Gelsenkirchen. Die Rolling Stones begeistern bei ihrem Auftritt in Gelsenkirchen 50.000 Besucher. Eine Umfrage unter den Fans, warum sie Jagger & Co verehren.
Es gibt treue Fans, die behaupten, dass Mick Jagger einst in einen Jungbrunnen gefallen sein muss. Das stimmt aber nicht. Er hat ihn leer getrunken! Der Frontmann der Rolling Stones stolzierte beim Konzert am Mittwochabend derart grazil und energiegeladen über die Bühne, dass die Funken sprühten. Und die 50.000 Besucherinnen und Besucher in der ausverkauften Arena verneigten sich ebenso ehrfürchtig wie ausgelassen vor dem Alterspräsidenten des Rock’n’Roll.
Andere Herren in Mick Jaggers Alter spielen im Seniorenheim Bingo
Jagger ist am Dienstag beachtliche 79 geworden. Andere Herren in diesem Alter freuen sich im Seniorenheim auf die nächste Runde Bingo. Der drahtige Sänger der Stones hingegen wirft sich nach wie vor mit Verve ins gleißende Scheinwerferlicht, tanzt scheinbar federleichten Fußes über die Bühne.
Und das macht er seit 60 Jahren so. Deswegen trägt die aktuelle Tour auch den Namen „Sixty“. Gelsenkirchen stand am Mittwoch als drittletzter Tourstopp auf dem Programm. Und als Würdigung der Farben seiner fußballverrückten Gastgeberstadt trug Jagger um 20.50 Uhr bei Konzertbeginn ein eng geschnittenes Satin-Sakko im Schalke-Farbton Königsblau.
Farbenfroh ist es auch schon vorher rund um die Arena. Obwohl erst um 17 Uhr Einlass ist, treffen die ersten Fans bereits am frühen Nachmittag ein. So wie Armin Günther aus Hannover. Dieses ist das siebte Konzert seiner Lieblingsband, das er live miterlebt. „Zum ersten Mal habe ich die Stones 1982 bei uns in Hannover gesehen. Und schon damals hieß es: Das sei ihre Abschiedstour“, erzählt der großgewachsene Mann und kann sich ein Lachen nicht verkneifen. Denn heute, 40 Jahre später, treten Jagger, Keith Richards, Ronnie Wood & Co ja immer noch auf.
Zu den Stones sei er durch seinen fünf Jahre älteren Bruder Joachim gekommen, erzählt Armin Günther. „Der hat mich musikalisch auf Kurs gebracht.“ Sein Lieblingsalbum ist „Sticky Fingers“ von 1971. „Das ist einfach das vielseitigste von allen“, findet der Fan.
Fan aus Saarlouis hat 280 Stones-Alben in seiner Sammlung
280 verschiedene Stones-Alben hat Udo Schmitt in seinem Besitz, darunter zahlreiche Bootlegs. Das sind nicht-offizielle Mitschnitte von Livekonzerten. „Ich habe aber auch Japan-Importe und andere rare Pressungen“, erzählt der 56-Jährige, der aus Saarlouis im Saarland angereist ist.
Als Zwölfjähriger seien noch die Bay City Rollers sein großer Favorit gewesen. Doch auch hier sorgte ein älterer Bruder für den entscheidenden Abzweig in der musikalischen Sozialisation. „Er hat mir damals nur gesagt: Hör dir mal was Richtiges an – und hat die Stones aufgelegt. Und seitdem bin ich klebengeblieben.“
Für ihn ist dies die 29. Stones-Show. Chris Jagger, den jüngeren Bruder von Mick, hat er schon einmal bei einem Konzert kennengelernt. Und auch Bill Wyman, von 1962 bis 1993 Bassist der Stones, hat er mal persönlich getroffen. Ein Autogramm hat sich Schmitt damals aber nicht geholt. „Er stand mir Auge in Auge gegenüber. Diese Erinnerung ist mir wichtiger als alles andere.“
Kritik an hohen Eintrittspreisen
Viele Erinnerungen an ihre Jugendzeit werden auch bei Wolfgang und Marianne Koop wach, wenn sie Songs der in Ehren ergrauten Rock-Veteranen hören. Wie etwa „Satisfaction“ – bis heute das absolute Lieblingslied des Ehepaars aus Hamminkeln am Niederrhein. Die Stones spielen es dann später um 22.50 Uhr als letzte Zugabe. „Ich finde es erstaunlich, dass nicht nur so viele ältere Fans hier sind, sondern auch jüngere Generationen“, sagt Marianne Koop. Für ihren Mann sind Konzerte wie dieses „Nostalgie pur“. Was beide stört, sind die hohen Eintrittspreise: „Das ist für viele einfach zu teuer.“
Hochpreisig sind auch die Fanartikel der Rolling Stones
Hochpreisig sind bei den Stones aber nicht nur alle Tickets (im Innenraum bis zu 700 Euro), sondern auch die Fanartikel. Vor den Ständen bilden sich schon um 16 Uhr Warteschlangen. Für Tourschals werden 30, für T-Shirts je nach Aufdruck zwischen 40 und 55 Euro aufgerufen. Eine Jacke mit einer aufgenähten Stones-Zunge auf der Rückseite ist für 180 Euro zu haben. Die Fans schert diese happige Preispolitik nicht. Sie greifen beherzt zu.
Auch Josef, Domenico und Piergiorgio (alle 25) haben sich ein schwarzes Tour-Shirt zugelegt. Die drei Freunde aus dem italienischen Puglia haben auf ihrer Urlaubsreise (gestern München, morgen Amsterdam) einen Stopp in Gelsenkirchen eingelegt. „Das ist unser erstes Stones-Konzert“, erzählen sie. Und ziehen weiter zum Bierstand.
Dort steht Ralf (71). Auch er ein Stones-Fanveteran der ersten Stunde. Wie oft, glaubt er, wird er seine Lieblingsband noch live sehen können? „Och“, sagt er und schmunzelt. „Ich würde auch hingehen, wenn die mit 90 noch spielen.“
Laut einer ersten Einschätzung der Polizei Gelsenkirchen am späten Mittwochabend um 23.15 Uhr ist es vor und während des Rolling-Stones-Konzerts zu keinen nennenswerten Zwischenfällen gekommen.