Gelsenkirchen-Erle. Beim Bäcker Malzers in Gelsenkirchen arbeiten zwei Generationen an der Firmenzukunft. Das ist Hans-Joachim und Christian Scherpel dabei wichtig.
- 1901 gründeten die Scherpels ihre Bäckerei, daraus wurde ein Großbetrieb in Gelsenkirchen
- Inhaber Hans-Joachim und sein Sohn Christian Scherpel haben beide früh Verantwortung übernommen
- Nun arbeiten sie daran, Malzers Backstube mit 150 Filialen „enkelfähig“ aufzustellen
Früh Verantwortung zu übernehmen, das ist bei den Scherpels Familiensache – und bei ihrer Malzers Backstube ein Stück weit auch Firmenphilosophie. „Wenn ich Karriere machen und eine Führungsrolle übernehmen will, habe ich im Handwerk gute Chancen. Hier kommt man relativ schnell zur Entfaltung, zu Verantwortung, zu Geld“, sagt Hans Joachim Scherpel. Grundvoraussetzung für ihn ist, „dass junge Leute gestalten wollen, dass sie Ideen haben. Das Know-how lernt man.“
Scherpel ist Inhaber, Geschäftsführer und Familienunternehmer in vierter Generation. Was für die eigenen Nachwuchskräfte in Malzers Backstube gilt, trifft auch für Vater Hans-Joachim (60) und seinen Sohn Christian (29) zu. Hans-Joachim wurde mit 24 sein eigener Chef, Christian trat 2016, als Bäcker in fünfter Generation, in die Geschäftsführung ein. Zusammen sind sie am Firmensitz an der Ulrichstraße Chefs für 2800 Beschäftigte in der „Backstube“, der Verwaltung und 150 Filialen.
Gelsenkirchener Familienunternehmen besteht seit 1901
„Schön am Bäckerhandwerk ist, dass man jede Nacht neu anfängt und schnell ein Ergebnis seiner täglichen Arbeit zur Hand hat. Es ist faszinierend, was man aus Mehl, Hefe und Wasser Genussvolles zaubern kann“, da sind sich Vater und Sohn einig. Und auch diese Einschätzung teilen sie: „Wir waren und wir sind Handwerk“ – nur eben im etwas größeren Stil.
Back-Handwerk in größerem Stil bei Malzers in Erle
Für den Fototermin mit der WAZ geht es hinaus aus dem Besprechungsraum im Obergeschoss durch den langen Flur auf den Hof, vorbei an etlichen Büros, vorbei an Fotogalerien mit fröhlichen Auszubildenden und Auszeichnungen. Lauter Zeugnisse des Erfolgs: Top-Ausbildungsbetrieb und -Arbeitgeber ist Malzers, für die Ausstattung der Filialen gab es einen Designpreis, im Februar schließlich den 1. Platz als bester Filialbäcker Deutschlands.
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Der Gebäudetrakt ist seit dem Neubau 1993 enorm gewachsen. An einer Flanke steht der jüngste Ergänzungsbau: ein großer Tank. Malzers hat seine Brauchwasseraufbereitung optimiert – nur eine von zig Baustellen, seit Hans-Joachim Scherpel 1986 die Regie übernahm. Der Senior hat den Standort gebaut und auf 25.000 Quadratmeter Grundfläche ausgebaut. Neben der Wasseraufbereitung, dem vorerst letzten Groß-Projekt, wurden in der Vergangenheit die Photovoltaikanlage, das Blockheizkraftwerk oder ein Tiefkühlhaus mit Platz für 800 Euro-Paletten realisiert.
Start in die Selbstständigkeit mit drei Filialen 1986
Als Hans-Joachim Scherpel 1986 einstieg, war Malzers ein kleiner Filialbäcker mit gerade einmal drei Standorten und Detlef Malzer als Pächter. Der Name Malzer blieb, rundum hat sich alles geändert. „Auf den Tag genau 24 Jahre alt“ war Hans Joachim, als er in die Chefrolle kam. Nach Ausbildung, „Wanderschaft“ und Meisterprüfung übernahm er im elterlichen Betrieb eine Führungsrolle. Die Geschichte wiederholt sich. Mit Bäcker-Ausbildung, Meisterbrief und Wirtschafts-Studienabschluss wurde Christian Scherpel, gerade 26 Jahre jung, Geschäftsführer.
Bäcker-Ausbildung, Meisterbrief und Studienabschluss
Wie sein Vater mag auch er diesen besonderen Geruch, der die Backstube umzieht, diese Melange aus Röstaromen und Hefe, Mehl, diese Spur von Gewürzen. „Ich liebe dieses Produkt. Wir erzeugen Genussmittel“, sagt Christian Scherpel.
