Gelsenkirchen. Bürger in Gelsenkirchen klagen über ein meist geschlossenes Büro von Polizei und Ordnungsdienst. Präventionsrat kritisiert es als „Pausenbüro“.

Polizei, Kommunaler Ordnungsdienst (KOD) und Caritas wollen verstärkt Präsenz im Gelsenkirchener Stadtteil Ückendorf zeigen. Lärm, Verwahrlosung und Probleme mit zugewanderten Menschen aus Südosteuropa sollen die Einsatzkräfte zuvorderst in Angriff nehmen. Die gemeinsame Dienststelle für das Pilotprojekt Integrative Präventionsarbeit (IPA) ist seit Ende des vergangenen Jahres fertiggestellt. Aber: Anwohner und Passanten klagen über verschlossene Türen, vermissen „feste Büro- und Sprechzeiten“, wie eine Stippvisite jetzt ergab. Das steht im krassen Gegensatz zu dem Standpunkt, den die Stadt vertritt.

Stadt Gelsenkirchen: Keine festen Bürozeiten für gemeinsame Dienststelle von Polizei, KOD und Caritas

„Die Verwaltung hatte im vergangenen Jahr probeweise Sprechstunden eingerichtet“, berichtet Stadtsprecher Martin Schulmann auf WAZ-Anfrage. Die Resonanz darauf sei aber so verschwindend gering bis gar nicht vorhanden gewesen, dass man von festen Öffnungszeiten nach Fertigstellung der Dienststelle an der Ückendorfer Straße 138 abgesehen habe. Außerdem sollen die Einsatzkräfte das Quartier bestreifen, um Missstände präventiv wie auch repressiv anzugehen. Bürozeiten wirkten da kontraproduktiv.

Das klang bei einer der letzten Sitzungen des Präventionsrates Ückendorf noch anders. Ende Oktober hieß es, dass die Anlaufstelle künftig „wesentlich länger geöffnet sein wird, als ursprünglich geplant“.

Mit dem aktuellen Standpunkt der Stadt können sich Anwohner und Passanten wenig anfreunden. Es sind Frauen und Männer, die im Berufsleben stehen, aber auch Ältere, die sich an diesem Donnerstagnachmittag dazu äußern. Tenor der nicht repräsentativen Befragung: Grundsätzlich finden sie die Idee gut, das Quartier „stärker zu bestreifen“, nur sei davon wenig zu sehen. Und bei dem Büro stehe man meist vor verschlossenen Türen.

Das ist auch am Donnerstag zwischen 14 und 15 Uhr so. Selbst als der Wagen des Polizei-Bezirksdienstes vor der Tür steht, geht beim Klingeln zwar das Kamera-Licht an der Gegensprechanlage an, aber es meldet sich niemand. Auch nach längerem Warten nicht. Bei der Bundespolizei am Neustadtplatz wird solch ein Klingeln per Rufweiterleitung an die Leitstelle in Dortmund weitergeleitet. Und da meldet sich immer jemand.

Gelsenkirchener Rentner: Problem „Lidl“-Parkplatz in Ückendorf ist ungelöst

Die Caritas hat an der Tür des IPA-Büros von Polizei, KOD an der Ückendorfer Straße 138 einen Zettel mit Büro-Sprechzeiten zum Thema „Interkulturelle Nachbarschaft“ geklebt: „Jeden Freitags ab 12 bis 14 Uhr“ steht darauf zu lesen.
Die Caritas hat an der Tür des IPA-Büros von Polizei, KOD an der Ückendorfer Straße 138 einen Zettel mit Büro-Sprechzeiten zum Thema „Interkulturelle Nachbarschaft“ geklebt: „Jeden Freitags ab 12 bis 14 Uhr“ steht darauf zu lesen. © Foto: Nikos Kimerlis

Ein Nachbar berichtet, dass das „Lidl“-Problem noch immer nicht gelöst sei, die Schranke am Parkplatz meist oben bleibe und ab halb acht Uhr abends sich dort „hartnäckig eine Klientel“ versammle, die durch „Lärm und Müll“ auffalle. Oder durch Auto-Schrauberei. „Da wandern Waren von einem Kofferraum in den anderen“, sagt der ältere Herr, der wie die anderen lieber anonym bleiben möchte. Was genau, könne er aber von seinem Fenster aus nicht sehen. „Zu weit weg“.

