Gelsenkirchen. Weniger Arztpraxen sind bereit, die Methadonversorgung Suchtkranker in Gelsenkirchen zu übernehmen. Wie sie weiterhin gesichert werden könnte.

Die Zahl der Suchtkranken in Gelsenkirchen steigt, die mit Methadon statt illegaler Drogen ihr Leben im Griff behalten oder es in den Griff bekommen wollen. 608 Abhängige wurden in der Stadt 2018 mit dem Ersatzstoff versorgt, 767 Klienten gibt es in diesem Jahr. Gleichzeitig sinkt jedoch die Bereitschaft der niedergelassenen Mediziner in der Stadt, diese Versorgung mit dem Ersatzstoff zu übernehmen. Von 13 aktiv substituierenden Ärzten im Stadtgebiet noch im Jahr 2018 sank die Zahl auf zehn, acht von ihnen sind allerdings bereits älter als 60 Jahre. Nachwuchs zu finden, der dazu bereit ist, gestaltet sich schwierig.

Hausärzte sind ohnehin stark überlastet

Den Grund dafür sieht Klaus Rembrink, Leiter der Gelsenkirchener Bezirksstelle der kassenärztlichen Vereinigung und als solcher für die Organisation der sicheren Versorgung mit zuständig, in der aufwendigen Arbeit. Hausärzte sind in den letzten Jahren ohnehin stark überlastet, eine Methadon-Versorgung an sieben Tagen je Woche zusätzlich zum normalen Betrieb zu garantieren, sei schwer leistbar. Simon Kirchberg, Vorsitzender des Ärztekammerbezirks Gelsenkirchen, und als Hausarzt in Ückendorf angesiedelt, hat Verständnis für Kollegen, die nicht in die Methadonversorgung einsteigen mögen.

Auch baulich bietet nicht jede Praxis die idealen Voraussetzungen dafür. Ein separater Eingang für die Klienten ist Voraussetzung für die Genehmigung der Versorgung. „An der Finanzierung liegt es sicher nicht, das wird gut bezahlt, aber es ist eben schwierig, die Versorgung und Betreuung neben dem Praxisalltag zu leisten. Aber aktuell sehe ich keine Gefahr in der Versorgung, es gibt genug Anlaufstellen“ glaubt Rembrink. Wenn es eng zu werden drohe, werde man handeln. Auch die Ansiedlung von Institutsambulanzen in Kliniknähe sei eine Möglichkeit, die etwa in Bochum bereits praktiziert werde. Aktuell gebe es jedoch keinen Handlungsbedarf. Zum Thema: Noch weniger Ärzte für noch mehr Suchtkranke

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Gesundheitsdezernentin Andrea Henze ist bei dem Thema nicht ganz so entspannt. Zum Jahresende wechselt der in der Methadonambulanz beim Gesundheitsreferat tätige Mediziner in den Ruhestand. Ausschreibungen für die Wiederbesetzung der Stelle liefen bisher ins Leere. Aktuell gibt es allerdings möglicherweise einen Nachfolger, die Gespräche dazu laufen. „Die Methadonambulanz als Anlaufstelle liegt mir besonders am Herzen, weil die so sehr darauf angewiesen sind. Einige sind berufstätig, führen dank Methadon ein ganz normales Leben, andere haben sehr viel Unterstützungsbedarf, leben auf der Straße. Ein Behandlungsabbruch würde sie existenziell gefährden“, erklärt die Beigeordnete.

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Sozialdezernentin Andrea Henze hofft, die Methadonambulanz dauerhaft aufrecht erhalten zu können, um neben der reinen Methadonausgabe auch die qualifizierte Betreuung sicherstellen zu können.
Sozialdezernentin Andrea Henze hofft, die Methadonambulanz dauerhaft aufrecht erhalten zu können, um neben der reinen Methadonausgabe auch die qualifizierte Betreuung sicherstellen zu können. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Werben um Fachkräfte für den sozialen Bereich wo immer möglich

50 Klienten betreut die Methadonambulanz, die eben auch die psychosoziale Betreuung übernimmt bei Klienten mit Bedarf dafür. Dafür stehen allerdings aktuell nur drei Mitarbeiter zur Verfügung, plus einem Pflegedienst, der die Ausgabe an den Wochenenden übernimmt. 877 Kontakte hat das kleine Team der Methadonambulanz im vergangenen Jahr gestemmt. Wegen der bei der Methadonversorgung so wichtigen psychosozialen Begleitung hofft die Dezernentin, den Betrieb der Methadonambulanz langfristig aufrecht erhalten zu können. Das könne an einer an einem Krankenhaus angedockten Institutsambulanz, wie von Klaus Rembrink als Möglichkeit angedacht, nicht so gut gewährleistet werden. Lesen Sie auch: Gedenken an Gelsenkirchener Drogentote

Um das im sozialen und medizinischen Bereichs so knappe Fachpersonal, besonders für den psychosozialen Dienst, wirbt die ehemalige Leiterin des Sozialamts in Bochum übrigens wo immer möglich: „Ich statte auch der Hochschule für Gesundheit in Bochum Besuche ab und werbe für eine Beschäftigung in unserem Bereich. Nur als Beispiel.“ Zwei weitere Stellen – zusätzlich zu den neun vorhandenen – sind für den psychosozialen Dienst bereits ausgeschrieben. Bewerbungen dafür liegen vor, das Verfahren läuft, so Henze.