Gelsenkirchen-Horst. „Schrulli“ und „Kurt“ sind imposante Listenhunde und trotzdem teilen Senioren in diesem Gelsenkirchener Heim sogar das Bett mit ihnen.
„Schrulli“ sitzt auf einem umgedrehten Speiß-Eimer wie ein Löwe im Zirkus bei der Raubtierdressur. Dabei ist der junge Rüde, ein Pitbull-Stafford-Mix, alles andere als ein wildes Raubtier. Zwar ist er ob seiner Jugend ein bisschen ungestüm, dabei jedoch verspielt und verschmust. Die Seniorinnen und Senioren des AWO Zentrums in Horst wissen den Rüden aber zu schätzen – und freuen sich über die wöchentlichen Besuche.
„Schrulli“ und „Kurt“, ein imposanter American Bulldog, gehören zu Susanne Strzyzewski. Sie kommt aus der Altenpflege, ist heute Betriebsrätin im Horster Seniorenzentrum. Als sie vor sechs Jahren auf den „Kampfhund“ kommt, liegt es für sie nahe, jenen zum Besuchshund auszubilden. Vor rund zweieinhalb Jahren absolviert „Kurt“ die mehrjährige Schulung mit Zertifikat – und einem schmucken Halsband, das ihn als Besuchshund ausweist. „Schrulli“ folgt zu Jahresbeginn in den „Hunde-Job“.
- Auch interessant:Illegale Hundekämpfe im Ruhrgebiet - Auch Kangals leiden
Im Saal des Seniorenzentrums haben sechs Seniorinnen und Senioren ihre Freude an der Hundebegegnung. Erst einmal macht „Kurt“ die Runde, begrüßt jeden einzeln und holt sich erste Streicheleinheiten ab. Edith Dittmann will von dem Rüden gar nicht ablassen. „Das juckt ihn sicher gerade dort“, sagt sie lächelnd in die Runde und etwas entschuldigend, dass sie den Hund so lange bei sich hält. „Ich könnte die beiden immer fest drücken.“ Dabei weiß sie gut, dass die Hunde, die sie so ins Herz geschlossen hat, als „Listenhunde“ von vielen Menschen kritisch gesehen werden. „Ich habe vor denen keine Angst mehr.“
Jetzt zeigt „Kurt“, dass er nicht nur Entertainer ist, sondern auch Artist. Die älteren Menschen halten jeder einen Reifen hin – und der Rüde geht lässig durch alle hindurch, macht kehrt und geht denselben Weg zurück. Mehr noch: Es folgt die „Topfübung“. Da steht „Kurt“ mit beiden Vorderfüßen auf einem umgedrehten Futternapf. Dabei dreht er sich mit dem Körper einmal im Rund. „Das ist gar nicht einfach für ihn“, weiß Susanne Strzyzewski.
Kognitives Training ganz nebenbei
Nun ist „Schrullis“ Einsatz an der Reihe. Es wird gleich temporeicher. Mit seiner Löwen-Nummer weiß er zu begeistern. Dann bezieht er die Seniorinnen und Senioren mit ein: Er holt Karten mit Bildern, die die Gäste erkennen müssen: Ente, Katze, Pferd und, natürlich, Hund. Kognitives Training geht so ganz humorvoll und spielerisch.
„Unsere Erfahrung, was die Entwicklung der Bewohnerinnen und Bewohner durch dieses Training betrifft, ist super“, erzählt Nicole Slawinski vom Sozialen Dienst des Hauses nebenbei in einer kleinen Pause. Sie dient als Überleitung für die nächste Übung für „Kurt“. Nun soll er lernen, sicher und konzentriert am fahrenden Rollstuhl zu gehen. Das macht er zum dritten Mal erst und schon recht gut.
- Wir taggen GElsen: Videos und Bilder aus Gelsenkirchen finden Sie auch auf unserem Instagram-Kanal GEtaggt. Oder besuchen Sie die WAZ Gelsenkirchen auf Facebook.
Dann kommt ein großer Moment: Die Gruppenarbeit ist beendet und „Kurt“ macht sich bereit für einen Einsatz am Patientenbett – oder vielmehr in einem solchen. Anneliese Simmen wartet schon. Die zarte Frau rutscht an die Seite ihres Bettes, macht Platz, viel Platz, für „Kurt“. Rasch wird ein Laken über das Bett gelegt und schwups, liegt der riesige Rüde im Bett neben der zierlichen älteren Dame. Das kenne sie schon, erzählen die Mitarbeiterinnen des Hauses. Diese Abwechselung ist ihr spürbar willkommen. Mit ihrer zarten Hand umfasst sie die dicke Pfote des Hundes und sagt lächelnd: „Ich habe Tiere gern.“