Der Rentner, der nach eigenen Angaben fast drei Jahrzehnte bei „Geldbach“ an der Ziegelstraße gearbeitet hat, zeigt auf den angrenzenden Grünstreifen. Der ist offenbar recht frisch zurückgeschnitten worden, Hunderte Plastikfetzen zeugen von gleich haufenweise Weggeworfenem.

Die mobilen Sprechstunden des KOD vor dem Supermarkt habe der über 70-Jährige genutzt, „um auf die Probleme aufmerksam zu machen“, wie er sagt. Gern würde er im IPA-Büro persönlich vorsprechen, da ist aber „meist zu“. Die Hotline des KOD (0209 169 3000), auch die gibt es, mag er nicht nutzen: Zu unpersönlich sei ihm das. Er brauche jemanden, dem man in die Augen schauen könne.

Einziger Lichtblick: Die Caritas hat an der Tür einen Zettel mit Büro-Sprechzeiten zum Thema „Interkulturelle Nachbarschaft“ geklebt: „Jeden Freitags ab 12 bis 14 Uhr“ steht darauf zu lesen.

Man kann also auch fragen, von wie vielen Ärgernissen und Anliegen aus der Bürgerschaft die eingesetzten IPA-Kräfte gar nichts mitbekommen. Oder eben wesentlich später. Denn nicht jeder genervte Anwohner greift offenbar zum Telefon oder benutzt die „CityApp“.

Präventionsrat Ückendorf: IPA-Büro Thema der nächsten Sitzung am 23. Februar

Ähnlich äußert sich eine Mutter, die gerade ihre kleine Tochter zum Tanzen bringt. Sie hat in der nahen Sparkassen-Filiale gearbeitet. Ihr Eindruck: „Es ist gut, dass sich etwas tut, nur sieht man es leider nicht.“ Das glaubt auch eine Anwohnerin, die an der Virchowstraße wohnt. „Müll ist und bleibt ein Problem. Lärm auch“, sagt sie wie auch andere Passanten. Gelsendienste seien zwar im Dauereinsatz. „Das hilft aber noch zu wenig, zuletzt ist bei uns das Ordnungsamt auf den Plan getreten wegen eines Rattenproblems“, so die Ückendorferin.

Selbst jetzt im Winter sind an manchen maroden Häusern im Umkreis Haustüren oder Einfahrten offen. Das Blickfeld reicht dann bis in den Hinterhof, wo sich einiges stapelt oder vor sich hin gammelt, was in die Abfalltonne oder anderweitig entsorgt gehört.

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Das Thema Öffnungszeiten und Sprechstunden will der örtliche Präventionsrat noch einmal aufgreifen bei der nächsten Sitzung am Montag, 23. Februar (18.30 Uhr, Gesamtschule Ückendorf), wie Vorstandsmitglied Petra Koschei erklärt. Ihr Eindruck: „Es handelt sich mehr um ein Pausenbüro für die Einsatzkräfte, nicht um ein Bürgerbüro.“ Es gebe noch nicht einmal einen Briefkasten, wo man sein Anliegen schriftlich hinterlassen könne, falls niemand da sei.

Koschei warnte davor, den Bedarf an Austausch zu verkennen. „Wenn mobile Sprechstunden an der Heilig-Kreuz-Kirche oder bei Lidl auf dem Parkplatz nicht so stark frequentiert werden, muss man sich darüber bei der Stadt nicht wundern. Denn dies wird doch eher dürftig publiziert, nicht jeder liest die Zeitung oder geht online bei der Stadt auf Informationssuche zu solchen Sprechtagen.“ Solche wichtigen Termine müssten breiter gestreut werden, die Haushalte direkter erreichen.