Gelsenkirchen. Eigenen Strom produzieren und Geld sparen wollte ein Gelsenkirchener Mieter per Balkonkraftwerk. Wie der Streit mit dem Vermieter endete.
Stecker rein und der Strom fließt: So simpel lassen sich Solarstromanlagen für Balkone, das Carport und Haus- und Garagenwände installieren. Solche kompakten Photovoltaikanlagen mit Stecker für gewöhnliche Haushaltssteckdosen sind nicht nur für Hausbesitzer der erste Schritt zur eigenen Stromproduktion, sondern auch für Mieter. Insbesondere jetzt in Zeiten von Energieknappheit und Sparzwang – Stichwort Gasumlage. Das dachte sich auch WAZ-Leser Heinrich Bree – allerdings konnte er seinen Vermieter, die „Gemeinnützige Gelsenkirchener Wohnungsbaugesellschaft“ für sein Energiesparengagement zunächst nicht erwärmen. Doch jetzt signalisiert die GGW die Kehrtwende.
Gelsenkirchener Heinrich Bree will erster GGW-Mieter werden mit Balkonkraftwerk
„Wir werden die Installation genehmigen, wenn die noch offenen Fragen geklärt sind“, sagte Stefan Eismann, Prokurist bei der GGW. Wenn durch die Anlage das äußere Erscheinungsbild des Hauses nicht negativ beeinträchtigt sei, stünde dem Einbau und Betrieb einer solchen Mini-Anlage nichts im Wege.
Das freut GGW-Mieter Heinrich Bree „außerordentlich“. Durch die Anlage Am Bovengarten hofft der Gelsenkirchener, „150 bis 200 Euro an Stromkosten im Jahr einzusparen“. Schließlich befände man sich in einer Energiekrise und wenn selbst „die Solarstadt Gelsenkirchen solche Balkonkraftwerke mit 100 Euro fördere, dann kann an meinem Anliegen doch nicht so viel falsch und nicht genehmigungsfähig sein“, so die Argumentation des Spar-Willigen.
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„Unglücklich“ nennt jedoch die GGW die anfängliche Kommunikation zwischen beiden Parteien, per se wolle und dürfe das Wohnungsunternehmen nämlich solche energieumwandelnden Geräte nicht verbieten. Als Grund für die zunächst ablehnende Haltung nannte Eismann die Sorge um die Befestigung der Anlage. Das kann Heinrich Bree bestätigen: „Die GGW wollte sichergehen, dass die Verkehrssicherheit weiter gewährleistet bleibt, wenn ich ein solches Gerät am Balkon installiere“, erklärt der Mieter die Hintergründe. Nachdem nun klar sei, dass kein üppig frequentierter Gehweg und keine Straße ein Risiko darstellt, dürfte es bald grünes Licht geben. Bree will die Anlage schnellstmöglich installieren, er wäre damit, „der erste GGW-Mieter mit einem Mini-Stromkraftwerk am Balkon“.
Mini-Kraftwerke dürfen über höchstens 600 Watt Leistung verfügen
Kernelemente dieser Mini-Solaranlagen von der Stange sind ein oder zwei Paneele, die gemeinsam eine Leistung von höchsten 600 Watt erzeugen. Sonnenenergie wird in Gleichstrom umgewandelt, der in dem Gerät dann zu Netzstrom umgewandelt wird. Und der geht über einen gewöhnlichen Schuko-Stecker in das häusliche Stromnetz über.
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Der große Vorteil: Über die Steckdosen sind die Paneele nicht nur schnell zu errichten, wie Energieberater Nobert Mohr von der Verbraucherzentrale Gelsenkirchen weiß, sie sind auch schnell wieder abzubauen und man kann sie mitzunehmen. Daher eignen sie sich laut Mohr ebenso für Mieter wie für Haus- und Wohnungseigentümer.
Gelsenkirchener Mieterschutzbund-Anwalt rät: Zustimmung vom Vermieter einholen
„Sie sollten vor dem Aufbau den Hauseigentümer am besten schriftlich nach seiner Zustimmung fragen“, empfiehlt Rechtsanwalt Ernst Georg Tiefenbacher vom Mieterverein Gelsenkirchen. Denn dieser trägt die Verantwortung, dass seine Immobilie diese Anlage sicher trägt und Nachbarn nicht durch Blendung oder Verschattung beeinträchtigt werden.