Den Betrieb auf diese Größe zu bringen, „dieses Wachstum – das war eine Riesenleistung“, zollt der Sohn dem Vater Respekt. „Jetzt stehen wir vor der Herausforderung, wie es weitergehen soll, welche Schwerpunkte wir setzen wollen. Wir spielen uns dabei die Bälle zu“, sagt Christian Scherpel. „Wenn das nicht so wäre, würden wir uns nicht so vorwärts bewegen können.“
Die Beschwernisse und Nachwirkungen der Corona-Zeit, der Preisschock bei Energie und Rohstoffen, die deutliche Erhöhung der Stundensätze als Reaktion auf den Mindestlohn – all dass beschäftigt das Duo gemeinsam. Was sie darüber hinaus verbindet, ist, „dass wir beide am Thema Brot Spaß haben. Dass wir das entwickeln und verbessern wollen. Ich bin absolut glücklich, dass ich so einen Nachfolger habe und die nächste Generation so ruhig und qualifiziert da ist“, sagt Hans-Joachim Scherpel. „Wir teilen uns die Arbeit und ergänzen uns. Jeder hat sein Gebiet.“ Das von Sohn Christian ist vor allem der Bereich Digitalisierung, Marketing, neue Geschäftsfelder.
Filialen im Umkreis von rund 50 Kilometern um den Firmensitz
„Das Ruhrgebiet ist unsere Heimat. Hier kennen wir die Kunden. Und die Kunden kennen uns“, sagt der 29-Jährige. Im Radius von rund 50 Kilometern um den Firmensitz in Erle hat Malzers sein Filialnetz aufgebaut. Um die 150, so Hans-Joachim Scherpel, sei „eine gute Betriebsgröße. Wir werden sicher nicht auf 200 oder 300 Läden gehen. In diesem Bereich leben fünf Millionen Menschen. Wer da nicht glücklich wird“, habe sein Geschäft schlecht aufgestellt. Außerdem käme die Liefer-Logistik bei weiteren Strecken an ihre Grenzen. „Ich sage immer: Wenn die Sahnetorte über den zehnten Bahnübergang gefahren wird, wird sie nicht besser.“
Eine gewisse Betriebsgröße hat aus Sicht der Scherpels allerdings klare Vorteile: Beim Einkauf, bei der Produktentwicklung, der Lebensmittelsicherheit durch Analysen und Laboruntersuchungen – und sie helfe bei der Ausbildung. „Wir können hundert jungen Leuten eine Ausbildung bieten, sie auch entsprechend betreuen und qualifizieren“, betonen die Scherpels.
Das erste Enkelbrot steht für das Thema Nachhaltigkeit
Ihren Blick richten beide weit in die Zukunft. Die „Enkelfähigkeit“ wurde als Leitmotiv kreiert, letztlich geht es um Nachhaltigkeit, um Regionalität. „85 Prozent unserer Kosten und Ausgaben bleiben in NRW“, hier arbeiten die Scherpels mit Getreide- und Obstbauern zusammen. „Als Unternehmen wollen wir uns so aufstellen, dass auch die Enkel unserer Mitarbeiter hier eine Arbeit haben und wir das Geschäft weiterführen mit der fünften und sechsten Generation.“ Dazu passt für Christian Scherpel, dass Malzers – vom Feld bis zur Filiale – sein „erstes klimaneutrales Brot“ backt. „Wir nennen es Enkelbrot. Gebacken wird es mit Broten aus der Überproduktion vom Vortag. Wir sagen: Lasst uns den Broten ein zweites Leben geben. So setzen wir uns für den sparsamen Umgang mit Ressourcen ein. Ich finde, es ist das richtige Brot für diese Zeit.“
Viele Stufen bis zur Marktreife in den 150 Filialen
Man lernt vom Markt, wissen Vater und Sohn. Doch manchmal ist man dem Markt voraus und einfach zu früh. „Das haben wir an unserem Dinkelsortiment gemerkt. Von dem waren wir überzeugt. Aber wir mussten warten, bis die Stunde dafür geschlagen hat. Das war dann so vor gut zwei Jahren der Fall“, sagt Christian Scherpel.
Was beide noch verbindet? Wohl der Start in den Arbeitstag. „Wir sind nicht mehr vor dem Ofen. Aber die erste Stunde morgens sind wir in der Backstube. Mindestens die erste. Wir sehen unsere Mitarbeiter, sprechen mit ihnen“, sagt Christian Scherpel. „Und wir probieren jeden Tag unsere Produkte“. 120 sind es in der Regel, die verkostet und bewertet werden. „Das ist bei uns eine Tradition, die ich schon geerbt habe“, sagt der 60-Jährige. „Wir treffen jeden Morgen gemeinsam die Entscheidung: Ist das gut so oder müssen wir was ändern? Das ist Qualitätskontrolle hautnah.“
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Früher ist an Neuerungen in den Verkaufsregalen gelandet, was „der Betriebsleiter und ich mochten“, sagt Hans-Joachim Scherpel. Bis zu 800 verschiedene Artikel werden im Jahresverlauf bei Malzers produziert. Heute durchlaufen sie etliche Stationen bis zur Marktreife, darunter zehn Testläden, aber auch Verkostungen in der Verwaltung. „Jede Verkäuferin, jeder Mitarbeiter entscheidet mit“, sagt Hans Joachim Scherpel. Der Weg ist länger geworden. Und demokratischer.
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