Gelsenkirchen. Eingetretene Türen, beschmierte Wände: Einbrecher haben das neue Lager der Ukraine-Hilfe verwüstet. Sie sind dabei besonders zynisch vorgegangen.
- Die neue Sammelstelle der „Task Force Flüchtlingshilfe“ in Gelsenkirchen-Bulmke wurde völlig verwüstet.
- Für den Verein ist es ein weiterer harter Schicksalsschlag: Im Februar erst starb ihr Vorsitzender, Gelsenkirchens bekanntester Ukraine-Helfer Jürgen Hansen.
- Bei der Polizei ist aktuell nur ein Fall von Hausfriedensbruch bekannt. Allerdings wurden bereits drei Tatverdächtige gefasst.
Die vergangenen Wochen waren für Mandy Hansen hart. Ihr Vater, Gelsenkirchens unermüdlicher Ukraine-Helfer und ohnehin bereits schwer kranker SPD-Ratsherr Jürgen Hansen, verstarb im Februar in einem ukrainischen Krankenhaus an einer schweren Malaria-Infektion, die er sich bei einem Besuch in Uganda einfing. Die Unterstützung für die zentralukrainischen Städte Switlowodsk und Krementschuk, die zuletzt die Lebensaufgabe ihres Vaters war, wollte Mandy Hansen unbedingt weiter führen. „Das versprach ich ihm am Sterbebett“, sagt sie – mit einem völlig erschütterten Gesicht, umgeben von zerrissenen Kleidersäcken, Scherben, beschmierten Wänden. Ein weiterer Schicksalsschlag.
Vandalen haben das neue Spendenlager der „Task Force Flüchtlingshilfe“, vermutlich am vergangenen Mittwochabend, völlig verwüstet. Die Fenster haben sie eingeschlagen, die Türen eingetreten und dann ihrer Zerstörungswut in der ungenutzten Tennishalle hier an der Plutostraße 91 freien Lauf gelassen. Überall liegen Scherben. Unzählige, wohlsortierte Kleidersäcke wurden aufgerissen. Jemand hat Kisten mit Arzneien durchwühlt, Pflegecreme an die Wand und gespendete Gegenstände wie Heizgeräte geschmiert. Der Boden im Flur und den Toiletten wurde flächendeckend mit Pulver aus einem Feuerlöscher versaut. Es muss einer der Einbrecher gewesen sein, der einen grinsenden Smiley in die Pulverdecke gemalt hat. Zynisch.
Verwüstung bei der „Task Force Flüchtlingshilfe“: „Das wirft uns total zurück“
Mandy Hansen ist verzweifelt, fassungslos. „Das ist unglaublich, was hier passiert ist. Und das wirft uns natürlich total zurück“, sagt sie. Ob die Spenden nur durchwühlt wurden oder auch viel mitgenommen wurde, kann sie noch nicht sagen. Nur dass die Kaffeemaschine weg ist, das sei schon aufgefallen. „Wir werden jetzt erst mal alles neu sortieren, uns einen Überblick verschaffen müssen.“
Erst vor kurzem ist Mandy Hansen mit dem „Task Force Flüchtlingshilfe e.V.“, dessen Vorsitz sie nach dem Tod ihres Vaters nun übernommen hat, mit den Spenden von der Georgskirche hier in die Halle gezogen. Das Gotteshaus in Schalke wird nun von der Katholischen Jugendsozialarbeit als Werkstatt für den Bau von Tiny Houses genutzt, Kleinsthäuser für Menschen ohne feste Bleibe. Als alternatives Lager habe die Stadt dann „dankenswerterweise“ die Halle hier an der Plutostraße vermittelt, erzählt Mandy Hansen. „Eigentlich ein perfekter Ort, hier ist es übersichtlich, hier kann ein Lkw super einladen.“
Das sagt die Polizei Gelsenkirchen zu dem Vandalismus bei der Flüchtlingshilfe
Doch nun der schauderhafte Vorfall, der bei der Polizei aktuell offenbar lediglich als Hausfriedensbruch läuft. Auf WAZ-Nachfrage bestätigt ein Sprecher, dass für Mittwoch, 19. April, eine entsprechende Anzeige vorliegt, erwischt worden seien drei junge Männer: zwei 19-Jährige und ein 17-Jähriger, darunter ein gebürtiger Pole sowie zwei gebürtige Deutsche mit türkischem bzw. kosovarischem Migrationshintergrund. Ein Zeuge habe die Polizei gerufen, als er beobachtet habe, wie sich die Personen Zutritt zum Gebäude verschafft hätten. „Ob die Tatverdächtigen auch für die Beschädigungen infrage kommen, ist Gegenstand der Ermittlungen“, heißt es seitens der Polizei. Aktuell eben sei lediglich von Hausfriedensbruch die Rede.
Zuvor habe es bereits Anzeigen wegen Diebstahls (August 2022) und Einbruchs (4. April 2023) an der Plutostraße 91 gegeben. Die Halle wurde also nicht zum ersten Mal heimgesucht – aber nun zum ersten Mal mit einem solchen Zerstörungswahn.
Mandy Hansen hofft, dass die Ermittlungen gegen die tatverdächtigen Jugendlichen dafür sorgen, dass sich so ein Vorfall hier nicht noch mal wiederholt. Und dass die zerstörten Fenster zwischen Sporthalle und Vereinsheim zeitnah verbarrikadiert werden können, dass auch eine Alarmanlage eingerichtet werden kann. Bis dahin heißt es für die Ehrenamtlichen: Aufräumen. Und einfach weitermachen, mit Vollgas. „Das ist für mich ja kein Neuland“, sagt die neue Vereinschefin. „Klar, der Vater war die Galionsfigur. Aber unser Verein war nicht nur Jürgen Hansen, wir waren immer im Hintergrund.“
Spenden an der neuen Gelsenkirchener Sammelstelle ab dem 6. Mai möglich
Hauptkontaktperson in Switlowodsk, dort wo Jürgen Hansen seinen zweiten Wohnsitz hatte, ist für seine Tochter nun eine Dolmetscherin, die ihren Vater auf vielen seiner gefährlichen Reisen im Kriegsgebiet begleitet hat. „Dass sie auch Deutsch sprechen kann, ist sehr hilfreich.“ So sollen die Spenden – sobald genug für einen großen Lkw zusammengekommen ist – wie gewohnt in die Ukraine gebracht und vor Ort bedarfsgerecht verteilt werden.
Spenden können an der Plutostraße 91 in Bulmke immer samstags zwischen 9 und 15 Uhr abgegeben werden. Offizieller Start für die neue Sammelstelle ist der 6. Mai. Eine große ukrainische Flagge hängt am Zaun neben dem großen Parkplatz vor der Halle. „Es ist hier aber trotzdem noch ein bisschen schwierig zu finden, wir wollen noch Schilder machen“, sagt Mandy Hansen. Wer Fragen hat, Spenden (Arzneien, Kleidung, Konserven, Drogerieartikel usw ...) abgeben möchte, aber samstags schlecht kann, oder wer beim Aufräumen in der verwüsteten Halle helfen möchte, kann sich melden unter 0170 3590772.