Gelsenkirchen. Lebensmittelüberwacher der Stadt Gelsenkirchen schaffen nur die Hälfte ihrer angepeilten Kontrollen. Das liegt an „besonderen Herausforderungen“.

  • Das städtische Referat für Lebensmittelüberwachung schafft in Gelsenkirchen nur die Hälften der angepeilten Routine-Kontrollen.
  • Eigentlich wollen die Kontrolleure 2300 Plankontrollen im Jahr schaffen, zuletzt konnten sie aber nur rund 1130 im Jahr leisten.
  • Das liegt an zahlreichen speziellen Herausforderungen in Gelsenkirchen – etwa an der Zahl anspruchsvoller Großbetriebe, an unterschiedlichen kulturellen Vorstellungen oder an dem Personalmangel im Amt. Außerdem kommen immer mehr außerplanmäßige Kontrollen hinzu.

Lebensmittelkontrolleure stehen unter Druck: Aufgrund der „besonderen Herausforderungen“ in Gelsenkirchen schafft es die Stadt bei weitem nicht, die eigenen Zielvorgaben zu erreichen. Wie aus einer Präsentation des städtischen Referats im Fachausschuss für Ordnung und Prävention hervorging, haben die Lebensmittelüberwacher nur die Hälfte (52 Prozent) der Routine-Kontrollen geschafft, die man im Jahr 2022 eigentlich schaffen wollte.

Oberveterinärrätin Helen Schäfer begründete die Situation zum einen mit den personellen Engpässen und nicht besetzen Planstellen im Amt. „Lebensmittelkontrolleure sind sehr rar und nach der Ausbildung werden uns viele junge Leute direkt wieder ,weggeschnappt’.“ Gleichzeitig verwies Schäfer auf die spezielle Situation in Gelsenkirchen. „Wir haben nicht sehr viele, aber sehr anspruchsvolle Großbetriebe, die regelmäßige Überwachung benötigen“. Etwa werden der Großmälzerei Avangard Malz oder dem Eiswaffel-Hersteller Oexmann eine „nationale Sonderstellung“ zugeschrieben.

Zudem sei in Gelsenkirchen eine hohe Fluktuation in den Betrieben durch häufige Wechsel der Betreiber zu erkennen. „Laufende Verfahren müssen dann auf den neuen Betreiber umgestellt werden“, sagte die studierte Tiermedizinerin. Bei der Eröffnung nach dem Wechsel versuche man in der Regel, sich den Laden noch einmal „neu anzusehen.“

Schwierige finanzielle Situation vieler Lebensmittelunternehmer in Gelsenkirchen

Und: „In Gelsenkirchen gibt es viele unterschiedliche kulturelle und religiöse Ansichten in Bezug auf den Umgang mit Lebensmitteln“. Dies mache die Kontrollen nicht weniger kompliziert, ebenso wie die sprachlichen Unsicherheiten vieler Betreiber mit Blick auf lebensmittelrechtliche Vorschriften. Darüber hinaus, so Schäfer, sei die finanzielle Lage vieler Betriebe in der Stadt nach den Corona-Jahren alles andere als entspannt. „Das hat sehr vielen Lebensmittelunternehmern – salopp gesagt - das Genick gebrochen. Sie sind durch ihre sinkenden Einkommen nicht mehr in der Lage, Ausbesserungen vorzunehmen und den Betrieb so einwandfrei hygienisch zu halten, dass wir damit zufrieden sind.“

In Gelsenkirchen gibt es 3800 Betriebe, die von den Kontrolleuren in unterschiedlichen Zeitabständen besucht werden müssen (mehr Zahlen in der Infobox). Es geht dabei nicht nur um Lebensmittelbetriebe, sondern auch um Geschäftsleute, die Tabakerzeugnisse oder Kosmetika verkaufen oder mit Tattoofarbe arbeiten.

Um so viele Betriebe geht es

Unter den 3800 Betrieben, die vom Referat Veterinär- und Lebensmittelüberwachung kontrolliert werden müssen, sind 2300 Einzelhändler, 1200 Dienstleistungsbetriebe (z.B. Küchen, Kantinen, Gaststätten, Imbisse), 196 Vertriebs- und Transportunternehmen (z.B. Großhändler), 92 Herstellerbetriebe (z.B. Dönerfleischproduzenten, Kopffleischhersteller), 89 Erzeuger (z.B. Hofläden, Wildkammern).

Mit dem gesamten Kontrollprozess beschäftigt sind: Zwei tierärztliche Sachverständige, eine staatlich geprüfte Lebensmittelchemikerin, acht Lebensmittelkontrolleure (einer in Ausbildung) und drei Kontrollassistenten.

Allzu viel Gegenwind von den Betreibern bekomme das Amt bei den Kontrollen nicht, sagte Schäfer. „In Gelsenkirchen gibt es eher einen respektvollen Umgang“. Natürlich müsse man auch mal „mit dem Säbel rasseln“, aber dann bekomme man von den meisten Betreibern doch schnell Verständnis entgegengebracht.

Verstöße, die in Gelsenkirchen entdeckt werden, seien vor allem Kennzeichnungs- und Hygienemängel. 20 Prozent der entnommenen Proben wurden laut Schäfer im Jahr 2022 beanstandet, hier vor allem aufgrund der mangelnden Kennzeichnung. „Die EU hat da sehr klare Richtlinien, zum Beispiel, was die Schriftgröße angeht“. 2022 hätten insgesamt 174 Ordnungswidrigkeitsverfahren im Zusammenhang mit den Kontrollen eingeleitet werden müssen, überwiegend im Zusammenhang mit Proben. Viel öfter seien die Betriebe nur mündlich oder schriftlich belehrt worden.

Die Kontrollhäufigkeit der Betriebe hängt mit dem Risikopotenzial und der Betriebsart zusammen. Monatlich oder quartalsweise besucht werden müssen nach Angaben des Amtes nur etwa 14 Betriebe. Halbjährlich kontrolliert würden etwa 100 Betriebe, jährlich rund 1000 Betriebe und alle 19 Monate oder drei Jahre etwa 2700 Betriebe. Daraus ergeben sich rund 2300 Plankontrollen im Jahr. Von diesen „Routine-Kontrollen“ konnten im vergangenen Jahr jedoch nur 1127 durchgeführt werden.

Lebensmittelüberwacherin: „Sie können in Gelsenkirchen sehr gut essen gehen“

Beschäftigt sind die Kontrolleure auch mit zahlreichen, nicht selten unangemeldeten Anlasskontrollen, etwa weil Hinweise von Bürgerinnen und Bürgern vorliegen, dass es in einem Betrieb nicht sauber zugeht. „Wenn wir die Plankontrollen durchgeführt haben, gehen wir meistens noch mal in den Betrieb, um zu schauen, ob er das auch durchgesetzt hat, was wir vorgeschrieben haben“, ergänzte Schäfer. Dass diese anlassbezogenen Kontrollen immer häufiger würden, zählt laut ihr zu den weiteren Gründen für die nur zur Hälfte erfüllte Zielvorgabe bei den Routine-Kontrollen.

„Sie können in Gelsenkirchen trotzdem essen gehen, sehr gut sogar“, beschwichtigte Schäfer. Schließlich seien es gerade die vielen Gastro-Betriebe, bei denen es nicht so viele Probleme gebe. Vom Risikoumfang, so die Veterinärin, seien diese eher ein „kleiner Bereich.“