Gelsenkirchen. Dimitrios hat viel probiert, bevor er zur Altenpflege kam. Wie der Gelsenkirchener zum Beruf fand und warum so ein Weg schwerer zu werden droht.

Dimitrios Kavaroukas hat sich gefunden, wie er es nennt. Der 27-Jährige ist in seinem Beruf angekommen. Der sympathische junge Mann arbeitet in der Pflege im Awo-Seniorenzentrum Schalke. Der Weg hierhin war für ihn ein sehr weiter. Obwohl schon der Vater in dem Haus fast sein ganzes Berufsleben gearbeitet hat, als Hausmeister. Aber Altenpflege war für den jungen Dimitrios nichts, worauf er bei der Berufswahl von allein gekommen wäre.

Nach der Schule pendelte er von Job zu Job, schnupperte in mehrere Berufe hinein und landete schließlich hinter einer Theke, als Barkeeper in Essen, später in Gelsenkirchen im edlen Asia-Tempel Xiao in Erle im Schatten der Arena. Sein Lieblingscocktail: der Manhattan, ein Klassiker. Dimitrios oder „Dimi“, wie ihn die meisten liebevoll im Heim nennen, ist konservativ, das sagt er selbst von sich.

„Im Seniorenheim zu arbeiten war nichts, woran ich je gedacht hätte“

Aber trotzdem: Wie kommt jemand, der als Barkeeper gearbeitet hat, zu einem Pflegeberuf? „2020, als Restaurants und Bars wegen Corona schließen mussten, hatte ich plötzlich keine Arbeit mehr, wie so viele andere in der Gastronomie auch. Nach einiger Zeit hat mein Vater mich angesprochen, ob ich nicht mal vorbeikommen mag im Heim,“ erinnert er sich. Er war zwar früher schon mal dort gewesen, hatte den Vater am Arbeitsplatz besucht. Aber hier zu arbeiten, das war nichts, woran er je gedacht hatte, versichert er.

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Der Vater fragte Heimleiter Achim Schwarz, seinen Chef, ob der Sohn sich nicht mal vorstellen dürfte. Helfer würden doch immer gebraucht. Schwarz ließ sich nicht lange bitten. Und kümmerte sich gleich nach dem ersten Treffen um eine Beschäftigung für Dimitrios über das Freiwillige Soziale Jahr, das die Awo als Träger schon lange nutzt. „Anfangs war ich vor allem in der Betreuung und Begleitung eingesetzt, aber das war nicht so richtig meins. Ich packe lieber richtig an, wollte mehr in der Pflege machen. Und eine sehr liebe Kollegin, Cana Delibasan, hat mich dabei unterstützt, mich mitgenommen, in das Pflegerische eingeführt“, erinnert er sich.

Awo schätzt: Jede dritte bis vierte Stelle im Freiwilligendienst könnte wegfallen

So wie Dimitrios helfen jedes Jahr viele junge Menschen in Freiwilligendiensten bei unterschiedlichsten Trägern, das soziale Miteinander besser zu machen. Doch das könnte bald schwieriger werden: Die Bundesregierung will die Mittel dafür kürzen. Noch ist nicht eindeutig, in welchem Umfang. Aber die Awo, in deren Gelsenkirchener Einrichtungen allein 24 Freiwilligendienst-Mitarbeiter helfen, schätzt, dass jede dritte oder vierte Stelle dadurch wegfallen könnte. Für die Versorgung Pflegebedürftiger hätte das verheerende Folgen, fürchtet nicht nur dieser Träger. Lesen Sie dazu auch: Pflege am Limit: Ampelpläne könnten die Lage noch verschärfen

Der Freiwilligendienst verging für Dimitrios jedenfalls gefühlt wie im Flug. „Vor allem, als ich an dann mehr in der Pflege lernen konnte, wusste ich schnell, dass ich bleiben möchte“, versichert er und sein entspanntes Lächeln wirkt überzeugend. Wir sind zu Gast bei Eva-Maria Klara, 86 Jahre jung und Vorsitzende des Heimbeirats. Die Mutter von drei Kindern, die alle in der Pflege arbeiten beziehungsweise gearbeitet haben, wie sie stolz berichtet, hat „Dimi“ eindeutig ins Herz geschlossen. Sie nimmt ihn ganz selbstverständlich in den Arm, flirtet fast ein bisschen. Und „Dimi“ schäkert natürlich mit.

Richtige Teamarbeit im Gegensatz zu Gastronomiejobs

Das habe er sich früher niemals vorstellen können. Aber heute sei die Arbeit im Heim für ihn eine Herzensangelegenheit: „Ich brauche viel Kontakt mit Menschen, und hier habe ich den. Wir sind ein richtiges Team, im Gegensatz zur Arbeit in der Gastronomie, da ist man Einzelkämpfer. Auch Freundschaften und Beziehungen zu pflegen ist wegen der Arbeitszeiten als Barkeeper schwer. Und die Bewohnerinnen und Bewohner hier lassen sich gern von mir helfen, auch das ist ein Miteinander.“

„Helfen, jaaa“, strahlt Eva-Maria Klara, „aber waschen darfst du mich nicht, das kann ich noch selbst!“ Apropos: Ist es schwer, als junger Mann ältere Damen zu waschen? „Nein, für mich gar nicht und für die meisten Bewohnerinnen auch nicht. Manchen ist es sogar lieber, wenn ein junger Mann sich um sie kümmert, sie genießen es. Und für die, die das nicht möchten, gibt es genug Kolleginnen“, erklärt Kavaroukas. Langfristig möchte er sich weiterbilden im Beruf, obwohl er von sich sagt, dass das Materielle, ein höherer Verdienst nach der Fortbildung, ihm nicht so wichtig sei. Das Emotionale müsse stimmen, und das sei hier der Fall. Auch die Arbeitszeiten gefallen ihm besser als die hinter der Theke.

Ohne die Möglichkeit, über das Freiwillige Soziale Jahr in den Pflegeberuf hineinzuschnuppern, sich auszuprobieren, wäre er nie hier gelandet, ist er sicher. Er ist froh, die Chance bekommen zu haben. Wenn wegen der Sparpläne weniger Menschen diese Chance bekommen, könnte das fatale Folgen haben.