Gelsenkirchen. Zu Wasser oder in der Luft: Gelsenkirchens Feuerwehr nutzt einen Hightech-Quadrokopter. Wofür die Männer die Drohne brauchen – und was sie kann.

Als Hollywoodstar Roy Scheider („Der weiße Hai“) als Officer Frank Murphy Anfang der 1980er-Jahre in „Das fliegende Auge“ Schurken reihenweise zur Strecke brachte, hatte er seinen Erfolg einem futuristischen Hightech-Helikopter und seinem Geschick als Pilot zu verdanken. Wer nicht damals schon zum Geek, zum neidischen Technik-Fan geworden ist, dürfte es spätestens beim M300 sein: dem Quadrokopter der Gelsenkirchener Feuerwehr.

Gelsenkirchener Feuerwehrmänner Heiko Goswin und Jan Bahl über das Fliegen des Hightech-Quadrokopters: „Der geilste Job der Welt“

Neider sind Heiko Goswin (26) und Jan Bahl (29) sicher, und zwar viele. Zwar steuern sie keinen Kampfhubschrauber mit furchteinflößender 20-Millimeter-Gatling-Kanone wie im Film, aber dafür mit acht weiteren speziell ausgebildeten Kollegen des freiwilligen Löschzugs Erle-Süd einen nicht minder üppig ausgestatteten Hightech-Goliath mit Rotoren. Das Duo bildet praktisch Auge und Ohr des über 30.000 Euro teuren Fluggerätes. Heißt: Einer ist der Pilot, der andere der Kamera-Operator, der den Piloten über die Bilder anweist, wie sich die Drohne positionieren soll. Ein Männertraum, oder wie der gelernte Straßenwärter und Servicetechniker sagt: „Der geilste Job der Welt.“

Jan Bahl (l., 29) und Heiko Goswin (r., 26) zusammen mit Löschzugführer Marco Strey (42, Mitte) im Nordsternpark in Gelsenkirchen. Vor ihnen schwebt der Quadrokopter der Feuerwehr, eine Hightech-Drohne, die weit über 30.000 Euro kostet und über zahlreiche technische Gimmicks verfügt.
Jan Bahl (l., 29) und Heiko Goswin (r., 26) zusammen mit Löschzugführer Marco Strey (42, Mitte) im Nordsternpark in Gelsenkirchen. Vor ihnen schwebt der Quadrokopter der Feuerwehr, eine Hightech-Drohne, die weit über 30.000 Euro kostet und über zahlreiche technische Gimmicks verfügt. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Mit einem bienenschwarmähnlichen Sirren steigt der vergleichsweise kleine und etwas mehr als ein Kilogramm schwere Flieger des WAZ-Fotografen in die Luft, um die riesige Schwester der Feuerwehr in der Höhe abzulichten. Demnach wäre das maximal neun Kilogramm schwere Fluggerät der Retter eine Hornisse, deren vier zornig brummende Rotoren von kraftstrotzender Arbeitsbereitschaft künden.

Gelsenkirchener Feuerwehr-Drohne: 80 Stundenkilometer schnell, 20 Megapixel-Kamera mit Superzoom, Lasermessgerät und Infrarotsensor

Letzteres ist wörtlich zu nehmen. Marco Strey, der Löschzugführer der Retter aus dem Emscherbruch, weiß um die vielen technischen Finessen des „Arbeitstieres“ bestens Bescheid: „Über 80 Stundenkilometer schnell, 5000 Meter Flughöhe, 55 Minuten Flugzeit, aktive Sensor-Hindernisserkennung, 1200 Meter Laserentfernungsmesser, 12 Megapixel Weitwinkel- und 20 Megapixel Zoomkamera und dazu noch eine Wärmebildkamera, 200-facher Zoom (davon 80-fach mechanisch), LED-Suchscheinwerfer mit einer Ausleuchtung von 350 Quadratmetern aus einer Höhe von 100 Metern und und und.“ Die Liste würde für mehrere Quartette reichen, um die Konkurrenz per „Stich“ ziemlich alt aussehen zu lassen.

Wie zum Beweis zoomt Kamera-Operator Jan Bahl auf ein vorbeifahrendes Lastschiff, an dessen Deck ein Mann an der Reling steht. Schnell wird klar, dass er mit seinen Fingern nicht den Tiefgang des Rhein-Herne-Kanals mit auslotet, sondern die Atemwege in seinem Gesicht.

Das Amphitheater in Gelsenkirchen mit dem Rhein-Herne-Kanal aus der Drohnen-Perspektive über dem Nordsternpark aufgenommen.
Das Amphitheater in Gelsenkirchen mit dem Rhein-Herne-Kanal aus der Drohnen-Perspektive über dem Nordsternpark aufgenommen. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Wenn Bahl, Goswin und Co. ausrücken, dann ist es natürlich kein Spiel, sondern in der Regel bitterer Ernst. So wie zum Beispiel Ende Februar dieses Jahres, als in Ückendorf eine Kerzenfabrik lichterloh brannte. Bei dem Großeinsatz waren die Fähigkeiten der Drohne stark gefragt. „Aus der Luft haben wir Zugriffswege für die Löschtrupps erfasst, mit der Wärmebildkamera den Brandherd lokalisiert und später, als das Feuer unter Kontrolle war, übriggebliebene Glutnester ausfindig gemacht“, erinnert sich Marco Strey an eine Bewährungsprobe für sein Team, seit Mitte 2016 die erste kleine Drohne angeschafft wurde.

