Gelsenkirchen-Resse. Die Zahl der Bauern in Gelsenkirchen ist massiv gesunken. Betriebe leiden unter der Dürre und klagen über zusätzliche Kosten durch Bewässerung.
Es regnet etwas, die Temperaturen sind gesunken nach der Hitze der vergangenen Wochen. Von Durchatmen kann bei den Bauern aber keine Rede sein. Schon jetzt ist Ortslandwirt Michael Föcker klar: Angesichts der insgesamt geringen Niederschläge drohen bei einigen Feldfrüchten Ernte-Einbußen, wieder einmal. Dabei ist der Klimawandel nicht der einzige Grund, weshalb immer mehr Landwirte vor Ort aufgeben. Deren Zahl jedenfalls, sie hat in den vergangenen Jahren dramatisch abgenommen.
Furchtbar heiß ist es gar nicht an diesem Morgen auf dem Eckermannshof von Familie Föcker. „Der Regen hat die Luft abgekühlt und den Pflanzen richtig gut getan. Der Mais hat quasi über Nacht einen Satz von 20 Zentimetern gemacht“, berichtet der 36-Jährige. „Aber Fakt ist auch: In der Länge fehlen den Pflanzen drei bis vier Wochen, weil es nach dem recht nassen Frühjahr viel zu trocken war.“
Dürre der letzten Wochen mindert den Ernteertrag auf Gelsenkirchener Äckern
Auf rund 40 Hektar baut der Resser Mais an, dazu kommen 15 Hektar Gerste und Roggen, zehn Hektar Kartoffeln, drei Hektar Erdbeeren und zwei Hektar Bohnen. Für nahezu alle Pflanzen gilt: Sie sind zu mickrig. „Die Blätter sind vielfach eingerollt, um die Verdunstung von Wasser zu reduzieren. Aber was oben an Blattmasse fehlt, fehlt auch bei der Photosynthese, und das mindert den Ertrag.“ Um wie viel, vermag Föcker noch nicht zu sagen, bei den Kartoffeln nach derzeitigem Stand etwa fünf bis zehn Prozent, ebenso beim Getreide – ein Trend, über den viele seiner Kollegen klagen.
Auch Nebenerwerbs-Landwirt Johannes Kuhlmann (74) aus Beckhausen klagt über die Dürre. Seine zehn Hektar große Fläche mit Mais wird wohl ähnlichen Ertrag bringen wie im einbußengeplagten Jahr 2022. „Wenn ich die Kosten wieder raus kriege, bin ich ja schon zufrieden“, gibt er sich genügsam. Es habe schon immer trockene und nasse Wachstumsperioden gegeben.
Gelsenkirchener Bauer: Bewässerung der Äcker ist nicht überall möglich - und teuer
Die Felder künstlich zu bewässern, kommt für ihn nicht in Frage. „Doch nicht bei den Dieselpreisen! Die Pumpe mit einem 100 PS starken Motor braucht jeden Abend 100 Liter Kraftstoff. Das kann man doch nicht bezahlen“, schimpft er.
Föcker hingegen greift durchaus seit Jahren immer mal wieder auf eine Bewässerung zurück, auch wenn dies nur im unmittelbaren Umkreis des Hofes an der Böningstraße möglich ist. Denn der Betrieb und die zwei Wohnhäuser decken ihren gesamten Wasserbedarf über zwei Brunnen. „Bislang reichen diese noch, die Erdbeerfelder nachts, wenn die Verdunstung am geringsten ist, punktuell zu beregnen mit Wasser, das wir nach der Kühlung unserer Rohmilch auffangen. Auch den Mais haben wir schon mal in einer ausgeprägten Trockenheitsphase bewässert. Aber wenn es so wenig regnet, wird’s knapp.“
Gelsenkirchener Bauer: „Hof ohne Wasser ist eine Katastrophe“
Deshalb überlegt er schon länger, den bislang bei der Wasserversorgung autonomen Betrieb vielleicht doch an das städtische Netz anschließen zu lassen. Kein ganz günstiges Unterfangen angesichts der großen Distanz zu den Hauptleitungen. „Außerdem müsste ich dann grundlegend auf städtisches Wasser umstellen, weil die Rohre aus hygienischen Gründen nicht längere Zeit ungenutzt bleiben sollten.“
Er hofft noch, dass die Dürreperiode der vergangenen Jahre nur eine Phase ist und er nicht irgendwann die Feuerwehr rufen muss, weil die Wasserpumpen wegen des zurückgehenden Grundwassers nur noch spucken. In Westerholt etwa habe die Feuerwehr mal einen Bauernhof mit Wasser vom Hydranten versorgen müssen. „Ein bäuerlicher Betrieb ohne Wasser: Das wäre eine Katastrophe!“, sagt er ernst.
Auch Gelsenkirchener Landwirte leiden unter schwierigen Rahmenbedingungen
Wie gut ist es da, dass der Hofladen mit seiner Direktvermarktung für kontinuierliche Einnahmen sorgt. „Er ist schon fast das erste Standbein unseres Betriebs“, freut sich Föcker über zahlreiche Stammkunden. Vor mehr als 30 Jahren von seiner Oma für den Verkauf von Milch und Eiern eröffnet, gibt’s dort mittlerweile je nach Saison Obst, Gemüse aus eigener Produktion oder zugekauft von regionalen Fremdhöfen, Eier von den eigenen rund 1000 Hühnern, Wurst- und Fleischwaren, Milcherzeugnisse und seit Kurzem selbst gemachtes Eis mit Milch der eigenen 120 Kühe. Darüber hinaus züchtet Föcker noch Gänse.
Dennoch seien die Rahmenbedingungen für landwirtschaftliche Betriebe nach wie vor schwierig. „Das Ansehen der Bauern hat doch sehr gelitten. Wir sind immer die Schuldigen“, spielt der dreifache Vater auf den Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln, den Verbrauch von Wasser und das Tierwohl an. „Es fällt schon schwer, dabei motiviert zu bleiben.“
Zahl der Gelsenkirchener Vollerwerbs-Landwirte sank von 20 in 2007 auf vier in 2023
Zudem mache die Politik immer neue Auflagen, deren Finanzierung viele Landwirte in die Knie zwinge. „Die seit Kurzem vorgeschriebene Siloplattenanlage kostet mehrere hunderttausend Euro. Das kann sich nicht jeder Bauer leisten. Deshalb gilt nach wie vor das Prinzip: Wachse oder weiche.“ Auch der Generationenwechsel gelinge immer seltener. Ein Job mit geregelten Arbeitszeiten und sicherem Gehalt sei für viele attraktiver als den elterlichen Betrieb zu übernehmen.
Für Gelsenkirchen heißt das: Waren 2007 noch 20 Vollerwerbslandwirte aktiv, so zählt Föcker heute noch vier. Hinzu kämen eine Handvoll Bauern im Nebenerwerb – auch davon gab’s 2007 noch rund 30. Im Landwirtschaftlichen Lokalverein jedoch bleibt die Zahl der Mitglieder mit etwa 55 seit vielen Jahren konstant.