Gelsenkirchen. Angst vor einem kalten Heim schürt die Gaskrise bei vielen Gelsenkirchenern. Handwerksbetriebe ächzen, bei Baumärkten boomen Heiz-Alternativen.

Die nächste Hitzewelle rollt auf Deutschland zu, doch die Verbraucher haben vielfach gerade ganz anderes im Sinn als Ventilatoren und Klimageräte: nämlich Heiz-Alternativen für den Winter. Spätestens seit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck begonnen hat, die Bürger auf Verzicht durch die wachsende Gaskrise und den Ukraine-Krieg vorzubereiten, kommt es in Baumärkten fast schon wieder zu Hamsterkäufen. Und Handwerksbetriebe können sich laut Kammer kaum vor Nachfragen retten.

Baumärkte Gelsenkirchen: Kunden wollen autark sein und wappnen sich für Notfälle

Eine Baumarkt-Mitarbeiterin räumt einen Heizlüfter aus einem Regal auf einen Wagen. Die Angst vor Gas-Engpässen im kommenden Winter sorgt mitten im Sommer für einen Nachfrageboom bei Heizlüftern, Konvektorheizungen und Ölradiatoren.
Eine Baumarkt-Mitarbeiterin räumt einen Heizlüfter aus einem Regal auf einen Wagen. Die Angst vor Gas-Engpässen im kommenden Winter sorgt mitten im Sommer für einen Nachfrageboom bei Heizlüftern, Konvektorheizungen und Ölradiatoren. © dpa | Felix Hörhager

„Bei den Handwerksbetrieben stehen die Telefone kaum noch still“, berichtet Vera von Dietlein von der für Gelsenkirchen zuständigen Handwerkskammer Münster. Heiß begehrt: Installateure und Heizungsbauer, die mit Wärmepumpen, Pellet-, Holz-, Kamin- und Konvektionsöfen oder auch Solarthermie und Photovoltaik die Abhängigkeit vom mittlerweile sündhaft teuren Energieträger Gas reduzieren helfen.

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Wer sein Heim umrüsten und energiesparender werden will, wartet nach der aktuellsten Umfrage der Kammer im Durchschnitt rund 15 Wochen auf Installateure und Heizungsbauer, bei Dachdeckern (mit Zusatzqualifikation für Solaranlagen) sind es sogar rund 21 Wochen. Tendenziell dürften es nach ihrer Einschätzung mit jeder Woche fortschreitender Krise mehr werden, denn der Fachkräftemangel und die Lieferengpässe führen „zu weiteren Verschiebungen“, so von Dietlein weiter.

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Was viele nicht berücksichtigen: Selbst wenn die neue Anlage steht, kann sie mitunter nicht laufen, weil das Genehmigungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Bis zu einem halben Jahr Wartezeit kann es dauern, bis das Okay kommt.

Hoch im Kurs: Heizlüfter, Öfen, Radiatoren statt Klimageräte und Ventilatoren

Als Reaktion darauf suchen viele Verbraucher nach Alternativen. Hornbach-Sprecher Florian Preuß sagt, dass sich der Wunsch vieler Kunden, „autark und für Notfälle gewappnet zu sein“, durch das komplette Sortiment ziehe. Die Nachfrage mache selbst vor Feldbetten nicht Halt. Das zeugt von einer gewissen Hysterie und Panik wie zu Hochzeiten von Corona, als Toilettenpapier, Öl, Mehl und Wasser oftmals ausverkauft waren und der Verkauf gedeckelt wurde.

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„Brennstoffen aller Art sind stark gefragt – Holz, Gas, Pellets, Kohle – aber auch die Nachfrage nach Kaminöfen, elektrischen Heizungen, Heizlüftern und Konvektoren und ähnliche Alternativen ist seit November vergangenen Jahres stark angestiegen“, erklärt Preuß. Teilweise hätten sich lange Schlangen an der Brennholzproduktion gebildet, Pellets und Brennholz seien zeitweise ausverkauft gewesen an einigen Standorten. „Selbst jetzt in der Nebensaison ist die Nachfrage nach diesen Waren deutlich höher.“

Online-Suche: Quote bei Heizlüftern fast 100 Prozent höher

Nach Angaben des Online-Portals Vergleich.org“ lag der Ölradiator auf Platz eins der Online-Suchen. Die Suchanfragen zu diesem Produkt sind im Juni 2022 im Vergleich zum Vormonat um ganze 326,53 Prozent gestiegen. Dahinter folgt die Elektroheizung, hier wuchs das Anfrageaufkommen im Vergleich zum Vormonat um 125,15 Prozent. Auf Platz drei findet sich der Heizlüfter mit einer Quote von plus 97,44 Prozent.

Rang vier in den Suchabfragen belegt laut Portal die Infrarotheizung mit einem Suchanstieg um 90,48 Prozent. Der Pelletofen kommt mit einer Nachfragesteigerung von 25,59 Prozent auf Platz fünf.

Als „untypisch und hoch“ bezeichnet auch Toom-Sprecherin Daria Ezazi das Kaufverhalten vieler Kunden. Sie suchten vielfach nach „Radiatoren sowie Konvektionsheizungen“. Und auch Öfen aller Art seien sehr gefragt. „Hier kann es allerdings zu Lieferverzögerungen kommen“, bestätigt Ezazi die anhaltenden Lieferschwierigkeiten vieler Hersteller.

Gelsenkirchener Gartenmarkt sieht Trend: Reparatur und Wartung statt Neukauf

Der Drang zum Sparen macht sich auch anderweitig bemerkbar, wie Siegfried Joachim, Inhaber und Geschäftsführer des alteingesessenen Gartenmarktes Düsing berichtet. „Uns ist aufgefallen, dass Kunden ihre Geräte vermehrt warten und reparieren lassen, als sich etwas Neues anzuschaffen.“ Das Sortiment des Fachbetriebes reicht von Beleuchtung, Dünger, Pflanzenschutz, Erden, Gartengeräten, -häusern und Holz bis hin zu Wassertechnik und Zäunen. Ein Großteil bildet Technik, vom Rasenroboter bis zu zum Hightech-Grill.