Gelsenkirchen. Einbrüche bei Sportvereinen, der Ukraine-Hilfe oder dem Consol-Theater: Wie Ehrenamtliche in Gelsenkirchen mit der Verwüstung umgehen.

Ohne sie wäre das gesellschaftliche Leben farblos und trist. Sie dienen dem Gemeinwohl und fördern den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Sie engagieren sich freiwillig und unentgeltlich für das Wohl anderer Menschen, für ihren Stadtteil, ihren Verein, für soziale, kulturelle oder sportliche Belange. Sie fördern Solidarität und Gemeinschaftsgefühl. Ohne Ehrenamtliche wäre vieles auch in Gelsenkirchen nicht möglich.

Und gleichzeitig gibt es Menschen in dieser Stadt, die sich nicht im Geringsten darum scheren, die den Ehrenamtlichen in Gelsenkirchen das Leben sogar noch erheblich erschweren. Die Rede ist von jenen Vandalen, die bei ihren Einbrüchen in Vereinsheime, Spendenlager oder Theater eine Schneise der Verwüstung hinterlassen, wo es ohnehin nichts Wertvolles zu stehlen gibt, aber viel kaputtzumachen – allen voran das Engagement anderer und ihren Glauben an eine funktionierende Stadtgesellschaft mit ihren Institutionen.

Einbruch ins Vereinsheim im Ückendorfer Südstadion

Unbekannte Einbrecher haben im Südstadion in Gelsenkirchen Türen und Schränke aufgebrochen und eine Schneise der Verwüstung hinterlassen.
Unbekannte Einbrecher haben im Südstadion in Gelsenkirchen Türen und Schränke aufgebrochen und eine Schneise der Verwüstung hinterlassen. © SG Eintracht

Wie berichtet, sind kürzlich Unbekannte abermals ins Vereinsheim im Südstadion eingebrochen, haben Geräteschränke demoliert, Türen aufgebrochen und am Ende noch nicht einmal eine Cola aus dem Kühlschrank gestohlen. Michael Buch ist Vorsitzender der dort beheimateten SG Eintracht Gelsenkirchen. Der Ückendorfer kann sich an ein Dutzend Einbrüche auf der Sportanlage erinnern, die jedes Mal zur Folge hatten, dass Schränke erneuert und Türen ausgetauscht werden mussten, dass aufgeräumt und repariert werden musste. „Ich weiß gar nicht mehr, ob die Schlüssel, die ich gerade dabei habe, noch passen oder ob wir schon wieder Schlösser austauschen mussten, weil sich jemand am Schloss zu schaffen gemacht hat“, erzählt Buch bei einer Ortsbegehung im Südstadion, das angesichts des Wildwuchses auf den seit Jahren abgesperrten, aber immer noch nicht von der Stadt reparierten Tribünen auch getrost den Namen Waldstadion tragen könnte.

Buch und seine Mitstreiter sind frustriert. Rund 400 Mitglieder hat allein die SG Eintracht, dazu kommen noch die Sportlerinnen und Sportler des Etus Gelsenkirchen. „Wir sind eine funktionierende Gemeinschaft, mit Mannschaften von den Kleinsten bis zu den Ältesten, mit Konzerten und Osterfeuern“, zählt der Vereinsvorsitzende auf und macht deutlich, wie wichtig Vereine wie dieser für das Zusammenleben in Vierteln wie Ückendorf sind. Die vielen Einbrüche und der Vandalismus, der damit einhergeht, zerren aber an ihren Nerven, kosten den Verein nicht nur immer wieder Geld für die Instandsetzung, sondern vor allem Kraft, die dann an anderer Stelle fehle.

Frust über Einbrüche und mangelnden Schutz

Michael Buch berichtet, dass in den vergangenen Wochen auch bei den Sportfreunden Bulmke eingebrochen worden sei und beim Etus in Bismarck. Das Ergebnis ist meist dasselbe: Zerstörung, aufräumen, reparieren, Frust. Frust wegen der Einbrüche als solcher und über die Stadtverwaltung sowie die Polizei, die ihrerseits nicht genug täten, „um die Vereine vor Einbrüchen und Vandalismus, so gut es eben geht, zu schützen“, so Buch. Der Ückendorfer steht vor den aufgebrochenen Spinden im Trainer-Zimmer, schüttelt ungläubig den Kopf und sagt dann: „Wir werden weitermachen, aber irgendwann fragt man sich natürlich schon, wofür das alles.“

Einbruch und Zerstörung im Ukraine-Spendenlager

Verwüstung im neuen Spendenlager der „Task Force Flüchtlingshilfe“ in Gelsenkirchen: Alle Säcke mit den gespendeten Kleidern wurden aufgerissen, die Spenden wurden überall verteilt.
Verwüstung im neuen Spendenlager der „Task Force Flüchtlingshilfe“ in Gelsenkirchen: Alle Säcke mit den gespendeten Kleidern wurden aufgerissen, die Spenden wurden überall verteilt. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Diese Momente des Zweifelns sind bei Mandy Hansen überraschenderweise nicht zu vernehmen. Mehrere Male wurde im April in das neue Spendenlager ihres Vereins, der „Task Force Flüchtlingshilfe“, eingebrochen. Die Eindringlinge verwüsteten alles, entleerten Feuerlöscher, zerschlugen Scheiben, beschmierten die Wände mit Pflegecreme und rissen die Säcke mit der gespendeten Kleidung für die Ukraine auf. „Man packt gemeinsam an, räumt alles auf – und jetzt ist das Thema für mich durch“, sagt sie. Ihr Vater Jürgen, der kürzlich verstorbene Vorsitzende des Vereins, „hätte das schließlich auch nicht anders gemacht“, sagt sie.

