Gelsenkirchen. 42 Prozent Schüler mehr je Klasse als Soll, 12 Räume für 14 Klassen in der Schule. Diese Missstände beklagen Gelsenkirchener Elternvertreter.

Vertreter von 22 der 67 Schulen in städtischer Trägerschaft kamen zur Jahres-Vollversammlung der Gelsenkirchener Stadtschulpflegschaft. „Das sind zu wenige“, ärgert sich Daniela Isopp, alte und neue stellvertretende Vorsitzende des stadtübergreifenden Gremiums. „Es gibt so viele Probleme. Wenn sich etwas ändern soll, müssen Elternvertreter sich auch einbringen“, fordert sie. Doch schon den 22 Schulpflegschaftsvorsitzenden, zum Teil begleitet von Stellvertretern oder Sprecherinnen aus dem Offenen Ganztagsbetrieb (OGS), brannten genug Probleme unter den Nägeln. Raummangel, Sozialverhalten, die ewig katastrophale Toilettensituation an vielen Schulen, fehlendes Personal und die OGS-Betreuung waren die Hauptthemen.

Es sind so viele Probleme – vor allem aus dem OGS-Bereich – dass die angesetzten zweieinhalb Sitzungsstunden nicht ausreichten und ein Sondertermin dafür im Nachgang vereinbart werden musste. Dabei droht, so Nadine Schliffke von der Grundschule Albert Schweitzer Straße auf Nachfrage, laut einer Warnung des OGS-Träger mittelfristig eine Stundenkürzung mangels Finanzierbarkeit des Angebots massiven Kostensteigerungen.

42 Prozent mehr Kinder je Klasse über der Soll-Zahl

Jan Klug, ebenfalls wiedergewählter Vorsitzender der Stadtschulpflegschaft, berichtete von der katastrophalen Situation an den Förderschulen für geistige Entwicklung. An der Albert-Schweitzer-Förderschule etwa lernten statt der erlaubt maximal 13 nun 18 Kinder in einer Klasse: „Das sind 42 Prozent über Soll. Das ist nicht zumutbar“, so Klug, zumal die Klassenräume extrem klein sind. Es fehlt auch an Räumen für die pflegerische Versorgung der Schülerinnen und Schüler, etwa für den Windelwechsel.

Warten auf den Neubau: Dieses Schicksal teilen in Ückendorf bereits mehrere Generationen von Kindern der Glückauf-Grundschule.
Warten auf den Neubau: Dieses Schicksal teilen in Ückendorf bereits mehrere Generationen von Kindern der Glückauf-Grundschule. © WAZ | Uli Kolmann

Schnellere Einstufung für Förderbedarf wegen Überlastung

Die Zahl der Schüler, die an eine Förderschule wechseln, ist laut Klug rasant gestiegen, was nicht allein mit Zuwanderung zu erklären sei. Eine Vertreterin der Hohenfriedberger Straße, die beruflich selbst Kinder auf Förderbedarf untersucht, berichtete, dass nach ihren Beobachtungen Verfahren zur Einstufung mit Förderbedarf geistige Entwicklung vermehrt eingeleitet würden auch in Fällen, die früher gut in einer Regelschulklasse aufgefangen werden konnten. Doch dafür fehlten heute einfach die personellen Ressourcen. Eine landesweite Studie zu den Ursachen der starken Zunahme läuft bereits. Lesen Sie dazu: Schüler maximal fördern auf minimalem Raum

Daniela Isopp, selbst Elternsprecherin einer Grundschule, berichtet von Schulen mit 14 Klassen, aber nur 12 nutzbaren Räumen. Nahezu überall müssten Fachräume in Klassenräume umgewandelt werden. Gerade an Grundschulen seien die Klassen mit durchschnittlich 30 Kindern viel zu groß. Von tauglichen OGS-Räumen ganz zu schweigen. Klagen über angekündigte, aber nach drei Jahren noch ausstehende Umbauten von Fachräumen und nicht nutzbare Räume vor allem aus Brandschutzgründen beklagten auch Vertreter weiterführender Schulen.

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Die Elternvertreterin der Glückauf-Grundschule an der Parkstraße fragte nach dem Neubau dieser beziehungsweise der Partnerschule an der Stefanstraße. „Meine älteste Tochter hat darauf schon gewartet, die ist jetzt im elften Jahrgang“, klagt sie. Und auch ihr jüngstes Kind, das jetzt in den Ersatz-Modulbauten an der Parkstraße lernt, wird den Neubau der Grundschule dort wohl nicht mehr erleben: Wegen Baupfusch muss erstmal wieder zurückgebaut werden: Fertigstellungsjahr unbekannt. Einen Grund für die zahlreichen Verzögerungen im Bausektor – vor allem bei Vorhaben in städtischer Hand – nannte Henning Voß, Sprecher der Elternschaft an der Grundschule am Mechtenberg: „Von 111 Ingenieursstellen sind 43 nicht besetzt.“

Alexandra Themann, stellvertretende Vorsitzende des Stadtgremiums und Vertreterin der Eltern im Bildungsausschuss (in beiden Funktionen wiedergewählt), meldet Zweifel an, dass es angesichts der langen To-Do-Liste der neuen Entwicklungsgesellschaft, die dank weniger Bürokratie die Schul-Neubauten vorantreiben soll, wirklich erheblich schneller gehen kann. Von den sieben geplanten Schulneubauten ist bisher nur einer fertig, an der Ebersteinstraße. In Erle ist noch in diesem Monat erster Spatenstich, am Wildenbruchplatz soll die dritte neue Schule entstehen. Beim großen Erweiterungsbau an der Kurt-Schumacher-Straße wurde bereits Richtfest gefeiert, er dürfte fristgerecht fertig werden.

Reparatur-Stau wegen Unterbesetzung beim IT-Dienstleister

Zufrieden zeigten sich fast alle Elternvertreter mit der digitalen Ausstattung der Schulen in der Stadt. „In manch anderer Stadt müssen Eltern 300 Euro selbst beisteuern für ein Schul-iPad“ bestätigt Klug. Allerdings sei die Fortbildung für Lehrkräfte noch ausbaufähig. Die Reparatur defekter Geräte – iPads, aber auch Schulausstattung – dauere viel zu lange, klagten andere Vertreter. Dies sei vor allem der Überlastung der unterbesetzten gkd-el als Dienstleister geschuldet. Auch mancher Drucker im Sekretariat sei drei Wochen lang nicht funktionsfähig, bevor er repariert werde.

Die Sondersitzung der Stadtschulpflegschaft zu Problemen im OGS-Bereich und bei der Personalausstattung insgesamt soll in einigen Wochen digital stattfinden. Ein Termin steht noch nicht fest. Die Einladung soll über die Schulleitungen rausgehen – in der Hoffnung, dass diesmal alle Einladungen auch wirklich zeitnah weitergegeben werden, was nicht immer der Fall sei, hieß es in der Versammlung.