Gelsenkirchen. Die Personallücke wird kleiner, doch der Arbeitsdruck bleibt extrem. Wie das Jugendamt Gelsenkirchen an der Verbesserung der Situation arbeitet.
Überlastet, personell zu schwach besetzt, zu viele Stellen vakant – die Alarmsignale aus dem Gelsenkirchener Sozialbereich, aus den Kitas, insbesondere aus dem Jugendamt und dem ASD, dem Allgemeinen Städtischen Sozialdienst, waren Anfang des Jahres nicht zu überhören. Beschäftigte kritisierten in der WAZ Arbeitsüberlastung und Unterbesetzung, hohe Fallzahlen, sie sahen notwendige Hilfen für Kinder und Familien in Gefahr. Auch die Gewerkschaft Verdi warnte eindringlich vor einer dramatisch zugespitzten Lage. Die Verwaltung hat versucht, die Situation zu entspannen. Wie genau, stellte sie jetzt im Ausschuss für Kinder, Jugend und Familien vor.
Gelsenkirchen trägt nicht alleine die rote Laterne im Land
Die Arbeit in Gelsenkirchen sei schwierig, die Herausforderungen seien hoch, die Arbeit finde permanent unter Druck statt und es gebe keine Ruhepausen, räumte Jugendamtsleiter Wolfgang Schreck ein. Dies sei die Situation, aber nicht allein hier in Gelsenkirchen. „Es ist NRW-weit ein großes Problem, dass Jugendämter ihre Positionen nicht verlässlich besetzen können. Da tragen viele eine rote Laterne im Land.“
Eben auch, aber nicht nur Gelsenkirchen. Weiterhin klafften Personallücken, wie Schreck und Dezernentin Anne Heselhaus bestätigten. Immerhin: Sie werden kleiner. „Eine wirkliche Hilfestellung waren die 6,5 Verwaltungsstellen, die wir eingerichtet haben.“ Das entlaste von bürokratischen Tätigkeiten, so Heselhaus. „Das hat allen noch einmal richtigen Auftrieb gegeben.“
Personal für das Jugendamt Gelsenkirchen: Der Markt für Fachkräfte scheint leer gefegt
Im Frühjahr waren bis zu 20 Stellen im Jugendamt vakant. 51,5 von 67,5 Stellen sind, Stand Mitte August, besetzt.
„Wir arbeiten kontinuierlich daran, Vakanzen abzubauen“, machten Heselhaus und Schreck deutlich. Weitere acht Einstellungszusagen ab September liegen der Verwaltung vor. Doch darüber hinaus scheint der Markt leer gefegt. Schreck: „Es gibt keine weiteren Bewerbungen für vakante Stellen.“
Um mittelfristig potenzielle Bewerber anzusprechen, habe die Verwaltung Kontakt zu Universitäten im Umfeld aufgenommen. „Wir hoffen so, weiter Mitarbeitende zu akquirieren. Das ist für uns das A und O neben der Personalbindung.“ Zudem sei eine Kampagne in Planung, um Personal zu finden.
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Zum Stichtag 31. August, teilte die Verwaltung auf Anfrage der Grünen im Hauptausschuss mit, lag die Pro-Kopf-Fallbelastung im ASD bei 69,1 – wobei die Definition „Fall“ sich auf alle betreuten Familien bezieht und die Intervention vom niederschwelligen, einmaligen Beratungstermin bis hin zu komplexen Prozessen bei Hilfen zur Erziehung reichen kann.
Zahlen zeigen: Die Belastung der Fachkräfte in Gelsenkirchen ist enorm
Überlastungsanzeigen von Mitarbeitenden hat es 2019 insgesamt 25 gegeben, 2020 waren es vier, ein Jahr später drei, 2022 sind es bislang 17. Die Zahlen machen deutlich: Die Belastung der Fachkräfte ist schon länger immens. Doch Schreck betonte: „Wir tun alles, um sicherzustellen, dass hochsensible Pflichten wie der Kindesschutz sichergestellt werden“, der Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung werde immer gewährleistet. Beispielsweise wurde dafür die Rufbereitschaft verdoppelt, um auch an Wochenenden oder in den Nachtstunden stets handlungsbereit zu sein.
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Die schlechte Stimmung und hohe Krankenstände im ASD monierten Beschäftigte, sie klagten: „Wir löschen nur noch Brände, einen nach dem anderen. Das geht aber nicht mehr lange gut.“ Intern, glaubt Schreck, der feste Gesprächsrunden alle zwei Wochen etabliert hat und verstärkt auf Rückmeldung aus der Mitarbeiterschaft setzt, habe sich die Stimmung verbessert. Die Teams leisteten gute Arbeit. „Die Herausforderung für die Beschäftigten wird hoch bleiben. Aber wir blicken zufriedener als noch vor ein paar Wochen in die Zukunft“, betonte der Amtsleiter – und warnte zugleich: „Stand heute, gibt es keine Lösung, bei der wir sagen können: Jetzt sind wir durch.“