Gelsenkirchen. Die AfD Gelsenkirchen verliert ein wichtiges Mitglied ihrer Fraktion: Warum Thorsten Pfeil die Partei verlassen hat und was die AfD dazu sagt.

Er begründet seinen Austritt mit dem „kindischem Verhalten“ der AfD und will künftig mehr „inhaltlich als ideologisch“ arbeiten: Thorsten Pfeil, Vorsitzender des Kulturausschusses und bis vor Kurzem wirtschafts- sowie sozialpolitischer Sprecher der rechten Fraktion, hat sich von ihr und der Partei „komplett verabschiedet“, wie er es formuliert. Nachbesetzen kann die AfD den verloren gegangenen Posten nicht: Der 49-jährige Bundesbeamte, der an der Grenze zwischen Buer und Beckhausen wohnt, behält sein Ratsmandat.

Der Ärger bei der AfD ist erwartungsgemäß groß. Pfeils ehemalige Partei wird mit dem Austritt empfindlich getroffen. Dieser hatte den einzigen AfD-Ausschussvorsitz inne. Zudem teilt sich die bislang elfköpfige AfD-Fraktion nun nicht länger die Rolle als größte Oppositionspartei mit der ebenfalls elfköpfigen Grünen-Fraktion. Die Wirkung ist allerdings eher symbolisch; für die Mehrheitsverhältnisse im Rat spielt das Schrumpfen der AfD auf zehn Mandatsträger keine Rolle.

„Die AfD-Fraktion zeigt sich sehr enttäuscht und verärgert über diesen Schritt von Thorsten Pfeil“, teilte diese am Freitag per Pressemitteilung mit. Darin fordert Fraktionschef Jan Preuß seinen ehemaligen Kollegen dazu auf, „seine über die AfD-Liste mit viel Vertrauensvorschuss erhaltenen Mandate an die Partei zurückzugeben.“ Pfeil dagegen möchte seine Ausschusssitze (u.a. Integrationsrat, Ausschüsse für Wirtschaft und für Soziales, Bezirksvertretung West) und auch den Vorsitz des Kulturausschusses behalten.

Thorsten Pfeil wollte Gelsenkirchener AfD-Fraktion „in gemäßigtere Richtung steuern“

„Die Zusammenarbeit in der Fraktion und Partei hat mich zu dieser Entscheidung getrieben“, begründet Pfeil seinen Schritt im Gespräch mit der WAZ. Er habe versucht, die Arbeit der AfD „in eine gemäßigtere Richtung zu steuern“, gefruchtet habe dies jedoch nicht. Gestört habe ihn, dass es im Rat der Stadt teils „wie im Kindergarten“ zugehe, unter anderem angetrieben durch die Strategie seiner ehemaligen Fraktion. Ihr Verhalten hätte oft etwas „von einem fünfjährigen, bockigen Kind“ gehabt.

Nicht einverstanden gewesen sei er etwa mit der Entscheidung der AfD, die konsequente Ablehnung der anderen Fraktionen damit zu kontern, teils fadenscheinig begründete Ablehnungsanträge für zahlreiche Tagesordnungspunkte zu stellen. Die AfD hatte mit dieser Retourkutsche im März 2022 für eine denkwürdige Ratssitzung gesorgt.

Hinzukomme die Radikalisierung der AfD insbesondere im Osten von Deutschland. „Hinter vielen Sachen, hinter diesem ganzen Völkischen, da stehe ich nicht hinter“, sagt Pfeil und betont: „Ich bin Bundesbeamter, ich habe dem Staat gegenüber Verpflichtungen.“ Da müsse er sich von zu extremen Tendenzen abgrenzen. „Ich stand von Anfang an dafür, das Konservative gegenüber dem linkspolitischen Übergewicht wieder mehr zu etablieren“, erklärt er seine Intention, bei der AfD mitgemacht zu haben.

Zusammenarbeit mit anderen Fraktionen? „Man wird sehen, ob die Kontaktschuld zur AfD weiter besteht“

„Aber da ist man leider auf einem verlorenen Posten, weil man als AfD-Mitglied schnell in eine bestimmte Ecke gedrängt wird“, bedauert er und kritisiert dafür auch die anderen Fraktionen, die ebenfalls oft ein „Theater“ aufführten. „Früher hatte man völlig konträre Meinungen und hat trotzdem noch darüber gesprochen. Heute findet eine Diskussion nicht mehr statt.“ Andere Fraktionen wie die SPD oder die Grünen begründen dieses Verhalten oft mit dem Argument, den „Rechtsextremismus“ innerhalb er AfD nicht normalisieren zu wollen.

In seiner Rolle als sitzungsleitender Kulturausschussvorsitzender habe er erlebt, dass es auch anders geht. „Die Arbeit hier war bislang sehr harmonisch, ich hatte da anfangs mit mehr Kritik und Gegenwehr gerechnet, habe aber auch von Anfang an klargestellt, dass ich als Vorsitzender hier Neutralität wahren werde“, reflektiert er die vergangenen zweieinhalb Jahre in seiner Funktion.

Pfeil, der mit Wortbeiträgen im Rat bislang nicht groß aufgefallen war und selten Anträge der AfD begründen durfte, will als Einzelkämpfer zudem nun mehr inhaltlich auffallen, etwa mit Anregungen zur Entwicklung der Bahnhofstraße, wie er erläutert. Ob die anderen Fraktionen da seine AfD-Vergangenheit vergessen können? „Man wird sehen, ob die Kontaktschuld weiter besteht.“

Das sagt die AfD Gelsenkirchen über Thorsten Pfeils Austritt

Gegenüber seiner ehemaligen Fraktion ist Pfeil bislang offenbar noch nicht entsprechend deutlich gewesen. „Wir können über die Motive von Herrn Pfeil nur spekulieren - die ,feine Art’ war das jedenfalls mit Sicherheit nicht“, ärgert sich Fraktionschef Preuß. Für die Fraktion, die am Montag, 22. Mai, von Pfeils Entscheidung informiert worden sei, sei diese völlig überraschend gekommen, heißt es in der Pressemitteilung.

Interne Zwiste habe es nicht gegeben. Thorsten Pfeil sei in den vergangenen Monaten jedoch durch häufige Abwesenheit aufgefallen. An der Fraktionsarbeit habe er sich nur sehr wenig beteiligt. Auch für den Ausschussvorsitz habe er in einem großen Teil der Fälle vertreten werden müssen. Auf Nachfrage erklärt Pfeil, dass er an den AfD-Fraktionssitzungen teilweise digital, jedoch regelmäßig teilgenommen habe. Im Kulturausschuss habe er in der Tat einige Male vertreten werden müssen, da er seit dem vergangenen Sommer häufig in Norddeutschland aktiv sei. „Das wird sich aber ab Juni 2023 ändern“, sichert er zu. „Dann werde ich wieder regelmäßig in Gelsenkirchen sein.“