Klar, da sei das Unverständnis darüber, warum manche Menschen so etwas überhaupt tun. „Aber Idioten gibt es ja immer wieder“, sagt Mandy Hansen. Den Glauben an die Menschheit verliere sie durch die Attacken auf ihr Lager nicht. „Dafür gibt es ja auch viel zu viele positive Erfahrungen, die man macht.“ Wenn samstags Menschen mit Spenden kommen und dem Verein überschwänglich für seine Arbeit danken, „das sind Momente, in denen man denkt, man macht alles richtig.“ Und im Gegensatz zu den Sportvereinen am Südstadion hat die Ukraine-Helferin auch wenig Negatives über die Stadt zu sagen. „Sie haben uns hier für die Aufräumarbeiten einen Container hingestellt.“ Auch die Fenster, über welche die – nach Polizeiangaben weiterhin unbekannten – Vandalen hineinkamen, seien verbarrikadiert worden. Bis jetzt mit Erfolg. „Zum Glück!“

Nach Einbruch ins Consol-Theater: Höhere Sicherheitsvorkehrungen mit viel Bedenken

Das Gelsenkirchener Consol-Theater in Bismarck: Einbrecher haben im Gebäude große Schäden angerichtet, unter anderem Räume unter Wasser gesetzt. Jetzt wird trotz erheblicher Bedenken darüber nachgedacht, die Sicherheitsmaßnahmen deutlich zu erhöhen.
Das Gelsenkirchener Consol-Theater in Bismarck: Einbrecher haben im Gebäude große Schäden angerichtet, unter anderem Räume unter Wasser gesetzt. Jetzt wird trotz erheblicher Bedenken darüber nachgedacht, die Sicherheitsmaßnahmen deutlich zu erhöhen. © FUNKE Foto Services | Ant Palmer

Verbarrikadieren – das ist ein Stichwort, das bei Georg Kentrup, Regisseurin Andrea Kramer und ihrem Team vom Consol-Theater in Bismarck eine emotionale Achterbahnfahrt auslöst. Vor ein paar Tagen haben sich die Kulturschaffenden von Experten der hiesigen Polizei beraten lassen, um die Einrichtung künftig stärker und besser zu schützen. Nach einem Einbruch hatten unbekannte Täter jüngst auch hier eine Spur der Verwüstung hinterlassen.

Doch mit der einen oder anderen Empfehlung fremdelt die Consol-Mannschaft noch. Gitter an den Treppen zu den Nebeneingängen oder gar an den mannshohen Fenstern bis hin zu Schranken für Parkplätze, einer Kameraüberwachung im und am Gebäude sind nicht das, was sich das Kentrup und Co. unter einer Kulturstätte vorstellen. „Wir wollen ein offenes Haus für alle sein, eines, das die Menschen verbindet“, lautet ihr Ansatz.

„Der Frust und der Schock sitzen noch immer tief“

Glück im Unglück hatten die Theaterleute, denn die Randalierer haben die größten Schäden im nichtöffentlich zugänglichen Teil des Gebäudes angerichtet – unter anderem hatten sie in Toiletten-Räumen die Kräne aufgedreht, das Wasser hat sich dann über Decken und Wände einen Weg in die unteren Lagerräume gesucht.

„Der Frust und der Schock sitzen noch immer tief“, sagt Kentrup, Sprecher der Bühne, über so viel Zerstörungswut. Mittlerweile hat das Consol-Team nach eigenen Angaben „die nassen Räume trockengelegt und die beschädigten Türen notdürftig repariert“. Doch die Schadensregulierung mit der Versicherung ziehe sich noch hin, Kostenvoranschläge seien weitergeleitet worden – das Warten auf Sachverständige und Handwerksfirmen habe begonnen.

Bei der jüngsten Sondersitzung des Bismarcker Präventionsrates deutete sich zumindest ein Umdenken in Sicherheitsfragen an. Denn Consol ist den Schilderungen von Anwohnern und anderen ehrenamtlichen Mitarbeitern auf dem Gelände nach ein Problempunkt. Drogendealer, Übergriffe und Müll lassen den Erholungswert des Parks massiv schwinden. Der Ruf nach einem restriktiveren Vorgehen von Polizei und Kommunalem Ordnungsdienst wurde lauter. „Wenn es nicht anders geht, dann eben so“, sagte Kentrup. „Dann müssen wir unsere Sicherheitsvorkehrungen deutlich erhöhen.“