Gelsenkirchen-Bismarck. Der KC Astoria aus Gelsenkirchen-Horst begeht in diesem Jahr sein 40-jähriges Vereinsjubiläum. Im Januar wird mit Gästen gefeiert – so hofft man.

„Was den KC Astoria besonders ausmacht, ist, dass wir immer wie eine große Familie waren”, sagt Harald Kauffmann. Er weiß das gut – nach 30 Jahren Vereinsmitgliedschaft. In Anbetracht der 40 Jahre, die der westlichste Karnevalsverein der Stadt in diesen Tagen besteht, ist das schon eine Menge. Gründungsmitglieder gibt es dennoch nicht mehr. Aber viele „Urgesteine”, die sich gern erinnern.

Erwin Templin ist seit vier Jahrzehnten dabei, tritt aber damals erst einige Monate nach der Gründung ein. Der Club ist noch taufrisch – und ganz klein. Er lebt von dem ungewöhnlichen Einsatz seiner Mitglieder. „Ich weiß noch, meine Frau und ich haben im Badezimmer gesessen und Wurfmaterial gebastelt, bis die Badewanne voll war.” Der Einfachheit halber behilft man sich damals mit Bierdeckeln, an die man ein Band knotet, damit man sie um den Hals tragen kann. Als jecken Gruß kleben die Templins auf jeden Deckel ein Schokoladenherz.

„Karnevalistisches Notstandsgebiet” im Westen von Gelsenkirchen

Wenige Monate zuvor ist Horst „karnevalistisches Notstandsgebiet”, wie es Gerd Schwenzfeier, auch so ein „Urgestein”, scherzhaft nennt. Die Vollblutkarnevalistin Anneliese Wilde und die ganze Familie Würzle ändern das im März 1982. Sie gründen den „KC Astoria”. Für erste Aktivitäten gibt es gleich hinter der Stadtgrenze ein Vorbild: Auf dem Rosenhügel zeigen die Jecken, dass man für große Karnevalsfreuden nur kleine Mittel braucht.

Erwin Templin steckt das bald an. „Ich bin ein alter Westpreuße und hatte keine Ahnung vom Karneval.” Das Familiäre jedoch, das den Verein von Beginn an prägt, zieht ihn in seinen Bann. Bald schon übernimmt er erste Ämter, wird Mitte der 80er Vorsitzender und bleibt das auch für sechs Jahre. „Dann habe ich Gerd Schwenzfeier gefragt, ob er das machen möchte. Der konnte besser reden.”

Anette Schwenzfeier führt Damensitzungen ein

Das erste Prinzenpaar aus Gelsenkirchen-Horst: Willi I. und Anette I vom KC Astoria in der Session 1987/88.
Das erste Prinzenpaar aus Gelsenkirchen-Horst: Willi I. und Anette I vom KC Astoria in der Session 1987/88. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Der kleine Verein, der seine ersten Sitzungen und Feiern im Schrebergarten „Glück auf Schaffrath” abhält, wächst bald über sich hinaus. „Ich weiß noch, 80 Leute durften in den Saal”, erinnert sich Erwin Templin. „Und 130 Karten hatten wir verkauft. Darf man das sagen?” Mit Sicherheit. Das ist allemal verjährt. Ende der 80er Jahre dann ziehen die Astorianer um in die Grundschule an der Schwalbenstraße, wo der Verein über viele Jahre seine Veranstaltungen durchführt.

Unter der Führung von Gerd Schwenzfeier entwickelt sich der Verein stetig weiter. Nicht nur seines persönlichen Einsatzes wegen, auch dank dem seiner Frau, Anette Schwenzfeier. Sie ist die erste Prinzessin des jungen Vereins und kommt in ihrer Prinzensession auf einen nachhaltigen Einfall: Für die jecken Damen muss eine Damensitzung her. Gesagt, getan. In der nächsten Session lädt der KC Astoria an einem Nachmittag nur Mädchen ein. Ein voller Erfolg, der bald in den anderen Clubs Nachahmer findet. „Damit haben wir den Gelsenkirchener Karneval geprägt”, weiß Peter Nienhaus, der heutige Präsident.

Der KC Astoria führt den Kinderumzug in Gelsenkirchen ein

Es gibt noch ein zweites Format, das Gelsenkirchener Karnevalsgeschichte schreibt: Der Kinderumzug. „Wir wollten auch für die Kleinen was machen”, erinnert sich Erwin Templin, dass es einen ersten Kinderumzug schon 1983 gibt. Der Startpunkt ist ein anderer, der Schlusspunkt aber wie zuletzt auf dem Horster Markt. „Da war eine Bühne aufgebaut und alle beteiligten Vereine haben ihre Minigarden tanzen lassen.”

