Gelsenkirchen-Horst/Rhodos. Warum die Aktion in der stürmischen Ägais auch für den DLRG-Profi Georg Jansen nicht ungefährlich war. Seniorin (80) drohte zu ertrinken.
Blauer Himmel, Sonnenschein: Alles war wie immer im malerischen Kalithea auf Rhodos, wo der gebürtige Horster Georg Jansen Ende Oktober wieder einmal seinen Herbsturlaub verbrachte. Meterhohe Wellen, die sich an der felsigen Bucht brachen: Auch das hatte er schon öfter hier erlebt. Dass sich trotzdem eine alte Dame ins Wasser wagte, sollte diesen Sonntag allerdings unvergesslich machen. Besonders für die 80-Jährige, die nun auch dank Jansen ein zweites Mal im Jahr ihren Geburtstag feiern kann.
Schon den gesamten Vormittag über war das Meer aufgewühlt, erinnert sich der 52-Jährige an die Ausläufer eines großen Unwetters, das an jenem Wochenende viele griechische Inseln in der Ägais heimsuchte. Obwohl der Schwerpunkt bei Kreta lag, waren die Auswirkungen so sehr vor Rhodos spürbar, dass Jansen sogar Erinnerungsfotos und Videos von den hohen Wellen machte.
Gebürtiger Gelsenkirchener und DLRG-Profi wäre nicht ohne Not ins Wasser gegangen
„Ins Wasser zu gehen, wäre mir da im Traum nicht eingefallen“, erzählt der sehr gute und routinierte Schwimmer, seit 1995 Vorsitzender der Deutschen Lebensrettungs-Gesellschaft (DLRG) Horst. Die Griechin freilich, die von einem unbewachten Hotelzugang aus ins Meer sprang, schien da weniger Respekt zu haben. „Als Einheimische kannte sie die eigentlich recht enge Bucht gut und fühlte sich offenbar sicher“, versucht sich Jansen im Nachhinein an einer Erklärung.
Dass eine Strömung sie aufs offene Meer ziehen und meterhohe Wellen ihren Kopf immer wieder unter Wasser drücken könnten: Damit hatte sie augenscheinlich nicht gerechnet. Einem Hotelmitarbeiter jedoch fiel ihre Notsituation auf, und er schlug so laut Alarm, dass auch Jansen darauf aufmerksam wurde. Dem DLRG-Profi, der schon seit 35 Jahren jeweils 14 Tage seines Urlaubs als Wasserretter an der Ostsee verbringt, war sofort klar, dass die alte Dame schnelle Hilfe brauchte: Selbst vom weiter entfernten Ufer aus war zu sehen, wie sie die Kraft verließ.
Georg Jansen aus Gelsenkirchen-Horst verlor wichtige Zeit bei einem Umweg
Der Weg ins Wasser war allerdings so einfach nicht: „Vom Felsvorsprung aus ins Meer zu springen, war viel zu gefährlich, weil sich darunter weitere Klippen befanden. Ich musste einen etwa 50 Meter langen Umweg laufen, der mich wichtige Zeit kostete“, berichtet Jansen.
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Während ein ins Meer geworfener Rettungsring die Seniorin verfehlte, erreichten ein Ehepaar und ein weiterer Schwimmer die alte Dame. „Aber selbst zu dritt konnten sie sie nicht Richtung Strand ziehen“, erinnert sich Jansen. „Wellen und Strömung waren einfach zu stark.“ Erst als er vor Ort war, gelang es: „Einer hielt den Kopf, einer die Beine, zwei stabilisierten ihren Oberkörper.“
Gelsenkirchener: Erst zu viert gelang es, die zierliche 80-Jährige an den Strand zu ziehen
Mit vereinten Kräften bugsierte das Quartett die 80-Jährige zurück in die Bucht und an den Strand. Dort angekommen, waren die Retter genauso erschöpft wie die Griechin. „Sie war kreidebleich und hatte einen unruhigen Puls. Zum Glück erholte sie sich aber wieder rasch und brauchte nicht einmal ins Krankenhaus.“ Sie habe sich mehrfach bedankt, sei auch am nächsten Tag noch einmal zurückgekehrt, um den Helfenden die Hand zu drücken.
Dafür musste Jansen medizinisch behandelt werden: Er hatte sich bei der Rettungsaktion einen rund drei Zentimeter langen Riss an der Fußsohle zugezogen, der genäht werden musste. „Offenbar habe ich mir die Haut an dem felsigen Untergrund aufgeschürft. Gespürt habe ich das aber erst hinterher, als alles vorbei war. Im Wasser selbst ist man so darauf fokussiert, den anderen zu retten, dass man alles um sich herum ausblendet.“
Lebensretter aus Gelsenkirchen ist dankbar, dass alle Beteiligten die Aktion überstanden
Dass er dieser Frau gemeinsam mit den anderen drei Helfenden das Leben gerettet hat, darüber mag der ausgebildete Lehrer mit Wohnsitz in Meppen keine großen Worte verlieren. „So dramatisch war das gar nicht“, wiegelt der 52-Jährige ab, der mittlerweile hauptberuflich als Geschäftsführer der DLRG Emsland in Lingen tätig ist.
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Erst auf Nachfrage räumt er ein, dass die Aktion angesichts der hohen Wellen auch für die Rettenden selbst nicht ungefährlich war. „Es kostet schon viel Kraft, nicht nur eine hilflose Person, sondern auch sich selbst über Wasser zu halten, erst recht bei diesem hohen Seegang.“ So ist er mit etwas zeitlichem Abstand „erleichtert und sehr dankbar, dass wir die alte Dame retten konnten“ und dass alle Beteiligten die Aktion gesund überstanden haben.
Den Urlaub mit Frau und Tochter setzte er wie geplant fort – und zog, ganz DLRG-Profi, eine Lehre aus dem Vorfall: „Ich habe nicht damit gerechnet, wie schwer es bei hohem Seegang selbst zu viert sein kann, eine zierliche Frau aus dem Wasser zu ziehen. Das müssen wir in unseren Kursen künftig berücksichtigen.“
Lebensretter, Lehrer, DLRG-Funktionär aus Horst
Georg Jansen, Sohn des CDU-Stadtverordneten Werner-Klaus Jansen, wuchs in Horst auf, baute sein Abitur am Leibniz-Gymnasium und studierte Erdkunde und Religion in Essen. Nach einem Zertifikatskurs in Hamm darf er auch Mathe und als Fachübungsleiter Schwimmen unterrichten.
Nach Stationen an Realschulen in Recklinghausen, Lüdenscheid und Bochum-Wattenscheid (u.a. als Lehrer von Leon Goretzka) übernahm er Schulleitungsposten in Meppen. Seit 2020 arbeitet er als Geschäftsführer bei der DLRG Emsland. In Meppen lebt er seit 2007, leitet aber nach wie vor die DLRG in Horst.