Gelsenkirchen-Schalke. Oexmann mischt in der Champions-League mit: Im Gelsenkirchener Werk werden täglich Millionen Hörnchen für die weltweite Eisproduktion gebacken.
Auf’m Wasserkamp ist eine beschauliche Nebenstraße, die in einer Sackgasse endet. Eine Handvoll Doppelhäuser flankieren die Gehwege. Die Firmenzufahrt führt unscheinbar hinter einer Schranke einen kleinen Hügel hinauf. Einen Weltmarktführer erwartet man hier nicht gerade.
Doch das ist die Oexmann GmbH & Co. KG. Sie ist ein Hidden Champion, versteckt in Schalker Vorort-Beschaulichkeit. Eiswaffeln sind ihr Geschäft. Wie groß das ist, machen einige wenige Zahlen deutlich: 15.000 bis maximal 20.000 knusprige Eiswaffeln werfen Maschinen und Ofenstrecke aus. Pro Stunde! Rund um die Uhr von Sonntag bis Samstag! Zehn Ofenstrecken laufen im langgestreckten Hallenbau. Macht Millionen Tüten täglich.
Großvater Karl Oexmann baute die Firma in Gelsenkirchen auf
„Wir produzieren zu 95 Prozent für die Industrie“, sagt Thomas Oexmann. Mit Waffeln für Eisdielen werden nur noch einzelne Großhändler beliefert.
Thomas Oexmann, Jahrgang 1969, ist der Chef des Familienunternehmens, das von seinem Großvater Karl ab 1926 in größerem Stil aufgezogen und von seinen Eltern ausgebaut wurde. Eiswaffeln, sagt er, „sind global ja eher ein Nischenprodukt“. Aber eben eins, bei dem Oexmann international eine Marktführerposition besetzt. Und eines, das 130 Menschen, davon rund 115 in der Produktion, Arbeit gibt.
1989 ist Oexmann in das Unternehmen eingetreten, hat hier seine kaufmännische Lehre gemacht. 1997 hat er schließlich die Verantwortung übernommen – in der dritten Generation. Eine Bürde? Keineswegs. „Ich bin sozusagen im Betrieb groß geworden. Schon als Kind bin ich täglich in der Firma gewesen. Meine Eltern haben das Werk hier 1974 gebaut. Sie wohnten am Betriebshof.“ Diese Tradition setzt der Chef heute fort.
Thomas Oexmann ist im Betrieb groß geworden
Thomas Oexmann und seine Frau Monika – sie unterstützt ihn „in der Personalleitung und vorbereitenden Buchführung“ – arbeiten und leben mit ihren drei Kindern auf dem Firmengelände. Von der A 42 trennen sie ein schmaler Streifen Grün und eine massive Schallschutzwand. Der Verkehrslärm ist dauerpräsent. „Doch den höre ich eigentlich gar nicht mehr“, sagt der Unternehmer.
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Stets präsent ist auch der feine Gebäckduft, der den Standort überzieht und heimeliges Kaffeetafel-Gefühl verbreitet. Wobei: Mit gemütlichem Waffelbacken hat das wenig gemein, was hier passiert. Klar geht es um qualitätsvolles Gebäck, aber eben auch um Effizienz, um Produktion im Industrie-Takt. Hinein in die Halle. Erste Station: die Teigherstellung.
Edelstahl blitzt auf Mischern, Leitungen und Tanks. „Das ist das Herzstück der Produktion“, erklärt dazu Oexmann. Vollautomatisch wird hier vereint, was in den glänzenden Silos auf dem Hof gebunkert wird: 150 Tonnen Weizenmehl fassen drei stählerne Depots, 65 Tonnen bevorratet allein das Zuckersilo. Mischer rühren die Zutaten für die Waffeln zusammen. 80 Tonnen Teig am Tag. Jeweils 240 Kilogramm werden in knapp fünf Minuten durchgemischt. Dann geht es weiter – Richtung Backstrecken. Und mit Turbo-Tempo. Nach 58 Sekunden Backzeit bei 180 bis 200 Grad fliegt die Waffel als weiche Scheibe förmlich von rotierenden Backformen in die Wickelmaschine, wird dort zum Hörnchen gedreht und setzt dann die rasante Fahrt auf Fördersystemen fort.
Vier Silos am Standort werden nachts königsblau beleuchtet
Seite an Seite fahren die Waffeln in Zehnerreihen unter der rauschenden Luftkühlung durch, um gerade noch 50 Grad warm und nunmehr knackig schließlich einen Tüten-Überzug aus Papier und Alu über die Hörnchenspitze gestreift zu bekommen. Erst dann greift der Mensch manuell in den Prozess ein. Per Hand werden die Hörnchen zu Tütenstangen ineinandergeschoben und landen dann in den Verpackungskartons.
