Gelsenkirchen. Die Clearingstelle hilft Zuwanderern, Deutschen und Flüchtlingen ohne Krankenversicherung in Gelsenkirchen. Die Landesförderung läuft 2023 aus.
Die beim Diakoniewerk Gelsenkirchen und Wattenscheid angesiedelte Clearingstelle für Menschen ohne oder mit ungeklärtem Krankenversicherungsschutz ist bis Ende März 2023 finanziell abgesichert. Was danach geschieht, ist unklar. Bei der Stelle finden überwiegend Zuwanderer aus Südosteuropa, aber auch deutsche Staatsbürger, die etwa wegen Beitragsrückständen nicht krankenversichert sind sowie Flüchtlinge Unterstützung. Das bislang vom Land geförderte Projekt soll laut NRW-Gesundheitsministerium als solches im Frühjahr 2023 auslaufen. Bis dahin sollen „gemeinsam mit den Trägern und Kommunen ‘sinnvolle Entwicklungsbedarfe’ ermittelt sowie mögliche alternative Finanzierungsmodelle entwickelt werden.“
Land will Projektförderung zum Frühjahr 2023 beenden
Laut Koalitionsvereinbarung sollen „bestehende Beratungsangebote der Clearingstellen zur gesundheitlichen Versorgung von Menschen aus Nicht-EU-Ländern ohne Papiere oder Versicherungsschutz verstetigt und unter Einbeziehung virtueller Instrumente das Know-how in die Fläche gebracht werden“, heißt es aus dem Ministerium. [Zum Thema: Zuwanderung aus EU-Ost: Die Brückenbauer]
Gute Zusammenarbeit mit Wohlfahrtsverbänden, Ärzten, Kliniken und städtischen Stellen
Heike Lorenz, Einrichtungsleiterin des Diakoniewerkes Gelsenkirchen und Wattenscheid e.V. und damit auch für die Clearingstelle verantwortlich, ist entsetzt. Und vermutet: „Das läuft dann auf Kostenübernahme durch die Kommunen hinaus, deren Finanzsituation ja bekannt ist. Es gibt fünf Clearingstellen in NRW, aber nicht überall ist die Situation so wie hier. Münster und Köln können das sicher stemmen und haben anderen Bedarf als Dortmund, Duisburg und wir“.
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„Die Kooperation mit den Wohlfahrtsverbänden, aber auch mit den städtischen Stellen vom Integrationsbereich des Herrn Gerwin über Frau Heselhaus bis hin zum Gesundheitsamt und den Kliniken funktioniert bestens. Die Awo stellt die Sprachmittler, die im Kontakt mit Zuwanderern aus EU-Ost helfen, die ihre Klientel auch gut kennen. Das System ist wirklich eingespielt und effizient. Das wäre fatal, wenn das aufgegeben würde“, betont Heike Lorenz. Und zwar auch für das Miteinander in den Quartieren, fürchtet sie.
Erfolgsquote bei 90 Prozent
Der Beratungsbedarf für Zuwanderer und in Not geratene Deutsche sei sehr hoch, die Erfolgsquote, also der Anteil der Fälle, in denen eine Krankenversicherung vermittelt werden könne, liege bei 90 Prozent. Erst bei der letzten Verlängerung hatte es eine Erweiterung der Klientengruppe gegeben auf „alle, die es nötig haben.“ Auch wenn angemeldete ukrainische Flüchtlinge das Recht auf Krankenversicherung hätten, gebe es hohen Beratungsbedarf. Das gelte auch für in Not geratene deutsche Bürger, so Lorenz. [Zum Thema: Gelsenkirchen:Hier erhalten ukrainische Flüchtlinge Informationen]
Beratung im Lockdown aus dem Fenster heraus
1200 mal geholfen Verzweifelten
Die Gelsenkirchener Clearingstelle wurde vom Land im Jahr 2020 mit 140.000 Euro gefördert, im vergangenen Jahr mit 143.00 Euro. Für 2022 wurden laut Diakonischem Werk erst 107.000 Euro bewilligt, es wird jedoch mit einem „Nachschlag“ gerechnet.
Rund 1200 Fälle – auch von ganzen Familien – werden im Jahr von der Stelle geklärt, rund 2400 Beratungen werden durchschnittlich im Jahr von dem kleinen Team durchgeführt.
Die Mitarbeiterinnen der Clearingstelle haben auf das Projekt bezogene Arbeitsverträge. Für die Arbeit in der Clearingstelle wurden eigens eine Sozialversicherungsfachangestellte und eine Juristin in Teilzeit angestellt. „Es ist im Augenblick nicht absehbar, wo sie weiter beschäftigt werden könnten. Wir haben damals extra keine Sozialarbeiterinnen angestellt, sondern Fachkräfte aus dem Bereich Krankenversicherung. Es würde in Gelsenkirchen eine nicht zu füllende Lücke bedeuten, sie zu verlieren“, betont Lorenz. Das gelte auch für die Sprachmittler der Awo.
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Die Clearingstelle ist in einem ehemaligen Café an der Bronnerstraße 13 untergebracht. „Wir haben auch in der Coronazeit weiterberaten, haben im Lockdown teilweise aus dem Fenster heraus die Beratung durchgeführt oder notwendige Unterlagen entgegengenommen, um die Menschen nicht allein zu lassen“, erzählt Lorenz.
Viel beigetragen zum Frieden in den Quartieren
„Es wurden viele Fehler gemacht in der Vergangenheit bei der Integration, aber gerade die Clearingstelle hat viel beigetragen zum Frieden in den Quartieren. Wenn wir das nicht mehr machen, bleiben soziale und gesundheitliche Probleme unbehandelt. Das wird Bürger, Ärzte und Kliniken, deren Sozialdienste wir auch sehr entlasten, schwer treffen“, ist Lorenz sicher. [Lesen Sie auch:Duisburg: Sorge um Menschen ohne Krankenversicherung]
Dezernentin: Das Angebot auf jeden Fall verstetigen – möglichst mit dem Land
Gesundheitsdezernentin Andrea Henze ist weniger pessimistisch. „Wir möchten das Angebot der Clearingstelle auf jeden Fall aufrechterhalten und verstetigen. Das Land hat uns schon für Ende August/ Anfang September eingeladen, um miteinander darüber zu beraten. Die Clearingstelle ist ein sehr wichtiger Baustein in der Gesundheitsversorgung, eine wichtige Schaltstelle. Für die Verstetigung wollen wir alle bisherigen Kooperationspartner mit ins Boot holen, möglichst auch die Kliniken. Und natürlich wollen wir auch versuchen, das Land an Bord zu halten“, versichert sie. Dass es dennoch denkbar sei, dass die Arbeit künftig nicht in der gleichen Organisationsform weiterlaufen werden, sei jedoch „nicht von der Hand zu weisen.“
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