Gelsenkirchen. Riesenerfolg und lauter Jubel: Otfried Preußlers berühmter „Krabat“ ist jetzt als Steampunk-Oper in Gelsenkirchen zu bestaunen.

Der Meister ist tot, mit ihm untergegangen ist das Buch der Zauberformeln; der Bann, der über der verwunschenen Mühle lag, ist gebrochen. Die Uraufführung der Oper „Krabat“ nach dem Kultroman von Otfried Preußler endet vertraut. Magie wird weder durch List noch durch Gegenzauber unschädlich gemacht, sondern durch Liebe und Empathie. Die Kantorka (Bele Kumberger) erkennt Krabat mit verbundenen Augen allein an der Angst, die er um sie hat, und erlöst so nicht nur die Mühlengesellen, sondern die ganze Region vom Einfluss der dunklen Kräfte.

Doch bevor das Krabat-kundige Publikum (wann war das Große Haus zuletzt so voll?) seinen Beifallssturm nach 15 Minuten abklingen lässt, folgt ein Moment des Innehaltens. Ohne Meister und ohne Magie, die in all ihrem Schrecken für eine beruhigende Kontinuität gesorgt hat, streifen Gesellen und Dorfbewohner orientierungslos durch die kalte Winterlandschaft. Befreiung bedeutet auch Aufbruch in eine ungewisse Zukunft, die Erinnerung an das Vergangene, an den vom Meister herbeigeführten Tod vieler Freunde lastet schwer.

Das kundige Publikum feiert „Krabat“ in Gelsenkirchen mit 15 Minuten Applaus

Dass Otfried Preußler in seiner Bearbeitung der alten sorbischen „Krabat“-Sage unausgesprochen auch eigene Erfahrungen mit einer menschenvernichtenden Maschinerie verarbeitet hat, darauf weist Manuel Schmitt in seiner Inszenierung nur am Rande hin. Ein einem kurz eingeblendeten anderen Text beklagt der Autor den Verlust von Freunden während des Dritten Reiches. Doch die als Auftragsarbeit von zwei Berliner Musiker-Kollektiven – die Soundtüftler „Himmelfahrt Scores“ und die Steampunk-Band „Coppelius“ – komponierte Oper, für die sich Librettist Ulf Schmidt auf Schlüsselmomente des Schauermärchens konzentriert hat, führt in eine fremde Fantasiewelt. Gewaltige Metall-Ringe, hinter denen ein Wirbel aus Farben und Formen aufscheint, wirken wie das aus Science-Fiction-Filmen bekannte Eingangsportal zu bedrohlichen Parallelwelten.

Beiderseits der Ringe mobile Musiker-Kabinen für zwei Klarinettisten, einen Cellisten und einen Bassisten, von der Decke senkt sich eine Hängebühne mit dem Schlagzeuger. Die „Coppelius“-Band treibt das Geschehen aktiv voran, Mitglied Sebastian Schiller spielt gar die Titelfigur. Auf der Hinterbühne, kaum zu sehen, aber immer präsent, die Musiker der Neuen Philharmonie Westfalen. In diesem überwältigenden Bild, das bis auf unzählige Mehlsäcke nichts weiter braucht, entfaltet die Stationen-Geschichte ihre ungeheure Kraft dank einer rhythmusstarken Musik, die Balladeskes, Rezitative und große Arien, packende Rock-Klänge, Klezmer-Andeutungen und opulente Orchesterpassagen passgenau vereint.

Drei Jahre des Wartens, bis es endlich zur Premiere am „MiR“ kommen konnte

Drei Jahre lang, zweimal wegen Corona, musste man auf die Uraufführung warten, und auch diesmal schien alles verhext. Erst brach sich „Juro“-Darsteller Martin Petschan den Fuß (und spielt jetzt im Rollstuhl). Am Tag vor der Premiere wurde ausgerechnet „Der Meister“ Joachim G. Maaß positiv getestet. Was tun? Regisseur Schmitt schlüpfte kurzerhand in eine nunmehr stumme Meister-Rolle; die Partie von Maaß wurde von dem Dirigenten, Regisseur und Folkwang-Lehrer Heribert Feckler von der Seite eingesungen. Auch dieser Fluch wurde glücklich abgewendet.

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INFO

Krabat, Musiktheater im Revier (MiR), Gelsenkirchen. Karten (ab 15€) unter Tel. 0209/4097 200 und musiktheater-im-revier.de
Nächste Aufführungstermine im Juni sind am 11. (19 Uhr); 12. (16 Uhr); 16. (18 Uhr) und 17. (19.30 Uhr). Wer sich früh Karten für die Wiederaufnahme im Herbst sichern will: Auch jetzt kann man schon Tickets für die Staffel im Oktober erwerben.

Ein junger Regisseur, der zugleich ein „alter“ Bekannter für das Publikum am Musiktheater im Revier ist: Manuel Schmitt, 1988 in Mülheim geboren, bescherte dem Haus am Kennedyplatz schon zuvor zwei Zugpferde. Er inszenierte Bizets „Perlenfischer“, die nächste Saison zurückkehren, und Rossinis selten gespielten „Otello“, der zum Publikumserfolg am „MiR“ wurde.