartet werden müssen. Da sind schnell mehr als vier Wochen ins Land gegangen, bis gerichtsfest ein Eigentümer festgestellt wird – der dann möglicherweise noch behauptet, ihm sei das Auto gestohlen worden.“

Zusammengefasst heißt das: An die „neuen“ Möglichkeiten des Gesetzes glaubt die Stadt nicht so ganz. Der Weg über das Kreislaufwirtschaftsgesetz, auf das man sich bisher bezogen habe, sei dagegen „juristisch abgesichert und zuverlässig.“ Nur wirklich effizient ist auch dieser Weg nicht, das zeigen die Zahlen der vielen illegal abgestellten und wenigen abgeschleppten Fahrzeuge in Gelsenkirchen. Der Kampf gegen sie wird hart bleiben.

Chaos um Zahlen

In ihrer Anfrage an die Landesregierung wollte die AfD auch wissen, wie viele illegal abgestellte Fahrzeuge in den NRW-Kommunen überhaupt bislang beseitigt worden sind. Wer sich die übermittelten Daten aus den Kommunen anschaut, dürfte beim Blick auf Gelsenkirchen zunächst aufschrecken.

So wurden hier angeblich über 2800 Beseitigungen von illegal abgestellten Pkw angeordneten und vollzogen. Das wäre mit Abstand die einzige Stadt in NRW mit so einer hohen dokumentierten Fallzahl. Auf Platz 2 in der Tabelle liegt die Stadt Köln mit „nur“ 250 Fahrzeugen.

Die WAZ hat jedoch herausgefunden, dass bei den übermittelten Zahlen aus Gelsenkirchen ein Fehler vorliegt. Lediglich 119 Autos seien 2022 beseitigt worden. Das Land erklärte auf Nachfrage, es gebe „keine Anhaltspunkte“, dass weitere falsche Angaben gemacht worden seien.