Gelsenkirchen. Gefälschte Schulbescheinigungen sind ein Weg, um sich Kindergeld zu ergaunern. Warum in Gelsenkirchen keine Fälschungsversuche mehr auflaufen.

Es ist grob zweieinhalb Jahre her, da sprach NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) in einer Pressekonferenz davon, dass Kindergeld von Banden durch gefälschte Schulbescheinigungen „ergaunert“ werde, man aber nun ein erfolgversprechendes Instrument habe, um den Missbrauch einzudämmen: Mittels digitalisierter Schulbescheinigungen wollte man das kriminelle Handeln unterbinden und diese in drei Modellkommunen erproben – Düren, Horn-Bad Meinberg und auch Gelsenkirchen. Offenbar mit einem gewissen Erfolg, wie sich jetzt auf WAZ-Nachfrage herausstellt.

Wenn der Nachwuchs von EU-Bürgern in Deutschland lebt und zur Schule geht, dann besteht auch ein Anspruch auf Kindergeld. Allerdings stößt auch das Interventionsteam EU-Ost der Stadt Gelsenkirchen bei seinen regelmäßigen Schrotthaus-Kontrollen häufig auf Wohnungen, in denen eigentlich gemeldete Kinder, oft aus rumänischen oder bulgarischen Familien, gar nicht mehr sind, obwohl für sie noch Sozialleistungen bezogen werden. Lesen Sie etwa: Razzia in Gelsenkirchen: Kakerlakenbefall und Sozialleistungsbetrug

Kindergeldbetrug: Kein Fälschungsversuch mehr in Gelsenkirchen

Eine beliebte Strategie der Betrüger ist es gewesen, gefälschte Schulbescheinigungen bei der Kindergeld-Anmeldung einzureichen. Für die Behörden galt es vor dem Pilotprojekt als schwierig, zu ermitteln, ob eine eingereichte Schulbescheinigung echt ist, ob das gemeldete Kind also tatsächlich in Gelsenkirchen oder einer anderen deutschen Stadt lebt und zur Schule geht. Mittels Schulbescheinigungen, die mit digitalen und analogen Sicherheitsmerkmalen ausgestattet sind und den Familienkassen über einen QR-Code verschlüsselte Informationen über ihre Echtheit liefern, sollte sich das ändern. Und das hat es wohl auch.

Wie viele gefälschte Bescheinigungen vor dem Projektstart vorlagen, könne man zwar nicht sagen; die Gesamtzahl der aufgedeckten Betrugsfälle sei nicht erhoben worden. Nun aber seien überhaupt keine mehr aufgelaufen: „Die Familienkasse hat mitgeteilt, dass in den teilnehmenden Kommunen kein Fälschungsversuch einer neuen Schulbescheinigung festzustellen ist“, so ein Sprecher des Kommunalministeriums auf Anfrage. Wobei natürlich nicht auszuschließen ist, dass Betrüger mittlerweile andere Wege gefunden haben, beim Kindergeld zu betrügen.

Die am Pilotprojekt beteiligen Schulen und die beteiligte Familienkasse West seien aber zufrieden, der „Prototyp“ der fälschungssicheren Schulbescheinigung werde deshalb auch weiterhin in Gelsenkirchen und den anderen zwei Pilot-Kommunen fortgesetzt.

Dann spräche doch auch nichts dagegen, das Konzept auf ganz NRW auszurollen, oder? Das aber ist noch nicht geschehen, wie aus der Antwort des Ministeriums hervorgeht.

Prototyp der fälschungssicheren Schulbescheinigungen soll weiter verbessert werden

Zunächst will man sich noch einem neuen Verfahren zur Erstellung fälschungssicherer Schulzeugnisse widmen. So werde in einem anderen Ministerium, dem Bildungsministerium, dazu gegenwärtig ein „anderes technisches Modell“ erprobt. Die zeitliche Dimension? Es dauert. Die Erprobung werde noch einige Zeit in Anspruch nehmen, heißt es. Jedenfalls sollen Erkenntnisse daraus und aus dem Schulbescheinigungsprojekt dann in einen „einheitlichen Standard“ fürs Bundesland fließen.

Durch Veränderungen am Prototypen der fälschungssicheren Schulbescheinigungen soll außerdem geprüft werden, ob neben der Familienkasse auch andere Stellen wie das Jobcenter in die Lage versetzt werden können, die Echtheit von Schulbescheinigungen zu prüfen – beispielsweise, indem das Familienkassen-Logo oder die Kindergeld-Nummer von den Bescheinigungen entfernt wird. Kurzum: Bevor die neue Waffe gegen Kindergeldbetrug überall in NRW zum Einsatz kommt, wird sie weiter modifiziert.

Neue Stelle gegen Sozialleistungsmissbrauch in Gelsenkirchen

Gelsenkirchen stand auch bei einem anderen Projekt zur Bekämpfung von Sozialleistungsmissbrauch im Mittelpunkt: Mit dem 2019 gestarteten „Missimo“ sollten laut Innenminister Herbert Reul (CDU) die Zeiten beendet werden, „in denen skrupellose Kriminelle die Naivität und Gutgläubigkeit des deutschen Sozialstaates ausnutzen konnten“. Kern des Projekts ist der „strukturierte Datenaustausch“, beispielsweise zwischen städtischen Dienstellen, Polizei, Jobcenter und Familienkasse gewesen.

Die Praxis aus dem Projekt hat die Stadt Gelsenkirchen mittlerweile in den Regelbetrieb überführt: Die neu geschaffene Stelle zur Bekämpfung von Sozialleistungsmissbrauch, die kürzlich mit zwei Teilzeitkräften in Gelsenkirchen besetzt wurde, soll schwerpunktmäßig „auffällige Fallkonstellationen“ beim behördenübergreifenden Datenabgleich prüfen und melden.