Gelsenkirchen. Neue Gas- und Ölheizungen sollen verboten werden. Ist Fernwärme eine Alternative? Diese Optionen gibt es in Gelsenkirchen. Und so teuer wird’s.

Während angesichts des geplanten und umstrittenen Heizungsgesetzes der Ampel vor allem Wärmepumpen als Heizsysteme der Zukunft im Mittelpunkt stehen, wirft man den Blick in Gelsenkirchen vielmehr auf eine andere Option: die Fernwärme, bei der etwa Abwärme aus Industrie oder Abfallverbrennung genutzt wird. „Dafür gibt es bei uns durchaus ein großes Potenzial“, sagt Kai Thiemann, Klimaschutzmanager der Stadt. Ohnehin habe Gelsenkirchen im Vergleich mit anderen Kommunen bereits einen hohen Anteil an Fernwärmeversorgung. „Er könnte aber noch höher sein. Und der Ausbau bietet sich hier aufgrund der dichten Bewohnung absolut an“, so Thiemann.

Fernwärme in Gelsenkirchen: Uniper im Norden, Iqony im Süden

Während die Fernwärmeversorgung im Norden mittlerweile von der Eon Fernwärme GmbH an die Uniper Wärme übergegangen ist, wird das Netz im Süden von Iqony betrieben. Unter diesem Namen läuft jetzt der „grüne“ Geschäftsbereich der Steag. Der Essener Traditionskonzern vollzog Anfang des Jahres eine entsprechende Aufspaltung. Neben Solar-, Wind-, oder Wasserstoff-Projekten läuft unter dem Dach der Iqony auch das Fernwärme-Geschäft.

Nach 2026 dürfte auch im Norden eine weitere Veränderung anstehen: Uniper muss bis dahin eine Reihe von Geschäftsbereichen verkauft haben, darunter auch die Uniper Wärme als Fernwärmeversorger. Dahinter steckt eine Auflage der EU-Kommission, die der angeschlagene Energiekonzern als Voraussetzung für die Milliardenhilfen vom Bund erfüllen muss. Im Gelsenkirchener Norden steht damit in den nächsten Jahren ein weiterer Netzbetreiberwechsel an.

Fernwärme in Gelsenkirchen: Hier kommt die Energie her

Die Erzeugung der Fernwärme erfolgt im Norden überwiegend durch Auskopplung aus dem Kraftwerk Scholven, im südlichen Netz kommt die Energie aus den Müllheizkraftwerken RZR Herten und Essen-Karnap sowie aus dem Gas- und Dampfturbinenkraftwerk Herne der Iqony. Bis vor etwa einem halben Jahr erfolgte die Versorgung noch über das steinkohlebefeuerte Steag-Heizkraftwerk Herne 4, durch den Umstieg konnte das CO2-Potenzial der Fernwärme massiv reduziert werden. Das Steinkohlekraftwerk dient Iqony zufolge noch als Rückfallanlage, etwa für den Notfall einer Gasmangellage.

Wie Klimaschutzmanager Kai Thiemann betont, hängt der weitere Ausbau davon ab, wie wirtschaftlich er für die beiden Netzbetreiber ist. Die Stadt trage ihren Teil bei, indem sie „Potenziale für Fernwärme analysiert und aufzeigt, wo sich ein Leitungsausbau lohnen könnte“ – beispielsweise, indem Befragungen zum möglichen Fernwärme-Bedarf in Bezirken gemacht werden. Für den wirtschaftlichen Betrieb eines Netzes ist eine Mindestabnahme erforderlich. Das Interesse der Haushalte muss also entsprechend da sein.

So soll das Fernwärme-Netz in Gelsenkirchen ausgebaut werden

Analysiert werden sollen die Potenziale mit der sogenannten kommunalen Wärmeplanung, an der die Verwaltung aktuell arbeitet. Mit ihr will die Stadt aufzeigen, wie die Stadt das Ziel erreichen kann, bis 2045 eine klimaneutrale Wärmeversorgung hinzubekommen. „Dafür arbeiten wir mit den Netzversorgern intensiv zusammen“, sagt Kai Thiemann.

Die letzte Analyse der Fernwärmepotenziale in Gelsenkirchen liegt mittlerweile acht Jahre zurück und ist im sogenannten „Integrierten Wärmenutzungskonzept“ aus dem Jahr 2015 zu finden. „Die effizienteste Möglichkeit des Fernwärmeausbaus ist die Verdichtung in bereits erschlossenen Gebieten“, heißt es darin.

