Gelsenkirchen. SozialarbeiterInnen des Gelsenkirchener Jugendamtes warnten vor den Folgen der Unterbesetzung des Amtes. So reagiert die Stadt auf WAZ-Artikel.

„Es ist zu viel, einfach viel zu viel. Wir löschen nur noch Brände, einen nach dem anderen. Das geht aber nicht mehr lange gut“, hatte eine aufrichtig besorgte Mitarbeiterin des Gelsenkirchener Jugendamtes im Gespräch mit der WAZ Ende März erklärt. Zusammen mit weiteren Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern hatte sie sich entschlossen, mit der Redaktion über „die Missstände im Jugendamt infolge der krassen Unterbesetzung“ zu reden, damit öffentlich wird, wie es um das Jugendamt „wirklich steht“. Nun will die Stadt reagieren.

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70 bis 90 Fälle türmen sich auf dem Tisch eines jeden Mitarbeiters. Bei den meisten „Fällen“ im Jugendamt handelt es sich um ganze Familien. Experten empfehlen eine Fallzahlgrenze für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) von 28 bis 40, eine gesetzlich festgelegte Obergrenze gibt es aber nicht. Bereits jetzt sind rund 20 Stellen im Gelsenkirchener Jugendamt vakant. „Aber selbst wenn alle Stellen besetzt wären, bräuchten wir doppelt so viele Kolleginnen und Kollegen, um den Kindern und Familien gerecht werden zu können. Das ist so frustrierend, so zerstörerisch“, berichteten die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, die aus Sorge vor persönlichen Konsequenzen durch ihren Arbeitgeber, der Stadt Gelsenkirchen, anonym bleiben wollen.

Stadt Gelsenkirchen will Maßnahmen zur Verbesserung der Situation im Jugendamt vorstellen

„Über die schwierige und teils belastende Situation im ASD und bereits eingeleitete und weitere noch einzuleitende Maßnahmen zur Verbesserung“ wollen nun am Dienstagmittag (3. Mai) Oberbürgermeisterin Karin Welge, Personaldezernent Luidger Wolterhoff, Jugenddezernentin Anne Heselhaus sowie der Leiter des Referats Erziehung und Bildung, Wolfgang Schreck informieren.

Am Nachmittag ist die „Situation im Jugendamt“ auch Thema im Jugendausschuss und steht auch auf der Agenda des Hauptausschusses am Donnerstag (5. Mai). Die Splitterpartei AUF hatte dazu einen Sachstandsbericht der Stadt gefordert und auch die Grünen haben einen Katalog mit 34 Fragen zur Lage im Jugendamt und zur Situation in den städtischen Kitas vorbereitet. Sie wollen unter anderem wissen, wie hoch der Krankenstand im ASD Gelsenkirchen im Vergleich zum Landesdurchschnitt ist, wie oft dort das Personal wechselt, ob es eine Fallbemessungsgrenze gibt, bis zu welcher Pro-Kopf-Fallbelastung der Kinderschutz in Gelsenkirchen gewährleistet werden kann und wie lange die durchschnittliche Wartezeit einer Familie auf ein Hilfsangebot durch das Jugendamt ist.

Jugendamt Gelsenkirchen: „Bisherige Maßnahmen sind unwirksam“

Die Maßnahmen, die die Stadt Gelsenkirchen bisher getroffen hatte, um „der nicht mehr auszuhaltenden Überbelastung“ entgegenzuwirken, sind aus Sicht der Mitarbeitenden jedenfalls unwirksam gewesen. So dürften Fallprotokolle inzwischen zwar stichpunktartig gemacht werden. Gerade aufgrund einer nachvollziehbaren schriftlichen Dokumentation aber würden ja etwa Gerichte Urteile sprechen. Zu viele wichtige Informationen würden in einer verknappten Dokumentation fehlen.

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Dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Gelsenkirchen darüber hinaus tariflich etwas höher eingruppiert würden als anderswo, um beim Wettbewerb um Fachkräfte zu punkten, bedeute für die Angestellten aber de facto weniger Geld als zuvor. Denn im Gegenzug hat die Stadt eine Zulage gestrichen, mit der den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern rund 100 Euro mehr netto zur Verfügung standen.