Gelsenkirchen. Gelsenkirchen ist eine von drei Vorreiter-Städten in NRW, in denen ein Pilotprojekt Kindergeldmissbrauch eindämmen soll. Funktioniert das?
Was dem Namen nach eher nach einer neuen Eissorte klingt, ist in Wirklichkeit ein Instrument, über das der Ordnungsdezernent der Stadt Gelsenkirchen sagt, es ist wirksam und nützlich im Kampf gegen Sozialleistungsmissbrauch. „Missimo“ klingt niedlich, ist aber nichts weniger als ein Informationsausgleich verschiedener Behörden, wie er aus Datenschutzgründen in Deutschland sonst oft nicht möglich scheint.
2019 hatte sich die NRW-Landesregierung mit Missimo auf den Weg gemacht, in einigen Städten auszuprobieren, ob man mit dem Austausch von Informationen zwischen unterschiedlichen Behörden und Ämtern nicht den missbräuchlichen Bezug von Sozialleistungen eindämmen kann. 2021 wurde Gelsenkirchen zudem neben Düren und Horn-Bad Meinberg eine von drei Modellstädten, in denen mit der Einführung von fälschungssicheren Schulbescheinigungen Rechtssicherheit bei dem Bezug von Kindergeldleistungen gewährleistet werden sollte.
Auch interessant
Bei dem Programm arbeiten LKA, Staatsanwaltschaft, Kommunalbehörden und die Familienkasse NRW eng zusammen. Systematisch werden Informationen von Jugendämtern, Schulen und Einwohnermeldebehörden mit dem Datensatz der Kindergeld-Bezieher abgeglichen. Möglichkeiten, die der Datenschutz lässt, werden dabei erstmals systematisch genutzt.
Austausch zwischen Behörden, Ämtern und Institutionen gegen Sozialleistungsmissbrauch in Gelsenkirchen
Simon Nowack (CDU), Ordnungsdezernent der Stadt Gelsenkirchen, berichtet, dass das Pilotprojekt in Gelsenkirchen längst in die Regelstrukturen überführt worden ist und jetzt auch NRW-weit ausgerollt wurde und wird. Und das hat einen guten und einfachen Grund: Es funktioniert. Auffälligkeiten, etwa wenn Kinder länger nicht in der Schule waren oder auf Amtspost keine Reaktionen erfolgte, wurden zuvor nicht systematisch gebündelt. Seit drei Jahren ist das in Gelsenkirchen aber anders: Das hatte zur Folge, dass bei den regelmäßigen Kontrollen des Interventionsteams „EU-Ost“ auch gezielt Adressen ins Visier genommen worden waren, bei denen angenommen wurde, dass hier Familien Leistungen wie das Kindergeld beziehen, obwohl sie gar nicht mehr in der Stadt leben. Im Ergebnis wurden so bereits Hunderte Abmeldungen durchgeführt.
Auch interessant
Im zweiten Halbjahr 2024 wird es einen dritten großen Durchlauf in Gelsenkirchen geben, berichtet Ordnungsreferatsleiter Hans-Joachim Olbering. Dabei werden in einem ersten Schritt nochmal alle Beteiligte wie das Schulamt, das Jugendamt, das Gesundheitsamt, die Familienkasse, das Jobcenter, die Polizei sensibilisiert, Auffälligkeiten zu melden. Die Verdachtsfälle werden dann an die Familienkasse weitergeleitet und es wird geprüft, ob möglicherweise Leistungen eingestellt werden müssen.
Diesen dritten Durchlauf hat das Land initiiert, um das Projekt auf alle Städte auszuweiten. Da die enge Zusammenarbeit der einzelnen Abteilungen und Behörden in Gelsenkirchen aber inzwischen schon zur Regel geworden sei, gehen die Verantwortlichen bei der Stadt nicht davon aus, dass noch unrechtmäßige Kindergeldbezüge im großen Umfang entdeckt werden.
Unabhängig vom Thema der erschlichenen Kindergeldleistungen treibt das Thema die hiesige Stadtverwaltung aber auch grundsätzlich um. Zuletzt hatte Olbering etwa vorgeschlagen, dass das volle Kindergeld gezahlt werden solle, wenn eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt. „Aber wo es so eine Beschäftigung nicht gibt, muss man darüber nachdenken, Kindergeld nur auf dem Niveau des Herkunftslandes auszuzahlen.“ In Rumänien und Bulgarien etwa wird nur ein Bruchteil des Kindergeldes gezahlt, das Familien in Deutschland erhalten, weshalb schon oft über das Kindergeld als Magnet für die EU-Binnenmigration gestritten wurde.
Neue Stelle gegen Sozialleistungsmissbrauch in Gelsenkirchen
Um grundsätzlich auch systematisch Sozialleistungsmissbrauch in Gelsenkirchen frühzeitig zu erkennen, gibt es neuerdings zwei Halbtagskräfte, deren originäre Aufgabe es ist, ein System zu etablieren, das auf den Erfahrungen von Missimo aufbaut. Auffälligkeiten und Verdachtsmomente sollen strukturell weitergegeben und Informationen ausgetauscht werden. „Wir haben beim Thema Sozialleistungsmissbrauch das Problem, dass Behörden von ihrer Grundanlage nicht immer miteinander gearbeitet haben und alle ihre eigenen Register führen. Bei Verdachtsfällen gab es aber eigentlich schon immer die Vorgabe, dass Hinweise an andere Dienststellen weitergegeben werden sollen“, so Ordnungsdezernent Simon Nowack. Dies zum Standard in Gelsenkirchen zu machen, ist nun die vorrangige Aufgabe der städtischen Mitarbeiter auf der neu geschaffenen Stelle.