Gelsenkirchen. „Innovation City“ kam vor drei Jahren nach Gelsenkirchens Süden. Wie man es hier schafft, Eigentümer zur energetischen Sanierung zu motivieren.

Wie nur soll man das als Eigentümer jetzt hinbekommen mit der Energiewende? Spätestens seit dem (mittlerweile abgeschwächten) Gesetzesentwurf zum Ende von Öl- und Gasheizungen aus dem Hause von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) stehen Hausbesitzer unter Strom – und fragen sich, welche Sanierungsmaßnahme sie zuerst durchführen sollen, welche überhaupt machbar und bezahlbar für sie ist. Wäre es da nicht hilfreich, sich einfach mal in der Nachbarschaft professionell, aber unverbindlich beraten zu lassen? Die Menschen in Rotthausen haben dieses Privileg.

2020 wurde hier, in einem Stadtteil mit besonderem Sanierungspotenzial, das Modell aus der bundesweit bekannten und beachteten Bottroper „Innovation City“ „ausgerollt“. Und jetzt, nachdem die Politik zugestimmt hat, soll das dortige Sanierungsmanagement noch mindestens zwei weitere Jahre fortgesetzt werden. Bis 2025 also können alle Gelsenkirchener Haushalte und Gewerbetreibende mit der PLZ 45884 im Stadtteilbüro an der Steeler Straße 71 erfahren, „welche Sanierungsmaßnahme sich für sie am meisten lohnt und rentiert“, sagt Hannah Lenkeit, Sprecherin der Innovation City Management GmbH.

„Innovation City“: So funktioniert das Bottroper Erfolgsmodell in Gelsenkirchen

Diesen „Quartiersansatz“, also die direkte Beratung in einem Ladenlokal in der Nachbarschaft, hält Lenkeit für eines der Erfolgsrezepte des Bottroper Modells. In der Geburtsstadt der „Innovation City“ habe es alleine sieben Quartierbüros gebeben, wo Energieberater angetroffen werden konnten. Nicht zuletzt deswegen habe man es geschafft, in Bottrop so viele Eigentümer zur energetischen Sanierung zu bewegen, dass der CO2-Ausstoß von 2009 bis 2020 um rund 50 Prozent gesenkt werden konnte – während es bundesweit im selben Zeitraum nur etwa 19 Prozent waren.

Energetische Sanierung in Gelsenkirchen: Koordinator Hendrik Weyers (links) und Innovation-City-Sprecherin Hannah Lenkeit vor dem Stadtteilbüro in Rotthausen, wo sich Menschen aus dem Stadtteil unkompliziert beraten lassen können.
Energetische Sanierung in Gelsenkirchen: Koordinator Hendrik Weyers (links) und Innovation-City-Sprecherin Hannah Lenkeit vor dem Stadtteilbüro in Rotthausen, wo sich Menschen aus dem Stadtteil unkompliziert beraten lassen können. © WAZ | Gordon Wüllner-Adomako

Durchaus sehen lassen können sich auch die Zahlen aus Rotthausen – und das, obwohl die Corona-Pandemie die Vor-Ort-Beratung lange Zeit ausgebremst hatte. „Wir sind ursprünglich davon ausgegangen, dass sich durch unsere Arbeit hier vor Ort ein CO2-Einsparpotenzial von fünf Prozent ergibt“, sagt Hendrik Weyers, der Koordinator des Sanierungsmanagements. „Nach unseren Evaluationen hat sich aber ein Einsparpotenzial von 37 Prozent ergeben“, sagt er. Das Team sei darauf erpicht, nachzuverfolgen, welche Sanierungsprojekte nach den Beratungen auch tatsächlich umgesetzt werden. So habe man erfahren, „dass mit 200 Energieberatungen 109 Tonnen CO2-Äquivalente eingespart werden konnten.“

Ist das, was zuerst in Bottrop geschah, und jetzt seit drei Jahren in Gelsenkirchen-Rotthausen passiert, also gewissermaßen ein Modell für den Bund? „Es wäre jedenfalls umsetzbar für ganz Deutschland“, sagt Hannah Lenkeit. Und angesichts der Klimaneutralität, die bis 2045 in Deutschland erreicht werden soll, hält sie es auch für notwendig.

