Gelsenkirchen. Die Stadt Gelsenkirchen will die Entsiegelung von Steingärten weiter fördern. Und sie soll prüfen: Darf sie härter gegen Schottergärten vorgehen?
Die Stadt will den Rückbau von Schotter- und Steingärten möglichst auch über das Jahr 2021 hinaus fördern. Gelsenkirchener, die ihren Vorgarten in ein Insekten- und Blumenparadies verwandeln wollen, müssen dies also voraussichtlich auch dann nicht ganz aus eigener Tasche zahlen, wenn ein aktuelles Förderprogramm zur Entsiegelung von Gartenflächen am 31. Oktober 2021 ausläuft. Das ist eines der Ergebnisse des vergangenen Umweltausschusses, bei dem ein Verbotvon Steingärten auf der Tagesordnung stand.
Wobei die Wähler Initiative NRW (WIN) zunächst zugab, dass das von ihr beantragte Verbot jener „Steinwüsten“ (wir berichteten) eigentlich gar nicht so gemeint war. Stattdessen gehe es viel mehr um eine „konsequente Anwendung der Landesbauordnung“, wie Fraktionsgeschäftsführer Ali-Riza Akyol betonte.
Der Hintergrund: Das Landesbaurecht sieht längst vor, dass Grundstücke „zu bepflanzen“ und „wasseraufnahmefähig“ zu gestalten sind - was bei Schottergärten natürlich nicht der Fall wäre. Die Stadt hätte demnach also rechtlich durchaus die Möglichkeit gegen jene Gärten vorzugehen. [Lesen Sie auch: Land NRW will strenger gegen Schottergärten vorgehen]
Grüne Gelsenkirchen: Rechtliche Situation zu Steingärten ist nicht eindeutig
Das aber tut sie bislang nicht. WIN und Grüne haben die Verwaltung deshalb im Schulterschluss darum gebeten, einmal zu prüfen, welche rechtlichen Möglichkeiten zur Nutzung der Landesbauordnung überhaupt bestehen. „Wir finden uns in einer Situation wieder, in der die Interpretation des geltenden Rechts noch nicht eindeutig ist“, erklärte Dennis Hoffmann, der umweltpolitische Sprecher der Grünen.
Das unterstreicht man auch beim städtischen Umweltreferat. Denn ab wann gilt ein Garten eigentlich nicht mehr als „wasseraufnahmefähig“? Und gilt ein Vorgarten mit einem Bäumchen schon als bepflanzt?
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Klar dagegen ist: Die Stadt hält es für den richtigen Weg, weiterhin Anreize für die Entsiegelung von Steingärten zu setzen. Wie Armin Hardes, der Klimaschutzbeauftragte der Stadt, auf Nachfrage mitteilte, soll in seiner Abteilung das aktuelle, wenig bekannte Förderprogramm der Stadt im zweiten Halbjahr 2021 noch einmal auf Herz und Nieren geprüft werden.
„Dann geht es beispielsweise um die Frage, ob die zu fördernde Mindestfläche nicht etwas zu groß ist“, so Hardes. Die Grünen hatten kritisiert, dass eine Förderung erst ab Vorgärten in Größe von zehn Quadratmetern möglich ist.
Land will Rückbau von Schottergärten auch fördern - Stadt wartet auf Förderrichtlinie
Hardes hofft, dass bis zum Herbst auch Klarheit herrscht, ob der Rückbau von Steingärten künftig auch vom Land gefördert wird. Denn eine Förderrichtlinie dazu wurde im Rahmen der Ruhrkonferenzen in Auftrag gegeben und befindet sich aktuell in der Bearbeitung. „Wir erwarten, dass da in diesem Jahr noch etwas kommt“. Die Stadt will dann das fördern, was durch das geplante Landesprogramm nicht abgedeckt ist. [Lesen Sie auch:Mehr Grün, weniger Abwasser: Ruhrkonferenz-Projekte starten]
Eingeschaltet in die Diskussion zu den Schottergärten hat sich auch die FDP. Zwar seien „bunt blühende Oasen“ in Vorgärten ohne Frage zu bevorzugen, man müsse jedoch auch bedenken, dass Schottergärten „vor allem von älteren Menschen aus Sorge angelegt werden, weil sie befürchten, ihre Gartenpflege nicht mehr organisieren können“, stellte FDP-Fraktionschefin Susanne Cichos fest. Man dürfe deshalb weder Senioren noch andere Häuslebesitzer zwingen, ihre Schottergärten aufzugeben.
Wettbewerb für schönste Vorgärten: FDP will auch Mieter sensibilisieren
Was die Landesbauordnung sagt
Festgeschrieben in Paragraf 8 der Landesbauordnung ist: „Nicht überbaute Flächen der bebauten Grundstücke, Kinderspielplätze [...] sind 1. wasseraufnahmefähig zu belassen oder herzustellen und 2. zu begrünen oder zu bepflanzen, soweit dem nicht die Erfordernisse einer anderen zulässigen Verwendung der Flächen entgegenstehen.“Derzeit überarbeitet das Land die Landesbauordnung. Eine Gesetzesänderung soll am 1. Juli 2021 in Kraft treten. Dann soll die Gesetzesvorgabe zur Begrünung und Wasseraufnahmefähigkeit von Vorgärten und anderen Flächen künftig im Baugenehmigungsverfahren direkt geprüft werden.
Stattdessen wollen die Liberalen Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit leisten, „frei nach dem Motto: Schottergärten sind auch nicht gerade pflegeleicht“, so Cichos. Denkbar seien Flyer mit Ratschlägen zur einfachen Gestaltung von Vorgärten, Blühkalender oder Samentütchen, die im Rathaus verteilt werden. Vielleicht, so die Fraktionsvorsitzende, sei es sogar möglich, Kooperationen mit ortsansässigen Landschaftsbauern einzugehen, die über pflegeleichte Bodendecker aufklären und bei der naturnahen Umgestaltung helfen.
Zudem dürfe man nicht nur den Einfamilienhaus-Besitzer im Blick haben. „Wir müssen auch Mieter sensibilisieren, könnten doch einen Wettbewerb für den schönsten Vorgarten in einem Mehrfamilienhaus ins Leben rufen“, findet Cichos. „Wenn wir sie zu Patenschaften bewegen könnten für ihren Vorgarten, den Park- oder Grünstreifen - dann würde Gelsenkirchen erblühen.“