Gelsenkirchen. Extremer Personalmangel im Pflege- und Gesundheitsbereich ist bereits Alltag. Gelsenkirchener Experten sehen aber noch Schlimmeres kommen.

Die in Gelsenkirchen ansässige Ruhrgebietskonferenz Pflege warnt dringend davor, die Förderung der Freiwilligendienste zu kürzen, wie von der Bundesregierung angekündigt. Die Versorgung im Gesundheits- und Pflegebereich werde durch die angekündigten Maßnahmen – Kürzung der Fördergelder um bis zu einem Drittel – noch stärker gefährdet.

Aktuell ist jede vierte Stelle des Freiwilligen Sozialen Dienstes (FSJ) im Gesundheitswesen angesiedelt. Junge Menschen kämen über Freiwilligendienste erstmals mit dem Berufsfeld Pflege in Kontakt, sie seien „Türöffner für die Pflege“, betonen die Experten.

Freiwilligendienste als unverzichtbare Türöffner für Pflegeberufe

Ein weiterer Effekt: „Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Integration ausländischer Arbeitskräfte. Viele Unternehmen nutzen den Freiwilligendienst zur sprachlichen und kulturellen Vorbereitung auf eine Ausbildung in der Pflege. Die Begleitung ist stark professionalisiert worden. Bis zu 80 Prozent entscheiden sich anschließend für einen sozialen Beruf“, versichert Konferenz-Sprecher Roland Weigel. Gerade die Generation Z sei auf der Suche nach einer Arbeit mit Sinn.

Jüngere Schulabgänger können mit dem Freiwilligendienst die Wartezeit bis zur Ausbildung überbrücken; Pflegeauszubildende müssen mindestens 18 Jahre alt sein. Für Haupt- und Realschulabsolventen kommt somit eine Ausbildung direkt nach der Schule meist gar nicht in Frage.

Bis 2030 müsste sich jede dritte Schulabgänger für einen Gesundheitsberuf entscheiden, um das bisherige Versorgungsangebot aufrecht zu erhalten. Das ist nicht realistisch. Aber um möglichst viele Menschen für das Berufsfeld Pflege zu begeistern, braucht es Orientierungshilfen,“ mahnt Weigel. Zumal die Generation Z heute verstärkt eine Arbeit mit Sinn suche.

Awo: Die Hälfte der Freiwilligen bleibt dauerhaft im Pflegebereich

Den starken „Klebeeffekt“ bei Freiwilligen, die nach dem Freiwilligendienst einen Beruf im Bereich Pflege/Gesundheit ergreifen, hat auch die Awo im Bezirk festgestellt. Die Hälfte der Freiwilligen bleibe dauerhaft im sozialen Bereich, absolviere eine Ausbildung oder Studium oder engagiere sich ehrenamtlich, versichert Awo-Sprecherin Karin Mormann.

Auch der Leistungsverbund KERN mit St. Augustinus-Einrichtungen und Katholischen Kliniken hat gute Erfahrungen mit Freiwilligendienstlern gemacht. Aktuell engagieren sich hier 32 junge Frauen und Männer im Bundesfreiwilligendienst. FSJ und Ökologisches Jahr würden eine gute Orientierung vor der Entscheidung für Ausbildung oder Studium bieten, bestätigt KERN-Sprecher Wolfgang Heinberg.

Die Stadt Gelsenkirchen beschäftigt 18 Mitarbeiter über den Bundesfreiwilligendienst im Kinder- und Jugendbereich, drei FSJ-ler im Bereich Kultur und einen im Institut für Stadtgeschichte. In städtischen Seniorenhäusern sind statt Freiwilligendienstlern zehn sozialversicherungspflichtige Vollzeitarbeitsplätze für Langzeitarbeitssuchende über 25 Jahren geschaffen worden. Sie werden – befristet – als Wohnbereichshelfende eingesetzt und nach Tarif bezahlt.