Warum Gelsenkirchen-Rotthausen das „perfekte Beispiel“ für den „Innovation-City-Rollout“ ist

„Ausgerollt“ wurde „Innovation City“ allerdings bislang „nur“ in 20 Städten. Rotthausen beschreibt Hannah Lenkeit dabei als „das perfekte Beispiel für den Rollout“. Denn: Ein Stadtteilbüro wie hier gebe es nicht in jeder Stadt. Und: Durch das eigene, stark nachgefragte Klimaförderungsprogramm der Stadt Gelsenkirchen, über das etwa Photovoltaikanlagen oder Fassaden- und Dachbegrünung bezuschusst werden, schaffe man weitere Anreize für die rund 2000 Eigentümer im Stadtteil.

Neben der Beratung im Stadtteilbüro an der Steeler Straße führen die Energieberater auch Themenabende durch und machen Hausbesuche, bei denen sie Immobilien von oben bis unten scannen, um alle Einsparpotenziale aufzuzeigen. „Wir gucken dabei auf das Portemonnaie der Menschen“, sagt Hannah Lenkeit. Gerade in einem wenig wohlhabenden Stadtteil wie Rotthausen muss es also nicht immer das Vollpaket mit Wärmepumpe, Dämmung und Photovoltaik auf dem Dach sein. Kleine Dämmmaßnahmen am Fenster, intelligente Heizungsventile, ein hydraulischer Abgleich: „Auch über kleine Maßnahmen kann man schon viel machen“, ergänzt Hendrik Weyers.

Bedarf nach Fernwärme „sehr große“

Eine ökologischere Heizalternative kann auch die Nutzung von Fernwärme bieten. Ein aktueller Arbeitsschwerpunkt im Stadtteilbüro ist deshalb die Verlegung von Fernwärmeleitungen der STEAG in Rotthausen. Aktuell sei der Stadtteil nicht entsprechend erschlossen, sagt Sanierungsmanager Hendrik Weyers. Eine Befragung der Eigentümer im Stadtteil habe jedoch ergeben, dass der „Bedarf sehr groß ist“.

Deshalb sei man im „intensiven Kontakt“ mit der STEAG, um künftig eine größere Leitung über die Steeler Straße ermöglichen zu können. „Darüber könnte man dann die Stichstraßen erschließen und viele Haushalte mit Fernwärme versorgen“, so Weyers.

Allerdings: Die Energieberatung ist nicht schon die, die etwa benötigt wird, um im Genuss der vollständigen staatlichen Förderung etwa für eine Wärmepumpe zu kommen. „Dafür benötigt man einen BAFA-zertifizierten Energieberater, der einen Sanierungsfahrplan aufstellt“, sagt Weyers. „Wir geben hier den ersten guten Überblick.“

Apropos, Förderung: Ein wichtiger Teil der Beratung besteht laut Weyers darin, den Ratsuchenden erst einmal einen Überblick über die „komplizierte und sich ständig im Wandel befindliche“ Förderlandschaft zu geben. Und auch das Sanierungsmanagement selbst lebt von der Förderung: Über das sogenannte „KfW-Bundesprogramm 432 – Energetische Stadtsanierung“ bekommt die Stadt Gelsenkirchen 75 Prozent (max. 70.000 Euro) der Kosten, die für das Personal hier im Stadtteilbüro anfällt, erstattet. Diese Förderung soll nun auch noch die nächsten zwei Jahre fließen.

Angesichts der Ampel-Pläne werden die Energieberater in diesen zwei Jahren sicher genug zu tun haben. „Denn dass wir energetisch umsteigen müssen“, sagt Hannah Lenkeit, „das ist schließlich mittlerweile allen bewusst.“

Das Sanierungsbüro Gelsenkirchen-Rotthausen hat zu folgenden Zeiten geöffnet: dienstags von 14 bis 17 Uhr, mittwochs, donnerstags und freitags von 9 bis 13 Uhr, donnerstags zusätzlich von 15 bis 18 Uhr. Beratung für Gewerbe nur nach Terminvereinbarung möglich. Kontakt: 0209 169 3912, Mail: