Gelsenkirchen. Am Bergmannsheil in Gelsenkirchen-Buer steht das größte Zentrum für Hyperbare Sauerstofftherapie Deutschlands. Wofür sie zum Einsatz kommt.
Patienten, die unter schwerem Diabetes leiden, sind neben Feuerwehrexperten ihre häufigsten Nutzer: Die beiden Druckkammern des Zentrums für Hyperbare Sauerstofftherapie am Bergmannsheil Buer in Gelsenkirchen bieten seit fünf Jahren Linderung bis hin zur Heilung für verschiedene Leiden sowie Belastungstests für Taucher. Hinzu kommen 30 bis 40 Notfallpatienten pro Jahr. „Die Patienten kommen entweder mit einer sehr schweren Kohlenmonoxid-Vergiftung, mit einer Luft- und Gasembolie nach einem Tauchunfall oder nach einer Gasbrandinfektion“, erklärt Dr. Stephan Brauckmann, der Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, der auch das Zentrums leitet.
Vergiftungen durch den Holzkohlegrill als Wohnzimmerheizung
Klassischerweise sind es defekte Gasthermen, die zu den schweren Kohlenmonoxidvergiftungen führen. „Aber es gab auch Zeiten, wo unsere Patienten aus Shisha-Bars kamen. Das kommt heute kaum noch vor, dafür gibt es jetzt mehr Shisha-Vergiftungen in Privatwohnungen“, erklärt Christian Möllenbeck, der Leitende Druckkammerarzt, der das Zentrum vor fünf Jahren mit aufbaute. Ein sehr spezielles Phänomen gab es in der Zeit des drängenden Gasmangels: „Da hatten wir mehrere Patienten hier, die ihren Holzkohlegrill in der Wohnung zum Heizen nutzen wollten. Rund 20 Patientinnen und Patienten waren das zu der Zeit“, berichtet Möllenbeck.
Bessere Durchblutung dank konzentriertem Sauerstoff fördert Wundheilung
Heilsam wirkt diese hochkonzentrierte Versorgung mit reinem Sauerstoff in der Druckkammer vor allem bei chronischen, nicht heilenden Wunden. Durch die extrem hohe Sauerstoffversorgung unter Druck, die nicht wie sonst nur über rote Blutkörperchen läuft, sondern auch über die Flüssigbestandteile des Blutes geschieht, können sich neue Kapillare bilden, sodass die Wunden sich langsam von unten aufwachsend verschließen können. Weitere Diagnosen, für die die Druckkammerbehandlung mindestens Besserung verspricht, sind Knochen- oder Weichteilinfektionen.
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„Experimentell“, so heißt es im Flyer des Zentrums, werden auch Post-Covid-Betroffene in der Druckkammer therapiert. Allerdings verspricht dies „vor allem bei Post-Covid-Einschränkungen im kognitiven Bereich Erfolg“, präzisiert Möllenbeck. „Bei verminderter körperlicher Belastbarkeit hilft das erfahrungsgemäß weniger.“ Allerdings wird die Möglichkeit ohnehin seltener genutzt, da die Krankenkassen die Kosten für die Post-Covid-Behandlung nicht bezahlen. Die Studienlage ist noch nicht umfangreich genug, auch wenn die Erfahrungen zum Teil sehr gut seien, wie die Mediziner versichern.
In der Regel sind es 20 Sitzungen a 135 Minuten in der Kammer, und zwar in täglichen Sitzungen. Das gilt für die Behandlung des diabetischen Fußes mit seinen chronischen Wunden (eine Kassenleistung) ebenso wie für Knochennekrosen oder selbst zu zahlende Therapien wie bei Post Covid. 4600 Euro fallen dafür insgesamt an. „Und für Patienten, die weiter entfernt wohnen, kommen ja noch Unterkunftskosten für die Zeit hinzu. Deshalb haben wir zwar viele Anfragen zur Post-Covid-Behandlung, aber viele scheuen dann doch die Kosten und den Gesamtaufwand“ erklärt Möllenbeck.
Eines von sieben Zentren deutschlandweit
Tatsächlich verfügt das Bergmannsheil über das einzige Zentrum in Deutschland für Hyperbare Sauerstofftherapie mit zwei Druckkammern, sodass die Therapien für Notfälle nicht nur 24 Stunden am Tag an 365 Tagen im Jahr zur Verfügung stehen, sondern auch noch Notfälle sofort behandelt werden können, wenn in einer der Kammern bereits Therapie mit Patienten läuft. In den Kammern besteht neben den bis zu 12 Sitzen auch die Möglichkeit, Betten zu platzieren, inklusive Intensivversorgung. In NRW stehen zwei weitere Druckkammern mit Dauerbereitschaft in Düsseldorf und Aachen zur Verfügung, bundesweit gibt es insgesamt sieben Zentren.
Kraft der Druckluft dehnt selbst dicke Stahlwände
370.000 Liter Druckluft - gereinigt und entfettet - hält das Bergmannsheil parat für den Fall, dass Behandlungen - „Tauchfahrten“ im Fachjargon - laufen und währenddessen der Strom ausfällt. 80.000 Liter braucht die Kammer, um die Therapie zu starten. „Eine Kammer wiegt 50 Tonnen, soviel wie ein Panzer. Und wenn sie unter Druck steht, dehnen sich die acht Zentimeter dicken Stahlwände um einen bis zwei Millimeter aus“, macht Möllenbeck nicht ohne Bewunderung die Kräfte deutlich, die hier walten.
Übrigens: Die Feuerwehren aus dem Umkreis sind hier regelmäßig zu Gast. Sie prüfen hier vor dem ersten Tauchgang für die Taucherausbildung ihre Eignung dafür, testen die Bedingungen in der Tiefe.