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Tiefenbachers zweiter Tipp: Eine Kaution hinterlegen, falls die Anlage nicht nur aufgestellt wird, beispielsweise auf einem Ständer, sondern fest installiert wird am Mauerwerk oder an der Balkonbrüstung. „Das signalisiert dem Vermieter, dass er nicht auf den Kosten sitzenbleibt, um die Spuren der Befestigung unsichtbar zu machen.“
So findet man den richtigen Standort für Balkonkraftwerke: Optimal ist Südausrichtung
Die Anlagen brauchen eine Fläche auf oder am Gebäude, etwa an einem Balkon. „Um die dort einfallende Sonneneinstrahlung optimal zu nutzen, sollten die Paneele nach Süden ausgerichtet werden“, rät Energie-Experte Nobert Mohr. Für eine maximale Stromausbeute spielt zudem die Neigung der Solarmodule eine Rolle. „Zwischen 20 und 30 Grad Neigung sind optimal, und es sollte möglichst keine Verschattung geben, sonst sinkt der Stromertrag.“
So viel Geld kosten die kleinen Stecker-Solargeräte: 400 bis 800 Euro
Zwischen 400 und 800 Euro kosten die auch als Balkonkraftwerk bezeichneten Geräte, je nach Ausstattung. „Sie werden vorwiegend über Online-Shops vertrieben, in Bau- oder Heimwerkermärkten sieht man sie jedoch noch eher selten“, berichtet Mohr. Es können extra Kosten entstehen, etwa wenn es keine Schuko-Steckdose in der Nähe gibt oder wenn die Modelle spezielle Energiesteckdosen erfordern. Wo sie fehlen, müssen sie von einem Fachbetrieb gesetzt und angeschlossen werden.
Meist forderten die Netzbetreiber laut Mohr im Nachgang eine moderne Messeinrichtung, damit der Solarstrom, der nicht direkt im Haushalt verbraucht wird, störungsfrei in das allgemeine Stromnetz weitergeleitet werden kann. Die Anschaffungs- und Einbaukosten dieser Geräte tragen die Netzbetreiber.
Gut zu wissen: Die Anlagen sind weitgehend wartungsfrei und auf eine gut 20-jährige Laufzeit ausgelegt.
So viel Strom produziert ein Balkonkraftwerk: 600 Kilowattstunden im Jahr
„Eine Solarsteckeranlage erzeugt im Schnitt bis zu 600 Kilowattstunden (kWh) Strom im Jahr“, sagt Bernhard Weyres-Borchert von der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS). „Dabei ist zu beachten, dass die Ausbeute je nach Standort und örtlichen Gegebenheiten auch deutlich niedriger ausfallen kann.“ Bei einem jährlichen Stromverbrauch von im Schnitt etwa 1200 Kilowattstunden (kWh) pro Person ist das Potenzial also überschaubar. Zudem erzeugt die Anlage den Großteil des Stroms aus Sonnenenergie im Sommer, während der Ertrag im Winter eher gering bleiben dürfte.
Anlagen müssen angemeldet sein
Energieberater Nobert Mohr von der Verbraucherzentrale Gelsenkirchen weist darauf hin, dass Interessenten ein Gerät bzw. eine Anlage kaufen sollten, bei der Kabel und Stecker bereits miteinander verbunden sind – ansonsten sollte man ein Fachfirma/einen Elektriker damit beauftragen. „Dann liegt die Haftung bei der Firma, falls die Anschlüsse falsch verbunden worden sind.“
Solche Balkonkraftwerke bzw. Stecker-Solargeräte müssen angemeldet werden. Die geschieht per Eintrag ins Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur online unter www.marktstammdatenregister.de.
Bleibt die Frage: Was bedeuten diese Stecker-Solargeräte für die beschworene Energiewende, sind sie ein wichtiger Baustein? Jedes bisschen Strom aus nachhaltigen Energien tue das, meinen Verbraucherschützer wie Mohr. Doch noch spielen die Stecker-Solargeräte von der Stange bei der Energiewende keine große Rolle. Bei einer größeren Verbreitung, gerade in dicht besiedelten Ballungsräumen mit vielen Mietwohnungen wie dem Ruhrgebiet, könnte ihre Bedeutung aber zunehmen.