Im Norden hat man deswegen auch genau das getan. Mittels Verdichtung sei das Fernwärmenetz seit 2015 um zirka sechs Kilometer erweitert worden, teilte Uniper-Sprecherin Ilona Flechtner mit. Neugebiete seien nicht erschlossen worden. Fernwärme fließt vor allem durch Scholven-Süd, Hassel, Buer und kleine Teile von Beckhausen. Scholven-Nord sowie Horst, Erle und Resse sind blinde Flecken im Netz.

Ein Teil der Fernwärme im Gelsenkirchener Süden kommt aus dem Müllheizkraftwerk Essen-Karnap.
Ein Teil der Fernwärme im Gelsenkirchener Süden kommt aus dem Müllheizkraftwerk Essen-Karnap. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Südlich des Kanals sind nach Angaben von Iqony in den vergangenen acht Jahren rund 15 Kilometer Netzleitung hinzugekommen. Neben der „kontinuierlichen Verdichtung des bestehenden Netzgebietes“ habe man seit 2015 jedoch auch weitere Stadtteile in Gelsenkirchen versorgt, heißt es bei Iqony. Neu erschlossen worden seien seitdem die Stadtteile Feldmark, Bulmke sowie das ehemalige Thyssensche „Schalker Verein“-Gelände.

Schon länger liegen südliche Fernwärmeleitungen auf zentralen Straßen in Ückendorf, Neustadt, Bulmke und Bismarck. Besonders dicht ist das Netz in der Altstadt und Schalke (eine genaue Übersicht liefert eine Online-Karte auf fernwaerme.iqony.energy). Hinzukommen soll möglicherweise bald auch Rotthausen. „Wir prüfen derzeit, unter welchen Voraussetzungen eine Erschließung dort möglich wäre und erwarten im Laufe dieses Jahres Ergebnisse hierzu“, teilte Iqony-Sprecher Daniel Mühlenfeld mit. Lesen Sie hierzu: Warum GE-Rotthausen ein Vorbild für Deutschland ist

Fernwärmeanschluss in Gelsenkirchen: Das sind die Kosten

Nur was kostet es eigentlich, wenn man im Fernwärme-Gebiet lebt und entsprechend umstellen könnte, um die strengen geplanten Vorgaben für umweltfreundliches Heizen des Bundes zu erfüllen? Der Verbraucherzentrale zufolge fallen bei einem kleineren Gebäude, etwa einem Reihenhaus, einmalige Umstellungskosten in Höhe von etwa 8000 bis 15.000 Euro an – für die Entsorgung der Altanlage, den Anschluss ans Fernwärmenetz und die Installation der notwendigen Fernwärmeübergabestation.

Allerdings kann es beim Preis auch deutliche Ausreißer nach oben oder unten geben: Wie man bei Iqony und Uniper gleichsam betont, ließen sich Kosten schlecht pauschalisieren, je nach Abstand des Haushalts zur bestehenden Fernwärmeleitung würden sie stark variieren. Neue Fördermöglichkeiten vom Bund gibt es seit 2023, möglich ist ein Zuschuss von 30 Prozent, unter bestimmten Voraussetzungen sogar 40 Prozent. Auch KfW- und Landesprogramme gibt es.

Ist der Anschluss vollbracht, dann bezahlt der Verbraucher einen Grundpreis und einen Arbeitspreis. Der Vorteil: Schwankungen beim Preis sind gering (allerdings sind die Kosten aufgrund der Situation am Energiemarkt zuletzt auch deutlich gestiegen). Der Nachteil: Man ist abhängig von den Tarifen des Netzbetreibers, (möglicherweise günstigere) Mitbewerber werden nicht zugelassen.

Bei Uniper, dem Versorger für Gelsenkirchens Norden, liegt der Arbeitspreis seit dem 1. April 2023 zwischen 17,69 und 18,75 Ct/kWh (je nach Objektklasse). Bei einem Verbrauch von 15.000 Kilowattstunden zahlen Kunden also zwischen 2653 und 2813 Euro im Jahr. Hinzu kommt der Grundpreis, der je nach Tarif oder Immobilie zwischen 3,42 und 5,83 Ct/kWh liegt. Es kommen dann also noch mal 513 bzw. 875 Euro im Jahr hinzu. Seit März 2023 greift allerdings rück­wir­kend zum 1. Ja­nu­ar 2023 ei­ne Preis­brem­se. Der Preis für Fern­wär­me wird bei 9,5 Ct/kWh für 80 Pro­zent des Vor­jah­res­ver­brauchs ge­de­ckelt. Was für den Verbraucher dabei unterm Strich herumkommt, muss individuell berechnet werden.