Gelsenkirchen. Die Zukunft des Gelsenkirchener Kaufhofes bleibt ungewiss. Die Beschäftigten fragen, was aus der Stadt werden soll, falls Galeria schließen muss.

Die Politik hatte sich Klarheit versprochen, als sie Beschäftigte des Gelsenkirchener Kaufhofes jetzt zu sich in den Wirtschaftsausschuss einlud. Doch bekanntlich geht die Hängepartie um die Zukunft des Warenhauskonzerns, und damit auch um die Filiale in Gelsenkirchen, weiter. Das Insolvenzverfahren wurde jetzt eröffnet; Listen mit Häusern, die schließen sollen, gibt es weiterhin nicht.

„Wir wollen unser Haus behalten, jeden Tag kämpfen wir dafür“, machte die Galeria-Beschäftigte Magdalena Woclawek, die zusammen mit einer Kollegin trotz des andauernden Nervenkriegs am Dienstag im Hans-Sachs-Haus erschienen war, jedenfalls unmissverständlich klar – und appellierte zugleich an die Verwaltung, Politik und Gelsenkirchener Bürgerinnen und Bürger, mitzukämpfen.

„Ich kann mir kein Leben ohne Galeria vorstellen und an kein Leben davor erinnern“, sagte Anja Sabrowski, Woclaweks Kollegin, Mitglied im Galeria-Betriebsrat und seit über 30 Jahren beim Kaufhaus in Gelsenkirchen tätig. Mit gebrochener Stimme schilderte sie, wie die aktuelle Situation nicht nur psychisch belastend für sie und ihr Team sei, sondern wie die Beschäftigten mittlerweile auch finanziell leiden würden. „Wir liegen 15 Prozent unter dem Flächentarifvertrag“, sagte Sabrowski und machte darauf aufmerksam, dass Galeria Karstadt Kaufhof im vergangenen Jahr einseitig den Tarifvertrag gekündigt hatte.

Falls der Kaufhof in Gelsenkirchen wegbricht: „Was haben wir dann noch?“

„Die meisten meiner Kollegen sind Alleinverdiener“, sagte sie. Wenn unerwartete Kosten auf die Beschäftigten zukämen, beispielsweise die Heizung kaputt ginge, würden viele diese nicht mehr stemmen können. „Alles wird teurer, aber wir haben immer weniger im Portemonnaie. Da weiß man nicht mehr, wie man das bewältigen kann, obwohl man jeden Tag fleißig arbeiten geht und sich nichts zuschulden kommen lässt.“ Sollten die Beschäftigten jetzt auch noch ihren Job verlieren, sähe es ganz düster aus. „Wir haben einen hohen Altersstand. Auf dem Markt werden da viele nicht sofort wieder unterkommen.“

Als es noch Saturn im Kaufhof gab: 2022 gab die Elektronikkette ihr Geschäft im Gelsenkirchener Kaufhof auf.
Als es noch Saturn im Kaufhof gab: 2022 gab die Elektronikkette ihr Geschäft im Gelsenkirchener Kaufhof auf. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Schwierig sei ein Galeria-Aus aber längst nicht nur für die Beschäftigten. „Es ist so wichtig, dass wir vor Ort bleiben“, sagte Sabrowski, die immer wieder betonte, wie „Managementfehler“ den Konzern in die derzeitige Krisen-Situation brachten. „Was haben wir denn dann noch?“: Diese Frage würde sie gerade oft von älteren, besorgten Menschen hören, die viele Produkte wohnortnah nur noch bei Galeria bekämen. Und dann noch die Folgen eines möglichen Galeria-Aus’ für die gesamte Innenstadt: „Wenn unser Haus wegbricht, dann bleibt da ein Koloss stehen, den man sehr schlecht bewirtschaften kann.“

Galeria-Beschäftigte wünschen sich, dass Kaufhof in Gelsenkirchen mehr lokal eingebunden wird

