Gelsenkirchen-Buer. Ein Gelsenkirchener Wirt bittet um 1,50 € für den WC-Besuch und erlebt immer mehr aggressive Nicht-Kunden, die ein unsauberes Klo hinterlassen.
Die Not mit der Notdurft: Jeder kennt sie. Deni Biancolin auch, allerdings mehr als ihm lieb ist – gerade weil er zwei Kunden-WCs bereithält in seinem Eiscafé Botticelli an der Hochstraße. Dass auch Passanten diese nutzen, die keine Gäste sind, ist nichts Neues. Dass sich aber immer mehr von ihnen vehement weigern, 1,50 Euro Toiletten-Geld zu zahlen und stattdessen mit Polizei und Prügel drohen, das bringt das Fass für den sonst so gelassenen Gastronomen zum Überlaufen.
Nach den vergangenen zwei Coronajahren brummt es wieder im Botticelli, zumal bei sonnigem Wetter: Nahezu jeder Platz auf der Außenterrasse in der Fußgängerzone ist besetzt. Spaghetti-Eis, Cappuccino oder Apérol Spritz – das Nachholbedürfnis ist groß. Deutlich zugenommen habe allerdings auch die Zahl „sehr resoluter Passanten, die – ohne um Erlaubnis zu fragen – wie selbstverständlich zur Toilette durchgehen und unsere Bitten ignorieren, sich doch mit 1,50 Euro an den Betriebskosten zu beteiligen“, ärgert sich Deni Biancolin.
Gelsenkirchener klagt: Viele benehmen sich so, als wäre das hier ein öffentliches WC
Die allermeisten Toiletten-Besucher wüssten offenbar nicht, dass sich die nächsten öffentlichen WCs im Rathaus und am Busbahnhof befinden, oder der Weg dorthin sei ihnen zu weit. „Viele benehmen sich dann so, als wäre das hier eine öffentliche Toilette“, ärgert sich der Café-Betreiber über die Unverfrorenheit einiger Passanten, die meinten, im Recht zu sein. „Manch einer wollte sogar schon Ordnungsamt und Polizei alarmieren, weil ich um WC-Geld gebeten habe. Andere werden laut, aggressiv und fast schon handgreiflich“, berichtet er kopfschüttelnd.
Vier öffentliche Toiletten in Buer-City
Die Stadt listet in ihrem Faltblatt vier öffentliche Toiletten in Buer-City auf, die kostenlos genutzt werden können und teilweise rund um die Uhr geöffnet sind: Rathaus Buer (inklusive Behinderten-WC, jedoch nur innerhalb der Öffnungszeiten: montags bis freitags, 6.30 bis 18 Uhr); Kunstmuseum, Horster Straße 5-7 (inklusive Behinderten-WC, nur innerhalb der Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags, 11 bis 18 Uhr); Russellplatz/St.-Urbanus-Kirchplatz (inklusive Behinderten-WC), montags bis sonntags ganztägig geöffnet; Hochstraße 52 (inklusive Behinderten-WC), montags bis sonntags, ganztägig geöffnet.
Dass der Betrieb der WCs die Gastronomen Geld kostet ignorierten sie. Wasser, Strom, Seife, Toilettenpapier: All das werde selbstverständlich nicht nur benutzt, sondern zum Teil sogar gestohlen. „Und von den Reinigungskosten wollen wir gar nicht erst sprechen. Besonders Frauen hinterlassen die Toilette oft in einem Zustand, der uns fassungslos macht. Alle 30 Minuten müssen wir nachreinigen, weil es andernfalls eine Zumutung für unsere richtigen Gäste wäre.“
Gelsenkirchener Gastronom kettet Deko-Figuren auf der Damen-Toilette an
Citymanager Josef Bathen, zugleich Mit-Betreiber der Cafés Odiba an der Nienhofstraße und am Goldbergplatz, kennt das Problem aus den eigenen Gastronomien – allerdings längst nicht in diesem Ausmaß, wie er sagt. „Bei uns hält sich der Andrang zum Glück in Grenzen, auch was unhöfliche Gäste angeht. Womöglich auch, weil unsere Lokale nicht an einem so stark frequentierten Hotspot liegen. Aber es gibt natürlich Leute, die dreist zur Toilette durchgehen, ohne das WC-Geld von 50 Cent zahlen zu wollen. Wir bieten dafür im Gegenzug dann immer Gebäck an und bemühen uns, die Situation nicht eskalieren zu lassen; denn grundsätzlich kann so ein Toilettengang schon ein sehr dringendes menschliches Bedürfnis sein.“
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Diebstahl von Toilettenpapier, Seife oder Deko-Gegenständen erlebt aber auch Bathen immer wieder. „Deshalb haben wir eine Deko-Figur auf dem Damen-WC auch mittlerweile angekettet.“ Beschwerden von buerschen Gastronomen über das Problem habe er als Citymanager noch nicht zu hören bekommen.
Gelsenkirchener Gastronom Klug regt WC-Wagen für den Feierabendmarkt an
So dramatisch wie Biancolin erlebt auch Gastronom Christoph Klug die Situation nicht, „zum einen weil meine Lokale ,L.ON deli’, ,Lokal ohne Namen’ und ,Domgold’ nicht so zentral liegen; zum anderen aber auch wegen der anderen Öffnungszeiten.“ Nur donnerstagnachmittags zum Feierabendmarkt sei der Andrang sehr groß. Ein WC-Benutzungsgeld erhebt er nicht.
Gleichwohl würde er es begrüßen, wenn die Stadt donnerstags einen WC-Wagen auf der Domplatte aufstellen oder einen kleinen Obolus an die Gastronomen zahlen würde, die ihre Toiletten auch Nicht-Gästen zur Verfügung stellen.
Stadt Gelsenkirchen: Nur Wirte mit 200 Plätzen müssen Kunden-WC vorhalten
Die Stadt verweist unterdessen auf einen Info-Flyer, der in Bürgercentern ausliegt und online auf der Stadt-Website abzurufen ist: Er listet öffentliche WCs und deren Öffnungszeiten im gesamten Stadtgebiet auf. Was Stadtsprecher Martin Schulmann auf Nachfrage bestätigt: Nachdem 2006 der NRW-Toiletten-Erlass aufgehoben wurde, müssen nur noch Gastronomien ab einer Zahl von 200 Sitzplätzen ein Kunden-WC betreiben. „Alle anderen Lokale können ihre Gäste auf öffentliche Toiletten im Umkreis verweisen.“
Dass diese auch nicht immer, wie im Flyer angekündigt, geöffnet haben, sei zumeist dem Vandalismus geschuldet. „Abgetretene Wasserhähne, beschädigte Kloschüsseln oder verklebte Schlösser müssen nun einmal kosten- und zeitaufwendig repariert werden, das ist zumeist nicht ohne Schließung der Anlage möglich“, sagt Schulmann.
So wird Gastronom Biancolin bis auf weiteres nichts anderes übrigbleiben, als so weiterzumachen wie bisher. Und auf mehr Respekt und Verständnis der WC-Besucherinnen und Besucher zu hoffen, die nicht zu seinen Gästen zählen.
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