Gelsenkirchen. Der Ansturm auf die Modellklasse zur Vorbereitung auf den Polizeidienst am Berufskolleg in Gelsenkirchen war riesig. Was die Bewerber antreibt.

31 junge Frauen und Männer zwischen 15 und 22 Jahren haben es geschafft: Seit Montag, 15. August, gehören sie zum ersten Jahrgang, in dem Heranwachsende mit mittlerem Schulabschluss auf den Polizeidienst vorbereitet werden. Zwei Jahre lang besuchen sie nun das Berufskolleg Königstraße, genauer gesagt die Außenstelle für den Bereich Wirtschaft und Verwaltung an der Augustastraße in Gelsenkirchen, um sich in Theorie und Praxis auf eine Ausbildung zum Polizisten oder zur Polizistin im gehobenen Dienst vorzubereiten.

Mehr als 5000 Schülerinnen und Schüler hatten sich um einen der landesweit 341 Plätze an elf Standorten in diesem Modellprojekt Fachoberschule Polizei beworben, mit denen mehr Menschen den Zugang zum Polizeiberuf ermöglicht werden soll. Zum Thema: Polizeikarriere mit Zwischenstation am Berufskolleg

Gehobener Polizeidienst: Aufwendiges Auswahlverfahren, kurzfristige Zusage

Gelsenkirchen ist einer von drei Standorten im Regierungsbezirk Münster, neben Recklinghausen und Münster. Die Bewerbungsfrist hatte Ende November 2021 geendet, wer die Voraussetzungen erfüllte, musste ein dreitägiges Auswahlverfahren durchlaufen. Mit Computer-Test, Assessmentrunde und Gesundheits- und Fitnesstests. Wer bestanden hatte und damit an welchem der Standorte er/ sie aufgenommen wurde, erfuhren die Bewerber erst Ende Juni. Was manchen vor Probleme stellte, wenn es einen Plan B gab, der dann noch kurzfristig abgesagt werden musste. Bei einem Bewerber betraf das eine gebührenpflichtige private Berufsschule, bei einem anderem ein Wohnortwechsel.

Das Ausbilder-Team: Lehrer Philipp Christ, EPHK Werner Wiebringhaus, Bereichsleiter Wirtschaft und Verwaltung Peter Schröder, Julia Köster und Klassenleiter Jochen Janssen.
Das Ausbilder-Team: Lehrer Philipp Christ, EPHK Werner Wiebringhaus, Bereichsleiter Wirtschaft und Verwaltung Peter Schröder, Julia Köster und Klassenleiter Jochen Janssen. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Beim erfrischend kurzen Festakt zur Einführung mit den Praxisausbildern von der Polizei, der Schul- und Bereichsleitung sowie dem Klassenleiter – ohne den Volljuristen und pädagogischen Quereinsteiger Jochen Janssen hätte Gelsenkirchen nicht alle Voraussetzungen für diese Fachoberschule erfüllt – am Montag in der Schule hatte die Klasse schon einige Ausflüge und Kennenlerntage an verschiedenen Polizeistationen hinter sich.

Das erste Treffen mit NRW-Innenminister Herbert Reul ist geplant

Im ersten Jahr – dem Jahrgang 11 – haben sie generell zwei Tage Theorie in der Schule, drei Tage Praktikum, und zwar beim Präsidium Gelsenkirchen, Essen oder Oberhausen. Im zweiten Jahr ist täglich Unterricht in der Schule, am Ende steht die Fachhochschulreife, mit der viele Berufe und Studiengänge möglich sind. „Aber unser erklärtes Ziel ist, auf die Ausbildung für den Polizeidienst vorzubereiten“, betont Bereichsleiter Peter Schröder.

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Am Mittwoch bereits trifft die Klasse NRW-Innenminister Herbert Reul bei einer Exkursion mit den Polizeiausbildern nach Wuppertal, wo technische Einheiten der Polizei vorgestellt werden, von den Tauchern bis zur Fliegerstaffel. Los geht es an dem Tag um 7.30 Uhr am Präsidium in Buer. Für manchen mit Anreise aus Lünen etwa heißt das, um halb fünf daheim losfahren.

Das Gebäude an der Augustastraße war eigentlich längst ausgemustert, sollte vor zehn Jahren durch Umstrukturierungen bei den Berufskollegs überflüssig werden. Heute ist es unter anderem Sitz des neuen dualen Vorbereitungsmodells auf den gehobenen Polizeidienst inklusive Fachabitur.
Das Gebäude an der Augustastraße war eigentlich längst ausgemustert, sollte vor zehn Jahren durch Umstrukturierungen bei den Berufskollegs überflüssig werden. Heute ist es unter anderem Sitz des neuen dualen Vorbereitungsmodells auf den gehobenen Polizeidienst inklusive Fachabitur. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Ein gutes Drittel der Klasse lebt in Gelsenkirchen, die anderen kommen aus Nachbarstädten, aber auch aus dem Münsterland und dem tiefsten Westfalen. Mehr als ein Drittel sind junge Frauen.

Polizeiausbilder Werner Wiebringhaus fragt, ob jemand zur Reiterstaffel möchte. Es heben sich keine Hände auf die Frage, aber im direkten Gespräch nach dem Festakt räumen Adriana und Laetitia, Zwillinge aus Ahaus, ein, sich das gut vorstellen zu können. Sie hatten tatsächlich von dem Modellversuch Polizeischule im heimischen Reitstall erfahren.

Nachwuchspolizisten in Gelsenkirchen: Diese Jungs wollen zum SEK

Ihre Klassenkameradinnen Marie, Meleksina und Esmanar zieht es zur Kripo, Christin hingegen möchte nicht nur im Büro sitzen, sondern „in den Wach- und Wechseldienst, auf Streife, mich kümmern, unter Leuten sein und helfen“.

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Drei der jungen Männer wollen gern zum SEK, zum Sondereinsatzkommando. Sie wissen, mit welchen Einschränkungen für das Privatleben das verbunden ist, wie hart das Training ist. Aykan möchte es trotzdem versuchen, zwei Mitschüler ebenfalls. Bei den jungen Frauen ist das SEK kein Thema; die körperlichen Voraussetzungen an Kraft und Fitness sind extrem, es hätten ja welche versucht, es aber nicht geschafft, erzählt man sich.

Nachwuchs gewinnen

Mit dem Modellversuch versucht das Innenministerium NRW, mehr qualifizierten Nachwuchs für den Polizeidienst zu gewinnen. Auch hier rollt bald die Pensionierungswelle und es herrscht Personalnot.

Die zweijährige duale Ausbildung ist gebührenfrei, aber auch unbezahlt. Fahrkostenerstattung und Bafög sind bei Erfüllen der Voraussetzungen möglich.