Gelsenkirchen-Bismarck. Bald sollen die Pläne für das Bahnwerk Bismarck als Zug-Servicestandort präsentabel sein. Was das für bisherige Nutzer in Gelsenkirchen bedeutet.

Die Weichenstellung am Bahnbetriebswerk Bismarck in Gelsenkirchen ist erfolgt: Wohin genau die Fahrt geht, wird aber frühestens in einigen Wochen verkündet. Dann, so heißt es beim RVR, werde vom Regionalverband Ruhr zusammen mit dem neuen Investor endlich vorgestellt, was aus den Hallen, dem Ringlokschuppen und dem zehn Hektar großen Gelände samt Gleisanlagen wird. Wohl als bahntechnische Anlage bekommt das Bahnwerk wieder eine Zukunft. Nach WAZ-Informationen wird der spanische Konzern CAF hier für seine künftige Zugflotte einen zentralen Wartungsbetrieb aufbauen. Für die bisherigen Bahnwerk-Nutzer läuft nun langsam die Zeit ab.

Bauarbeiten in Gelsenkirchen sollen 2023 beginnen

Zum Denkmal Bahnwerk Bismarck gehören der Ringlokschuppen, die Drehscheibe und bahntechnische Bauten wie die alte Bekohlungsanlage. Einige der Gartenparzellen zwischen Zoom-Parkplatz und Bebauung sollen wohl schon bis Jahresende aufgegeben werden, um eine Erschließungsstraße zu bauen.
Zum Denkmal Bahnwerk Bismarck gehören der Ringlokschuppen, die Drehscheibe und bahntechnische Bauten wie die alte Bekohlungsanlage. Einige der Gartenparzellen zwischen Zoom-Parkplatz und Bebauung sollen wohl schon bis Jahresende aufgegeben werden, um eine Erschließungsstraße zu bauen. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Teils zum Jahresende werden wohl die ersten benachbarten Gartenpächter ihre Parzellen aufgeben müssen, weil aufwendige Zuwegungs- und Erschließungsarbeiten anlaufen, andere rechnen, dass für sie „spätestens im März, April 2023 die Deadline ist. Dann sollen hier die Bauarbeiten richtig losgehen.“ Bislang gelte allerdings noch Hörensagen. „Schriftlich wurde uns das noch nicht mitgeteilt“, sagt Frank Ukowski vom Blauweissen Partywaggon.

Die weltweit agierende spanische Firma CAF (Construcciones y Auxiliar de Ferrocarriles, S.A.) wird ab 2025 den Personenverkehr mit batterie-elektrischen Schienenfahrzeugen auf Strecken im Ruhrgebiet, am Niederrhein und im Münsterland aufnehmen. 63 Züge sollen es bis 2028 sein, die einen entsprechenden Service- und Wartungsbetrieb benötigen. Der soll nach Informationen der Redaktion ab 2023 in Gelsenkirchen aufgebaut werden. Nach und nach könnten bis zu 200 Stellen an dem historischen Standort entstehen, an dem bis in die 1980er Jahre die DB ihre (Dampf-)Loks warten ließ. Im Juni hatten die RVR-Gremien dem Verkauf nach einem Bieterverfahren zugestimmt.

Equipment von der eigenen Bühne bis zur kompletten Gastroausstattung

Seit nahezu 15 Jahren sind die Schalkefans und Konzertveranstalter vor Ort aktiv, haben Rock am Bahnwerk als regionales Festival etabliert. Doch Ukowski und den anderen Blauweissen ist klar: „Wir müssen ein neues Zuhause finden.“ Im Idealfall eines, das viel Platz und Entfaltungsmöglichkeiten bietet.

