Gelsenkirchen. Smetanas Erfolgsoper wird in Gelsenkirchen nicht als „Folkloreschlacht“ inszeniert. So geht das Regieteam am Musiktheater im Revier das Werk an.

Nur wenige altgediente Kräfte im Musiktheater im Revier können sich erinnern, wann „Die verkaufte Braut“ zuletzt auf dem Spielplan des Hauses stand. Wobei: Die genaue Jahreszahl verliert sich im Dunkel der Erinnerung. Nun feiert die Komische Oper von Bedřich Smetana am Samstag, 12. November, in Gelsenkirchen Premiere. Die Inszenierung liegt in der Hand eines jungen Teams: Sonja Trebes führt Regie. Die musikalische Leitung hat Peter Kattermann.

Junges Team inszeniert Bedřich Smetanas Erfolgsoper in Gelsenkirchen

In drei Häusern spielt sich vornehmlich das Bühnengeschehen ab. Aus Stoffbahnen wurden die Wände gezogen. Hier bleibt nichts verborgen. Es gibt keine Privatsphäre, jeder kriegt alles mit. Das Probenbild gibt einen ersten Eindruck.
In drei Häusern spielt sich vornehmlich das Bühnengeschehen ab. Aus Stoffbahnen wurden die Wände gezogen. Hier bleibt nichts verborgen. Es gibt keine Privatsphäre, jeder kriegt alles mit. Das Probenbild gibt einen ersten Eindruck. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Dritter Akt, eine Schlüsselszene. Marie, erschüttert, weil sie sich von ihrem geliebten Hans verraten fühlt und Wenzel heiraten soll, wird zur Unterschrift unter einen Heiratsvertrag gedrängt. Kecal, der skrupellose Heiratsvermittler, zeigt auf das Papier auf dem Tisch. „Hier steht es schwarz auf weiß. Ja um 300 Gulden, verkauft er seine Braut.“ Auf der Bühne im Musiktheater im Revier stehen bei der Klavierprobe am Dienstag ein paar Stühle, wenige Tische. Das Ensemble agiert in einem schlichten Haus aus Stoffbahnen. Eine Bilder-Ahnengalerie hängt an der Rückwand. Der Blick in weitere Häuschen öffnet sich zur Hinterbühne.

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Der Raum im von Marialena Lapata eingerichteten Bühnenbild ist begrenzt, wird manchmal eng und streng abgeteilt – bleibt aber auch immer und zeigt: „In diesem Dorf bist du jederzeit unter Beobachtung. Hier bleibt nichts verborgen. Es gibt keine Privatsphäre, jeder kriegt alles mit.“

Im Liebesrausch taumeln die Figuren zwischen Liebeskummer und Liebesglück

Smetanas Oper gilt als die tschechische Nationaloper schlechthin. Die Geschichte ist angesiedelt im Böhmen des 19. Jahrhunderts, in einem Dorf-Biotop, fernab des Stadtlebens. Sie spielt an einem einzigen Kirmestag. Das Tempo ist hoch. Die Verwirrungen groß. Im Liebesrausch taumeln die Figuren zwischen Liebeskummer und Liebesglück.

Probenszene aus dem dritten Akt: Marie (Heejin Kim) wird gedrängt, den Heiratsvertrag zu unterschreiben.
Probenszene aus dem dritten Akt: Marie (Heejin Kim) wird gedrängt, den Heiratsvertrag zu unterschreiben. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

„,Die verkaufte Braut’ sieht man oft als Folkloreschlacht“, sagt Sonja Trebes. Mit Polkas, mit Tänzen und Trachten. „Das wird bei uns nicht so ausgeprägt sein. Mich hat besonders die Psychologie der Figuren interessiert.“ Für Marie (Sopranistin Heejin Kim) und Wenzel (Tobias Glagau) geht es „letztlich um ein selbstbestimmtes Leben. Beide sehnen sich nach Freiheit. Mich beschäftigt, wie diese beiden Figuren in solch einem geschlossenen System wie einem Dorf damit umgehen, ob sie Erfolg haben oder nicht.“

Die Oper ist komödiantisch, heiter, temporeich, voll wirbelnder Musik

Ihr Regie-Debüt am MiR gab Trebes mit Händels Oratorium „Belsazar“. In Kassel inszenierte sie Verdis „Rigoletto“. Nun also Smetanas Erfolgsstück. Trebes ist selbst in dörflicher Umgebung aufgewachsen. Das Grundthema der Oper, gesteht sie, „hat mich da angefixt“. Natürlich auch, weil es im Grunde zeitlos ist.

„Die verkaufte Braut“ versteht Trebes als „Emanzipationsstück. Es geht um Hoffnung, Enttäuschung und Glück, darum, die eigenen Identität zu finden“ – all das ist eingebettet in eine saftige Geschichte um eine arrangierte Ehe. Komödiantisch, heiter, temporeich, voll wirbelnder Musik. Die Oper „bietet einfach eine tolle Musik, mitreißend, in verschiedenen Gefühlswelten. Sie geht zu Herzen, lässt aber auch Tiefe zu“, sagt die Regisseurin, die den stotternden, verspotteten Außenseiter Wenzel ins Zentrum stellt – und der letztlich aus der Dorf-Enge ausbricht.

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Pralles Dorfleben an einem Kirmestag: Die komödiantische Note wird auch in der Gelsenkirchener Opernfassung ausgespielt.
Pralles Dorfleben an einem Kirmestag: Die komödiantische Note wird auch in der Gelsenkirchener Opernfassung ausgespielt. © Sascha Kreklau

Auf üppige Tanzszenen, zu denen Smetana mit böhmischer Volksmusik einlädt, wird die Inszenierung großteils verzichten. Bei seiner Choreographie unterstreicht Andreas Langsch im Tanz eher die Psychologie der handelnden Akteure. Es geht ihm „weniger um Polka, mehr um die Konstellation der Figuren“. Die folkloristischen Zitate bei den Kostümen werden denn auch entsprechend zurückhaltend eingesetzt – mal eine Lederhose, mal kecke Hütchen und Janker, ein paar dicke Socken ...

„Die verkaufte Braut“ ist selten geworden auf den Spielplänen. „Mit dem Regieteam und dem Sängerteam“, glaubt MiR-Pressereferent Hauke Rambow, „bieten wir sehr gute Chancen, die Oper neu zu entdecken.“

Premiere und die nächsten Termine

Eingebunden in die Produktion sind die MiR-Opernchöre, Junges Ensemble, Opernstudio NRW und natürlich die Neue Philharmonie Westfalen.

Die Premiere ist am Samstag, 12. November, 19.30 Uhr. Die weiteren Termine bis zum Jahresende: 18. November, 19.30 Uhr; 26. November, 19.30 Uhr; 4. Dezember, 16 Uhr; 11. Dezember, 18 Uhr.

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