Im Mai 1869 schlossen sich die buerschen Bauern zum Landwirtschaftlichen Lokalverein zusammen. Eine lange Tradition wurde begründet und lebt heute noch fort.
140 Jahre alt wird in diesen Tagen der Landwirtschaftliche Lokalverein Buer - der Interessen- und Standesverein der örtlichen Bauern. Im Mai 1869 wurde er in der Gastwirtschaft Lugge im Dorf Buer gegründet mit dem Ziel, „den Stand bäuerlicher Grundbesitzer in sittlich-religiöser, intellektueller, sozialer und materieller Hinsicht zu heben”, heißt es in der Satzung, wie Heimatforscher Carl Heinrich Lueg beim Studium alter Protokolle des Vereins herausfand.
Die ersten Jahre des Vereins liegen mehr oder weniger im Dunkeln, vielleicht auch deshalb, so Lueg, weil die Gründung von der reaktionären königlich-preußischen Regierung mit Argwohn als „demokratischer Umtrieb” betrachtet wurde und der Verein unter Polizeiaufsicht stand. Er arbeitete anfangs wohl im Verborgenen. Daher datieren die ältesten Protokolle, die Lueg auswerten konnte, aus dem Jahr 1884. Immerhin kennt man die Gründungsmitglieder: Franz Ressemann, Franz Heege-Uhlenbrock, Wilhelm Rohmann, Tewes, Bertlich und H. Schulte Ostrop.
Die Gründung fiel in eine Zeit des gesellschaftlichen und industriellen Umbruchs, nachdem die Bauern ohnehin erst wenige Jahrzehnte vorher nach staatlichen Reformen frei geworden waren und sich von ihren bisherigen grundherrlichen Verpflichtungen freikaufen konnten, wie der Heimatforscher berichtet. Ackersleute hatte es seit Anbeginn der buerschen Zeit, also mehr als 1000 Jahre, hierzulande gegeben. Ihre Höfe waren immer den Grundherren gegenüber abgabepflichtig gewesen, die Bauern nicht organisiert.
Als sie frei und nun auch Eigentümer ihrer Höfe wurden, stiegen ihre Chancen am Markt, damit ihr Selbstbewusstsein und der Gemeinschaftssinn, der sich in der Gründung des Landwirtschaftlichen Lokalvereins (übrigens wie andernorts im Vest) manifestierte. Die Gründung fiel in die Zeit der Industriealisierung und Urbanisierung: die ersten Zechen gründeten sich, neue Siedlungen entstanden. Auch die Technisierung in der Landwirtschaft nahm ihren Lauf. Alles Themen, mit denen sich die Bauern in ihrem neuen Verein beschäftigten, wie Heimatforscher Lueg herausfand. Fortbildung war von Anfang an ein ganz wichtiger Punkt. Aber auch politische Bildung und, so Lueg, die Bildung genossenschaftlicher Einrichtungen, um günstiger einzukaufen oder Tierzucht betreiben zu können.
So ist aus 1880 bekannt, dass der Verein drei Bullenstationen betrieb, wo Bauern ihre Kühe von hochwertigen Zuchtbullen aus Holland decken lassen konnten. Ähnliche Stationen gab es für die Pferdezucht. 1886 war Johann Holz Vorsitzender, Mitglieder kam nicht nur aus dem alten Kirchspiel Buer, sondern auch aus Horst, Brauck und Feldhausen. Mehr als 130 Höfe gab es Ende des 19. Jahrhunderts in und um Buer. Noch im Januar 1901 weist die Mitgliederkartei 132 Namen aus. Enge Kontakte hielt der Verein auch immer zur Politik und zur (katholischen) Kirche.
Gesellschaftlich standen lange Jahre das Winterfest und das Tierschaufest fest im buerschen Bauernkalender. Das Winterfest fand im Januar statt, es war ein glänzender Ball, an dem alles, was in der damaligen buerschen Gesellschaft Rang und Namen hatte, teilnahm. Das Tierschaufest wurde stets kurz vor der Ernte gefeiert, meist auf Haus Berge. Die Bauern zeigten vor großem Publikum, was für Vieh sie den Ställen hatten.
Noch 1927 zählte man allein in Resse 88 Betriebe, heute sind es acht. Ende 2007, so die jüngste Statistik, gab es in Buer immerhin noch 51 Voll- und Nebenerwerbsbetriebe (zum Vergleich: In Alt-Gelsenkirchen drei). Vorsitzender Heinz Melchers (63) aus Sutum und sein Stellvertreter Klaus Drießen aus Resse, die seit 1996 an der Spitze des Traditionsvereins stehen, schätzen, dass es derzeit noch 20 Vollerwerbsbetriebe gibt, darunter fünf Milcherzeugungshöfe und vier Schweinemastbetriebe. Reinen Ackerbau betreiben noch fünf Höfe. An Mitgliedern zählt der Verein im Jubiläumsjahr noch exakt 58 Köpfe.
Jubiläen auch bei Landfrauen und Landjugend
Nicht nur der Lokalverein der Bauern feiert in diesem Jahr stolzen Geburtstag, sondern auch zwei seiner „Ableger” blicken auf ein rundes Datum: Die Landfrauenbewegung Buer wird 60 Jahre alt, und die katholische Landjugendbewegung Buer´/Herten blickt auf ihr 85-jähriges Bestehen zurück. Beide Organisationen, so fand Heimatforscher Carl Heinrich Lueg heraus, waren ursprünglich „Sektionen” des Landwirtschaftlichen Lokalvereins. Man kooperierte von Anfang an - und tut es noch heute - eng mit dem Lokalverein, setzte und setzt aber immer wieder auch eigene Akzente, wie aus den Annalen hervorgeht. Die Landfrauen, die Bäuerinnen, seien seit jeher, so Lueg, mehr als Hausfrauen gewesen, sondern eher Berufstätige auf dem Hof. Durch ihren eigenen Vereine bildeten sie sich weiter, sorgten aber auch für Freizeitaktivitäten. Auch die Landjugend sei von vornherein vor allem mit Blick auf Fort- und Weiterbildung gegründet worden - stets zukunftsorientiert.