„In 15 Jahren hat sich ja so etliches angesammelt“, speziell bei den Konzertveranstaltern entsprechendes Equipment von der „eigenen Bühne“, über Bestuhlung, Schirme, Beachbar, Absperrzäune bis zu einer kompletten Gastroausstattung und nicht zuletzt zwei Eisenbahnwaggons, dem Vereinsdomizil. „Wir sind dabei zu sortieren und zu katalogisieren, um uns einen Überblick zu verschaffen.“ Doch letztlich, so Ukowski, sei ja entscheidend, „wo wir vielleicht unterkommen könnten. Erst dann kann man sagen: Das können wir mitnehmen und unterbringen. Im Moment überlegen wird auch, vor Weihnachten einen kleinen Hausflohmarkt zu machen.“

Schwere Loks, Waggons und Hunderte Tonnen Material stehen im Bahnwerk

Davon sind Paul Lindemann und seine Bahnfreunde Bismarck weit entfernt. Dort wartet man derzeit eher entspannt ab. „Wir lassen es langsam angehen und räumen ein bisschen auf“, sagt Lindemann. Wohl wissend, dass schwere Loks, Waggons und Hunderte Tonnen Material kaum aus den Hallen wegzuschaffen sein dürften, auch weil die Drehscheibe der Anlage nicht funktionstüchtig ist.

Paul Lindemann vom Förderverein der Bahnfreunde Bismarck 2020 vor dem Denkmal. Teile wurden vom RVR baulich gesichert. Für die ursprüngliche Halle der Bahnfreunde wurde ein Betretungsverbot ausgesprochen. Die Verkehrssicherheit ist nicht gewährleistet.
Paul Lindemann vom Förderverein der Bahnfreunde Bismarck 2020 vor dem Denkmal. Teile wurden vom RVR baulich gesichert. Für die ursprüngliche Halle der Bahnfreunde wurde ein Betretungsverbot ausgesprochen. Die Verkehrssicherheit ist nicht gewährleistet. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Für weitere historische Eisenbahnvereine und ihre Sammlungen, in Teilen die Gafög, Kleingärtner auf ihrem Grabeland und eben den Blauweissen Partywaggon und den Förderverein der Bahnfreunde stehen durch den Eigentümerwechsel fundamentale Veränderungen ins Haus. Der 16-ständige Ringlokschuppen und die Drehscheibe sind die markanten Elemente des architektonischen Ensembles, Baujahr 1928, das von Eisenbahnvereinen genutzt wird. Unter anderem die Bahnfreunde haben hier eine stattliche Sammlung zum Teil historischer Fahrzeuge zusammengetragen. Im Jahre währenden Dauerzwist über die Nutzung des Geländes, garniert mit juristischem Schlagabtausch, zahllosen Beschwerden, Betretungsverboten, einer Petition, gescheiterten Vertragsverhandlungen und verstrichenen Fristen kam es letztlich zur Räumungsklage durch den RVR, über die Ende 2021 juristisch entschieden wurde.

Über die Räumungsklage wurde im Dezember 2021 entschieden

Im Januar erkannten die Bahnfreunde schließlich die unverzügliche Räumung an. „Seither herrscht Funkstille und Stillstand“, sagt Lindemann. Umsetzen, soweit scheint klar, werden sie sie vorerst nicht. Dass von einer Partei quasi über Nacht Fakten geschaffen werden, ist nicht zu erwarten. Dafür ist das Problem buchstäblich zu gewichtig und vor allem zu kostenintensiv. Erste Kaufanfragen für ihre Schaustücke haben die Bahnfreunde angeblich schon erreicht. „Doch wir verkaufen nichts. In keinster Weise“, stellt Lindemann stoisch fest. „Wir haben keine Not, es steht alles trocken.“

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Eine bahnhistorische, öffentliche Nutzung haben die Bahnfreunde immer für Bismarck als Ziel gesehen. „Das haben wir natürlich nicht erreicht“, räumt Lindemann ein, auch weil man „von keiner Seite Zustimmung erfahren“ habe. Immerhin: Dass CAF den Standort übernehmen dürfte, wertet der Bahnfreund „als Glücksgriff für Gelsenkirchen und das Ruhrgebiet. Das ist eine Riesennummer.“

Vielleicht spekuliert er auch einfach darauf, dass am Ende auf dem Gelände noch ein Plätzchen für die streitbaren Bismarcker Bahnnostalgiker bleibt.