Viele weitere Quadrokopter-Einsätze sind seither hinzugekommen: Etwa die Suche nach dem ausgebüchsten Luchs Findus aus der Zoom-Erlebniswelt, die weit über die Grenzen Gelsenkirchens Schlagzeilen gemacht hat.

So sieht die Wärmebildkamera des Quadrokopters der Gelsenkirchener Amphitheater und den Kanal. Die Hitzesignaturen leuchten. Gut zu erkennen: das detaillierte Umgebungsprofil.
So sieht die Wärmebildkamera des Quadrokopters der Gelsenkirchener Amphitheater und den Kanal. Die Hitzesignaturen leuchten. Gut zu erkennen: das detaillierte Umgebungsprofil. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Den Umgang mit Joysticks und Apps auf den beiden Fernbedienungen müssen die zwei Mann starken Drohnen-Crews der Feuerwehr im Schlaf beherrschen – neben jeder Menge Vorschriften im Flugrecht und Fachwissen in Wetterkunde. Deshalb wird mindestens einmal im Monat geübt, meist noch darüber hinaus an Wochenenden. „Wir trainieren mit dem Kopter auf Feldern in Resse“, erzählen Jan Bahl und Heiko Goswin. Auch durch die leere Emscher-Lippe-Halle haben sie die Drohne schon düsen lassen. „Zum Test der Abstandssensoren – erkennen die Fühler ein Hindernis, so bremst der Kopter ab, um einen Zusammenstoß zu vermeiden.“

Industriegelände wie die BP-Raffinerie sind tabu fürs Training

Industriegelände wie die BP-Raffinerie sind aber tabu fürs Training. Zu groß das Risiko, durch einen Flug-Fehler die technischen Abläufe zu stören, auch wollen die Feuerwehrleute Vorbild sein: Schließlich haben viele Menschen sich Drohnen zugelegt, meist wesentlich kleinere und leichtere (unter 250 Gramm), die ohne Drohnenführerschein geflogen werden dürfen. „Sensible Bereiche sind für uns außerhalb eines Einsatzes tabu“, liefert Marco Strey die Erklärung dafür prompt nach (siehe Info-Box).

Wir taggen GElsen: Videos und Bilder aus Gelsenkirchen finden Sie auch auf unserem Instagram-Kanal GEtaggt. Oder besuchen Sie die WAZ Gelsenkirchen auf Facebook.

Im Ernstfall würde die Gesetzeslage den Rettern sogar erlauben, „den Quadrokopter im Blindflug einzusetzen, in der Regel fliegen wir aber auf Sicht“, so Strey weiter.

Auch die Polizei Gelsenkirchen rüstet mit Quadrokopter auf für die Verbrecherjagd

Voll ausgerüstet bringt es der Feuerwehr-Quadrokopter auf stolze neun Kilogramm. Über 80 Stundenkilometer ist er schnell, kann auf 5000 Meter Höhe steigen.
Voll ausgerüstet bringt es der Feuerwehr-Quadrokopter auf stolze neun Kilogramm. Über 80 Stundenkilometer ist er schnell, kann auf 5000 Meter Höhe steigen. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Der Quadrokopter deckt dank seiner Wärmebildkamera nicht nur versteckte Brände auf, sondern liefert durch das farblich abgestufte Umgebungsprofil auch deutliche Hinweise auf die Wärme von Personen, Tieren oder sonstigen Gegenständen und Gerätschaften. Die Drohne liefert dazu ein Livebild, das zur Dokumentation aber auch aufgezeichnet werden kann. Neben dem Bildschirm des Handgerätes können die Bilder der Drohne auch direkt auf die Monitore des Einsatzleitwagens aufgespielt werden.

Insbesondere bei der Suche nach Personen – auf der Flucht oder in Gefahr, weil auf Bahngleisen beispielsweise – spielt der Helfer in luftiger Höhe eine immer tragendere Rolle. Denn das fliegende Auge besitzt eine Zielverfolgung. Einmal im Visier, lässt es das Objekt nicht mehr aus dem Fokus. Deshalb hat auch die Polizei Gelsenkirchen sich einen Quadrokopter zugelegt.

Mit der Home-Funktion kommt die Drohne allein zum Startort zurück

Auf Knopfdruck (Home-Funktion) kehrt die fliegende Kamera automatisch zum Startort zurück – brummend wie beim Start, ihre Rotoren blasen Jan Bahl und Heiko Goswin angenehm viel kühlen Wind in die schwitzenden Gesichter in der prallen Sonne. Allein zurück findet der Quadrokopter auch, wenn er einmal die Funkverbindung zur Fernbedienung verlieren sollte. Dürfte selten der Fall sein bei verbriefter Reichweite von 15 Kilometern.

Nach einer Minute ist die M300 im schwarzen Schutzkoffer und im Feuerwehrfahrzeug verstaut. Polizeidiensthunde bekommen nach einem erfolgreichen Einsatz zumindest eine Belohnung, die genügsame Drohne begnügt sich damit, dass ihre Akkus an die Steckdose kommen.