Gelsenkirchen. Nur ein Einzelfall? Eine Verkehrskontrolleurin wird von Jugendlichen in Gelsenkirchens Innenstadt angegangen. So ist die aktuelle Lage am HKP.
Mit Wasser bespritzt, beleidigt, gar bespuckt: Eine Verkehrskontrolleurin wird an einem sonnigen Spätnachmittag in der Gelsenkirchener Innenstadt von einer etwa zehnköpfigen Gruppe Jugendlicher angegangen. Erst als die Frau das Handy herausholt, um Bilder von der brüllenden Truppe zu machen, die sie beschimpft und anfasst, da rennen die Störenfriede unter Gelächter davon, weiter auf dem Heinrich-König-Platz, augenscheinlich um hier an nächster Stelle irgendeinen Unsinn anzustellen.
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„Sowas erlebt man immer wieder“, erzählt die gefasst wirkende Stadtmitarbeiterin, nachdem ein WAZ-Reporter die Situation aus der Ferne mitbekommen hatte. Nach eigener Aussage hatte sie nichts weiter getan, als den Jugendlichen mitzuteilen, dass ihr Ball, der hinter einem stacheligen Taubenschutz gelandet war, nicht wieder problemlos rauszufischen sei. „Und dann haben sie losgelegt.“ Ist der Ärger am Heinrich-König-Platz zurück? Oder war er nie so wirklich weg?
Erst vor einem Jahr gab es eine große Debatte um den Dauerstress in der City – losgetreten von Buchhändler Dirk Niewöhner, der sich in der WAZ beschwert hatte über Beschimpfungen, Bedrohungen und Diebstahl durch die immergleichen Gruppen respektloser Jugendlicher. Niewöhner bekam im Ratssaal ein Rederecht, um seinen Ärger über die Situation kundzutun – und die Stadt versprach, mit mehr Kontrollen in Zusammenarbeit mit der Polizei sowie mit aufsuchender Jugendarbeit entgegenzuwirken.
Heinrich-König-Platz: Sozialarbeiter sind weiterhin vor Ort – haben aber zu wenig Personal
Die Sozialarbeiter sind immer noch da, nach einer mehrmonatigen Winterpause. Seit Februar baue man wieder, wenn möglich im zweiwöchigen Rhythmus, die Soccer Arena, ein aufblasbares Fußballfeld, auf, um Jugendlichen vor Ort eine sinnvolle Beschäftigung zu ermöglichen, erzählt Holger Ott, Chef der Katholischen Jugendsozialarbeit, die für die mobile Jugendarbeit im Süden verantwortlich ist. Etwa seit Ostern sei man zudem hier auch wieder mit einem „richtigen Streetwork-Ansatz“ unterwegs, indem Jugendliche gezielt angesprochen werden.
„Das ist hier wieder virulent geworden, als das Wetter besser geworden ist“, sagt Ott über unverschämtes Verhalten einiger jugendlicher Cliquen. Nicht nur direkt auf dem Heinrich-König-Platz, auch am Spielplatz an der Robert-Koch-Straße habe es Ärger gegeben, also sei man auch dort aktiv geworden.
„Unsere Erkenntnis ist, dass da Langeweile, unterstelltes Desinteresse von Erwachsenen und Perspektivlosigkeit zusammenkommen“, sagt Ott über die Unruhestifter. Einige bekomme man über die nun seit einem Jahr stattfindende Jugendarbeit vor Ort zwar wieder stellenweise auf die richtige Schiene. Illusionen, das Problem vor Ort mit den begrenzten Möglichkeiten der mobilen Jugendarbeit lösen zu können, müsse man sich aber nicht machen. „Wenn man eine dauerhafte Befriedigung erreichen will, braucht man natürlich viel mehr Personal als die beiden Stellen, mit denen wir südlich des Kanals die komplette mobile Jugendarbeit in Gelsenkirchen abdecken“, sagt Ott. Sonst könne man immer nur punktuell versuchen, für Verbesserung zu sorgen.
Zum Thema:
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Dass die sommerlichen Tage wieder mehr Jugendliche motivieren, auf dem Heinrich-König-Platz Ärger anzuzetteln, zeigt sich laut Polizei in der Beschwerdelage im Übrigen noch nicht. Man führe deswegen über das reguläre Maß hinaus derzeit auch keine zusätzlichen Streifen durch, sagte Polizeisprecher Matthias Büscher. „Es besteht aber noch ein runder Tisch zum Heinrich-König-Platz unter Beteiligung von Stadtverwaltung und Polizei, der aktuell im Stand-by ist“, sagt Büscher. Sollten sich die Beschwerden wieder häufen, könne man jenes Format wiederbeleben und so die Zahl der Kontrollen wieder erhöhen.
Vorfall mit belästigter Verkehrskontrolleurin in Gelsenkirchen wurde zur Anzeige gebracht
Bei der Stadt bestätigt man auf Nachfrage, dass der jüngste eskalierte Vorfall mit der Verkehrskontrolleurin inzwischen der entsprechenden Dienststelle gemeldet wurde. „Es wurde Anzeige gegen Unbekannt erstattet“, sagt Stadtsprecher Martin Schulmann. Zur Frage, ob es sich bei den Beteiligten um die Gruppe handelt, die bereits vor etwa einem Jahr regelmäßig auf dem Heinrich-König-Platz aufgefallen ist, könne derzeit keine Aussage getroffen werden. Jedoch verfolge „die Verwaltung in solchen Fällen eine Null-Toleranz-Strategie“, so Schulmann. „Jeder verbale oder körperliche Angriff wird zur Anzeige gebracht.“
Der Innenstadtbereich sei ohnehin ein Schwerpunkt des Kommunalen Ordnungsdienstes (KOD). Dass die Vorfälle jüngst wieder extrem zugenommen hätten und die Streifen über die standardmäßigen hinaus intensiviert werden müssten, sei aktuell noch nicht der Fall.