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Apropos Garden: Die Jugendarbeit liegt dem KC Astoria immer besonders am Herzen. Das zahlt sich aus. Immer wieder in der Vereinsgeschichte kann der Club mit Eigengewächsen aufwarten. Unvergessen etwa sind die Auftritte von Solomariechen Romina Lärz. Und auch die Showtanzgruppe „Flying Stars” bringt im Karneval die Säle zum Beben.

Etliche „Traumkarrieren” starten beim KC Astoria

Und es gibt noch viel mehr Programm. Anette Schwenzfeier etwa avanciert bald zur „Königin der Gelsenkirchener Mottolieder”, ist viele Jahre Hit-Garantin in jeder Session. Auch das Duo „Double F” begeistert das Publikum. Hier steht Harald Kauffmann mit seiner Tochter auf der Bühne. Seine ersten Auftritte jedoch bestreitet er in anderer Besetzung. „Ich war, mit Georg Hullmann und Herbert Richmann aus dem Pfarrgemeinderat von Liebfrauen, unterwegs als: die drei Charmeure”, erinnert er sich. „Wir haben Schlager gesungen und Karnevalsschlager.”

Erst als sich diese Formation auflöst, singt er mit Tochter Susanne weiter. Wie er überhaupt zur Bühnenpräsenz gekommen ist? „Ganz einfach: Als Gerd Schwenzfeier meine Frau und mich ansprach mit der Einladung, dem Verein beizutreten, da sagte er: Bei Astoria kannst Du eine Traumkarriere machen.”

Eine große Auszeichnung: der Narrenspiegel

Eine karnevalistische Traumkarriere, die beginnt auch für Hans-Georg Schweinsberg, langjähriger Sitzungspräsident des Festkomitees Gelsenkirchener Karneval, beim KC Astoria. 1991 tritt er dem Verein bei, schon 1994 präsentiert er dessen Farben als Stadtprinz. Sein Talent für die Bühne entdeckt er, der ein begnadeter Schreiber von Büttenreden ist, auch hier. Und er gibt den Anstoß für eine Auszeichnung, die im Gelsenkirchener Karneval einzigartig ist: der Narrenspiegel.

„Das ist eine wirklich große Ehre und Auszeichnung, die nur Menschen zuteil wird, die viel geleistet haben für die Stadt und den hiesigen Karneval.” Verliehen wird der Narrenspiegel, stets begleitet durch den traditionellen und emotionalen Gesangsbeitrag von Anette Schwenzfeier, bei der Ritterkür, die im Januar die Hochzeit des jecken Treibens an der Emscher einläutet. Das übrigens ist auch so eine Sache: Als einziger Verein kürt der KC Astoria Ehrenritter, die dann in schicker Couleur zu den festlichen Anlässen den Verein repräsentieren.

An Weiberfastnacht wird Schloss Horst gestürmt

Hans-Georg I und Birgit I präsentieren den KC Astoria in der Session 1994/95.
Hans-Georg I und Birgit I präsentieren den KC Astoria in der Session 1994/95. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Und noch ein Format, das die Astorianer ins Leben rufen, darf nicht unerwähnt bleiben: der Sturm auf das Schloss Horst an Weiberfastnacht. Die kostenfreie Veranstaltung mir viel buntem Programm füllt für Vollblutjecken quasi die Lücke zwischen dem Rathaussturm am Morgen und der Zeltparty auf der Königswiese am Abend. Vielfach kommen aber auch Horster Karnevalsfreunde nur hier hin und begehen den Auftakt des Straßenkarnevals in etwas kleinerem Rahmen aber nicht weniger stimmungsvoll.

So bedeutend seine Geschichte ist, so schwierig ist für den Karnevalsverein die Gegenwart. Die Zeit der Pandemie hat ihm, wie allen anderen Clubs der Stadt, zugesetzt, hat Kontakte erschwert, den Zusammenhalt auf die Probe gestellt. „Jetzt hoffen wir, dass alle geplanten Veranstaltungen auch laufen können und das Karnevalsleben wieder auf die normale Spur kommt”, sagt Präsident Peter Nienhaus und unterstreicht: „Wir geben alles für die fünfte Jahreszeit.”