Sollte der Standort in Gelsenkirchen nicht auf der im März erwarteten Schließungsliste stehen, erhoffen sich die Kaufhof-Beschäftigten deshalb, dass der Kaufhof „lokal wieder mehr eingebunden“ werde. „Sollten wir hier bestehen bleiben, wäre es toll, wenn wir für Gelsenkirchen ebenfalls Erdmännchen und Eisbären verkaufen könnten“, sagte Sabrowski und machte damit auf einen vorausgegangenen Vortrag der Wirtschaftsförderung über Gelsenkirchens Präsenz auf der Immobilien-Messe Expo Real aufmerksam. Dort hatten die Wirtschaftsförderer die Zoom-Kuscheltiere an die Messestandbesucher vergeben. „Sowas wären Zwischenspiele zwischen Handel und Stadt, die wir wieder aufleben müssten“, meinte Sabrowski.

Mehr auf lokale Bedürfnisse ausgerichtet

Hoffnung weckt bei den Galeria-Beschäftigten, dass das Restrukturierungskonzept vorsieht, dass sich Galeria mehr auf die lokalen Bedürfnisse ausrichten soll. „Dazu zählt eine kundenfreundliche Verzahnung von Mobile-, Online- und Filialkaufmöglichkeiten“, heißt es in einer Pressemitteilung. „Die Attraktivität der Standorte wird durch die sinnvolle Einbindung weiterer kundenrelevanter Services wie Versicherungen, Schneidereien, Reinigungen oder Bürger-Services gesteigert.“

Sollte der Standort Gelsenkirchen also bleiben, liege beim lokalen Zuschnitt eine echte Chance, meint die Beschäftigte Magdalena Woclawek: „Wie wäre es zum Beispiel mit einem Schalke-Shop bei uns?"

Von der Politik erhoffen sich die Galeria-Frauen zudem, „dass sie sich für eine Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge einsetzt“. Und von allen weiteren Menschen in Gelsenkirchen? „Kaufen Sie lokal!“, appellierte Magdalena Woclawek. Jeder könne einen Teil dazu beitragen, dass hochwertiger Einzelhandel hierbleibe.

SPD: „Wir müssen klar machen, dass die Stadt bereit ist, für die Filiale zu kämpfen“

„Solche Appelle müssen wir sehr ernst nehmen“, kommentierte Lukas Günther, Vize-Fraktionschef der SPD, die Äußerungen. Er selbst habe seine Weihnachtsgeschenke deshalb „fast ausschließlich bei Kaufhof gekauft.“ Gleichzeitig müsse man in der Stadt eine Debatte darüber führen, wie man Galeria wieder enger angebunden bekommt. „Wir müssen klar machen, dass die Stadt bereit ist, für die Filiale zu kämpfen“, sagte Günther und richtete die Bitte an die Wirtschaftsförderung, „eine neue Partnerschaft“ zwischen Stadt und Kaufhof zu entwickeln.

Werner Wöll, wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU, warnte jedoch vor zu hohen Erwartungen. „Wir sind als Politik bereit, zum Wohle der Stadt Gelsenkirchen und zur Sicherung des Standortes das eine oder andere zu schultern, aber es gibt objektive Grenzen“, so Wöll. „Einsteigen und einmieten“ könne sich die Stadt bei Kaufhof beispielsweise sicherlich nicht.

Kaufhof in Gelsenkirchen: „Undurchsichtige Konstellation“ bei Eigentümerverhältnissen

Simon Nowack, als Stadtrat verantwortlich für die Wirtschaftsförderung, informierte die Politik darüber, dass die Stadt bis zur Beantragung des Schutzschirm-Verfahrens im Gespräch mit der Regionalgeschäftsführung von Galeria stand, unter anderem über die weitere Nutzung der leerstehenden Saturn-Fläche im Obergeschoss. „Im Moment ist hier aber alles on hold, weshalb wir versucht haben, direkt mit dem Eigentümer das Gespräche zu suchen.“ Dieser sei mittlerweile nicht mehr die Signa Holding selbst, sondern die Apollo Holding in Luxemburg, deren Immobilien wiederum über ein Oberhausener Unternehmen verwaltet werde. Es sei nicht ganz leicht, sich durch diese „undurchsichtigen Konstellationen“ durchzuarbeiten, so Nowack. Gelungen sei es dennoch, und Gespräche würden weiter geführt.