Gelsenkirchen. Es geht um Geld für Schulbau, hochwertigen Ganztag, Digitalisierung und Planungssicherheit. Was Gelsenkirchen beim Bildungskongress fordert.

„Bei uns brennt die Hütte!“ Der Vorsitzende des Städtetags und Essener OB Thomas Kufen brachte die Bildungssituation vor Ort gleich zum Auftakt des Bildungskongresses des Städtetags auf den Punkt. Dass „dieser Kongress mit der Ortsmarke Gelsenkirchen“, also in ihrer Kommune stattfindet, war OB Karin Welge wichtig. Zur Eröffnung des Kongresses im Ratssaal mit Vertretern aus Bildungsverwaltungen, Elternschaft, Lehrkräften, und Bildungspolitikern aus ganz NRW unter dem Motto „Zukunft sichern! Bildungsaufbruch jetzt!“ stand auch Schulministerin Dorothee Feller Rede und Antwort. Die großen Themen des Tages hatte allerdings bereits eine „Gelsenkirchener Erklärung“ des Städtetags zusammengefasst.

Im Mittelpunkt standen vor allem die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf offenen Ganztag, Digitalisierung, gezieltere Förderung von Bildungsgerechtigkeit, chancengerechtere Übergange in Berufsausbildung und Studium sowie armutssensible Förderung wie beim Gelsenkirchener Zukunft sichern (Zusi)-Projekt. Über allem aber stand die Forderung nach einer sicheren Finanzierung von Schulen. Im Laufe des Kongresses wurde der Ruf nach einer finanziell gesicherten „Guten Schule 2030“ – Punkt 1 der Gelsenkirchener Erklärung – immer lauter.

Forderung der Kommunen: Schulfinanzierung komplett neu aufstellen

„Die Differenzierung nach inneren und äußeren Schulangelegenheiten ist nicht mehr zeitgemäß. Kommunen, die unter Haushaltssicherung stehen und in denen über 40 Jahre nicht in Schulen investiert wurde, können das nicht stemmen. Wir brauchen Sicherheit, wenn wir nicht die Zukunft der Kinder und damit der Stadt verspielen wollen“ betonte sie einmal mehr. Zumal die Schülerschaft in Gelsenkirchen besonders sei. „Wir haben heute viel mehr Analphabeten in der Schülerschaft, und wir haben viele Eltern, die selbst nie eine Schule besucht haben.“

Bildungsministerin Dorothee Feller eröffnette den Bildungskongress des Städtestags im Ratssaal der Hans-Sachs-Hauses.
Bildungsministerin Dorothee Feller eröffnette den Bildungskongress des Städtestags im Ratssaal der Hans-Sachs-Hauses. © gkfoto | Gerd Kaemper

Ministerin Dorothee Feller allerdings hatte keine Versprechen und schon gar keine Finanzierungszusagen mitgebracht, sondern eher Erklärungen, warum die bereits angestoßenen Maßnahmen noch Zeit benötigen, bevor sie wirken. Finanzielle Anreize für Lehrkräfte, die sich an sozial besonders belasteten Schulen engagieren, wirkten leider kaum. Mancher verzichte auf eine Verbeamtung, um nicht in einer ungeliebten Region unterrichten zu müssen.

Gesetzentwurf für Offenen Ganztag soll im Januar kommen

Beim Thema Offener Ganztag kündigte Feller an, dass im Januar der Gesetzentwurf dafür den Kommunen vorgelegt werde. Ein sichere Ausstattung brauche Zeit, es werde aber pragmatische Lösungen geben, niemand, der schon da ist, müsse gekündigt werden. Der 2021 bereits verabschiedete Rechtsanspruch allerdings muss bis 2026 umgesetzt sein. Die Zeit drängt somit extrem für die Kommunen. „Wir brauchen Planungssicherheit. Es wird immer schwieriger, bis 2026 ausreichend Kapazitäten zu erweitern. Deshalb müssen wir uns jetzt auf das Machbare konzentrieren und brauchen mehr Spielräume vor Ort,“ betonte Welge.

Während die Ministerin beim Thema OGS davon sprach, dass manchen Eltern eine sichere Betreuung bis zum Mittag wichtiger sei als ein verpflichtender Ganztag, kam von Bildungspolitikern eher die Forderung, qualitativ hochwertigen Ganztag zu sichern. Dabei herrscht allerdings auch unter den Städten keine klare Einigkeit. Während Welge sich für Gelsenkirchen einen flächendeckenden, verpflichtenden Ganztag mit ganztägigen pädagogischen Angeboten unter Einbindung von Freizeitelementen aussprach, bevorzugte Kufen (CDU) eher ein Angebot ohne flächendeckende Pflicht.

Verwaltungsleiterin: Es drohen digitale Investitionsruinen“

Einmütig allerdings ist der Ruf nach einer sicheren, dauerhaften Weiterfinanzierung der Digitalisierung an Schulen. Mit der einmaligen Geräteausstattung sei es nicht getan, es drohten digitale „Investitionsruinen“. „Support und Weiterbildung müssten gesichert und vorangetrieben werden“, forderten die Teilnehmer. Die Ministerin bestätigte: Was Lehrmittel sind und was somit von wem zu finanzieren ist, müsse neu definiert werden. Das aber brauche Zeit, ein entsprechendes Gutachten sei in Arbeit. Zeit, die man nicht habe, entgegneten Kommunalvertreter.

Dass gerade bei der Lehrerfortbildung und beim Fach Medienkompetenz noch viel Luft nach oben ist, bestätigte auch Jan Albert Plaumann, Schülersprecher der Evangelischen Gesamtschule Gelsenkirchen: „Medienkompetenz hatten wir in der siebten Klasse, eine Woche lang. Das ist zu spät, da hatten fast alle schon lange ein Handy.“

Einige Städte arbeiten mit eigenem schulscharfem Sozialindex

Der schulscharfe Sozialindex des Landes war auch Thema in zwei Foren beim Kongress. Dabei ging es vor allem darum, inwieweit Kommunen gezielter gegensteuern können, wenn der Index des Landes zwar das Quartier, aber nicht die Schülerschaft einer Schule abbildet, wie etwa in Gelsenkirchen der Fall bei der Gesamtschule Ückendorf, aber auch anderen Schulen. Einzelne Städte in NRW, allen voran Solingen, haben gemeinsam mit den Schulen einen eigenen schulscharfen Index entwickelt, über den sie gezielt mit einer besseren Ausstattung besonders belastete Schulen unterstützen. Zwar können Städte keine Lehrkräfte einstellen, aber mit multiprofessionellen Kräften entlasten und auch die Ausstattung verbessern.