110 Millimeter sind Standard für ein Eiswaffel-Hörnchen
Dutzende stapeln sich neben der Maschine. Aufkleber verraten, was hier gerade so rasant den Backprozess durchlaufen hat: „Waffel, doppelt gewickelt, Schoko-Vanille, Inhalt 612 Stck., 110 mm incl. Alu-Tüte“.
„110 Millimeter, das ist der Standard, das ist unser meistverkauftes Hörnchen“, sagt Oexmann. Zum Eishörnchen, veredelt und mit einer sichtbaren Krone aus Eis, mit Frucht- und Schokosoßen oder auch mit Nusssplittern getoppt, wird die Waffel erst in den Betrieben der Eisproduzenten. „Beim Kunden wird auch eine kakaohaltige Fettglasur in die Waffel gespritzt, sozusagen als Barriere zwischen Eis und Waffel.“ So bleibe das Gebäck auf Dauer knusprig frisch. Millionenfach natürlich und bei so ziemlich allen Anbietern, die deutsche oder internationale Gefrierschränke in Discountern oder Lebensmittelmärkten mit ihren Eiskreationen im Hörnchen füllen. 125 Millimeter, sagt Oexmann, messe die gefüllte Tüte, zwischen 90 und 110 Gramm brächten Hörnchen samt Inhalt final auf die Waage.
Groß denken, bei Oexmann gehört das zum Berufsalltag. Er beliefert ja nicht nur die deutschen Eisproduzenten, sondern auch Hörnchen für den US-Markt. Oder Großkunden in Australien und Neuseeland. Die Südhalbkugel der Erde ist für ihn ein idealer Absatzmarkt, um seine Maschinen übers Jahr auszulasten. Ist in Europa Winter, ist dort Sommer-Hochsaison – und das saisonale Eisvergnügen befriedigt Oexmann gerne mit seinen Hörnchen.
Global, sagt er, sei letztlich auch die Grundrezeptur. Da gäbe es keine Vorlieben oder ländertypische Anforderungen an die Waffel. Vielleicht ein Hauch mehr Zucker sei in dem ein oder anderen Land gewünscht. Was ansonsten ins Gebäck kommt? Mehl, Zucker, Fett, Lecithin, Salz, ein bisschen Magnesium, je nach Wunsch noch Kakao, Vanille oder Mandelplättchen, zählt Oexmann auf. Für bis zu fünf Rezepturen gleichzeitig ist der Backbetrieb ausgelegt.
Fünf eigene Lastzüge beliefern die Industriekunden in Deutschland und der Schweiz
Die fünf schneeweiß lackierten Zugmaschinen und die sechs Auflieger tragen den Firmennamen auf den Flanken. „Deutschlandweit und bis in die Schweiz liefert der Betrieb mit eigenen Sattelzügen“, sagt Monika Oexmann. Spediteure übernehmen die europa- und weltweiten Lieferdienste.
„Das Unternehmen ist zu 100 Prozent in Familienbesitz. Ich bin alleiniger Gesellschafter der Firma“, sagt Oexmann. Die Vorteile liegen dabei für den Unternehmer auf der Hand: höhere Flexibilität, schnellere Entscheidungswege. „Das vermisse ich bei größeren Konzernen oft.“ Zu seinem besonderen Firmenkonzept gehört auch die ständige Erneuerung des Maschinenparks. Ofenstraßen verkauft Oexmann meist nach fünf bis sechs Jahren weiter.
Der Maschinenpark in der Waffelfabrik wird alle fünf bis sechs Jahre erneuert
„Wir sind Entwicklungspartner und größter Kunde unseres Maschinenherstellers“ – das hilft offenbar bei Preisgestaltung und steter Modernisierung. „So können wir die Produktion auf absolutem Topstand halten“, sagt Oexmann. Die gebrauchten Anlagen sind gefragt – verkauft werden sie bevorzugt nach Südostasien, zuletzt auch in den Irak.
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Backstraßen, die permanent rund um die Uhr befeuert werden, bedeuten ein Kostendilemma in Zeiten stark steigender Energiepreise. „Vergangenes Jahr ist der Erdgaspreis schon stark gestiegen. Darunter haben wir massiv gelitten und nach einer Lösung gesucht. Die hieß dann für uns LPG, also Flüssiggas. Das funktioniert jetzt alles hervorragend“, freut sich Oexmann. Im Februar hat er den Betrieb umgestellt, kurz vor der Preisexplosion mit dem Kriegsausbruch in der Ukraine. Das war nicht nur unternehmerische Weitsicht, räumt Thomas Oexmann ein. „Wir haben auch einfach Glück gehabt.“