Gelsenkirchen. Energie, Lohn, Rohstoffe: Der Kostendruck für Gelsenkirchener Großbäcker ist enorm. So bewertet die Branche die Lage, das kommt auf Kunden zu.
- Rohstoffpreise, Energie- und Lohnkosten: Die Bäcker in Gelsenkirchen stehen dreifach unter Druck
- Bei den Preisen für Brot und Brötchen ist „noch nicht abzusehen, wohin die Reise geht“
- Gelsenkirchener Bäcker sind sich einig: So eine Situation haben sie bisher nicht erlebt
- Betreibe erhalten trotz laufender Kontrakte keine Ware – bei Sonnenblumenkernen wird’s knapp
Die Getreidepreise – klar, sie sind ein Thema in der Bäcker-Branche. Und sie werden wohl Auswirkungen auf die Verbraucher haben. Aber letztlich sind sie nur Teil einer durch den Krieg in der Ukraine befeuerten Gesamtentwicklung, die für manche Firmen „zu existenziellen Fragen führen werden“, glaubt Thomas Gill, Geschäftsführer der Bäckerei Prünte. Über 20 Tonnen Brot pro Tag werden in Heßler produziert. Da sind die Kosten für Weizen, Roggen, Dinkel und Co. nur ein Part auf der großen Rechnung. Ebenso zu Buche schlagen steigende Energie- und Spritpreise, ebenso die Lohnkosten. Die Lage habe sich zugespitzt, findet Gill: „Da bricht gerade so ein Damm.“ Weiteres Thema:Gelsenkirchener Großbäckerei Prünte setzt auf „B. just bread“
Gelsenkirchener Bäcker beschäftigen steigende Rohstoff-, Energie- und Lohnkosten
Den Dreisatz aus Rohstoffpreisen, Energie- und (künftig zwölf Euro) Mindestlohn machen auch Christian Leben für die Stadtbäckerei Gatenbröcker und Christian Zipper für seine acht Filialbetriebe auf. „Wir liegen über dem Mindestlohn. Aber klar ist auch, dass wir künftig was machen müssen, um attraktiv zu bleiben.“ 60 Filialen mit 750 Beschäftigten betreibt Gatenbröcker – und da beschäftigen Leben natürlich auch die Strom- und Dieselkosten. Der Geschäftsführer spricht von einer „ganz schwierigen Lage, die uns logischerweise trifft“, sagt aber auch: „Im Moment ist noch nicht abzusehen, wohin die Reise geht.“
Bei Gatenbröcker ist man jedenfalls bemüht, die Preisentwicklung „im Grundversorgungsbereich im Rahmen zu halten“, so Leben. „Die Frage ist ja, wie man beim Brötchen was machen kann“. Das kostet derzeit 40 Cent. Viel Spielraum bleibt da kaum nach oben. Für Leben wie Zipper gelte es „mit Augenmaß die Produkte zu finden“, bei denen eher etwas am Preis verändert werden kann, „beispielsweise Torten oder Bäckereisnacks“. Lesen Sie auch: Bäckereien Gatenbröcker und Zipper arbeiten an einer Fusion
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Dienstagvormittag hat Thomas Gill einige Stunden am Telefon verbracht und verhandelt. „Das ist das dringendste Thema, das wir derzeit haben“, sagt der Prünte-Geschäftsführer. „Bei unserem Hauptrohstoff Getreide sind die Entwicklungen wirklich dramatisch. Das geht bis zu einer Verdoppelung der Preise gegenüber Ende 2020.“ Gills nächste Sorge: In der Regel schließt Prünte Lieferkontrakte für einen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten ab. Einige Kontrakte laufen in Kürze aus – und es sind gerade äußerst schlechte Zeiten, um neue zu verhandeln. Gill, Traditionsbäcker in sechster Generation und spezialisiert auf Spezialitäten wie Pumpernickel, Vollkorn- und Saatenbrote, ordnet die Lage geradezu als historisch ein: „So eine Situation haben wir seit 1945 nicht gehabt.“ Lesen Sie auch: Mit viel Zeit produziert man bei Prünte guten Geschmack
Der Malzers Geschäftsführer registriert enorme Marktverwerfungen
Bei Malzers Backstube an der Ulrichstraße in Erle – mit rund 2800 Beschäftigten eine nationale Branchengröße – wird für über 150 Filialbäckereien zwischen Bergkamen und Moers, Haltern und Witten produziert. Auch Geschäftsführer Christian Scherpel registriert Marktverwerfungen, „die wir in diesem Ausmaß das erste Mal erleben“. Normalerweise sei der Rohstoffbedarf „für das ganze Jahr abgesichert. Doch drauf können wir uns derzeit nicht mehr verlassen.“
Das klassische Brötchen kostet bei Malzers 38 Cent. Dabei soll es so lange wie möglich bleiben. „Wir versuchen, Preiserhöhungen möglichst weit rauszuschieben“, sagt Scherpel.
Gelsenkirchener Großbäcker beziehen ihr Getreide vornehmlich aus der Region
Auch wenn Prünte wie auch die Großbäcker Gatenbröcker oder Malzers in Erle ihr Getreide vornehmlich von deutschen Landwirten (Scherpel: „regional, mit kurzen Wegen, das ist einfach logisch“) beziehen, heißt das nicht, dass sie nicht von der Entwicklung in Russland und der Ukraine massiv betroffen wären. Getreide wie Weizen ist ein international gehandeltes Produkt. Durch die weltweite Nachfrage, schätzt Gill, würden die Preise so nach oben gehen, „dass der deutsche Markt leergezogen wird“. Auch Scherpel sieht „kein direktes Versorgungsproblem, sondern ein massives Preisthema“.
Der Prünte-Chef schätzt: Brot wird im Handel mindestens zehn Prozent teurer
Was das für Verbraucher bedeutet? Zumindest für Gill steht fest: „Brot wird in den nächsten Wochen teurer.“ Als Produzent sei er gezwungen, die Preise weiterzugeben. „Im Handel treffen wir dabei derzeit auf großes Verständnis, der macht letzten Endes auch die Preise. Wie die Kalkulation letztlich ausgeht, ist noch ein Stück weit spekulativ.“ Gill schätzt, dass der Brot-Preis bis zu zehn oder 20 Prozent steigen könnte.
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Auch andere Zutaten werden knapp. Beispielsweise Sonnenblumenkerne oder Leinsamen. Die Ukraine oder Kasachstan sind hier die Haupt-Anbauländer. Feste Lieferverträge hat der Prünte-Chef hier durchaus, aber ein Problem: „Was hilft mir das, wenn die nicht erfüllt werden und ich die Ware nur auf dem Papier habe?“ Plötzlich gänzlich leer gefegt ist der Markt natürlich nicht: Auch in Zukunft, sagt Christian Scherpel, werde es selbstverständlich „das Kürbis- oder Sonneblumenkernbrötchen bei uns geben“.