Gelsenkirchen. Muhammed Yüksel hat sechs Jahre lang im Ruhrgebiet Fußballspiele geleitet. Jetzt hat er endgültig genug von den Beleidigungen und Bedrohungen.

Abpfiff! Muhammed Esad Yüksel hängt nach sechs Jahren im Amateurfußball im Ruhrgebiet seine Schiedsrichterpfeife an den Nagel. Der 25-jährige Gelsenkirchener ist der ständigen Beleidigungen und Bedrohungen durch Spieler, Trainer oder Fans endgültig überdrüssig. „Wenn mich meine Frau oder Mutter nicht mehr zum Fußballplatz begleiten können, weil sie sonst mit anhören müssen wie meine Familie und ich auf abscheulichste Weise beleidigt und bedroht werden, dann ist für mich der Zeitpunkt gekommen, mit dem Pfeifen aufzuhören“, erklärt Yüksel im Gespräch mit der WAZ Gelsenkirchen.

So gerne er diesem Hobby auch nachgegangen sei, so leidenschaftlich er das auch gemacht habe, „wenn ich obendrein von einem Vertreter des Kreisschiedsrichterausschusses in der Kabine dafür kritisiert werde, dass ich Zuschauern, die mich an der Seitenlinie aufs Übelste beleidigt haben, Einhalt gebiete, indem ich irgendwann auch mal sage, ‚was fällt dir ein, mich und meine Familie so zu beleidigen‘, dann hat das alles mit Spaß nichts mehr zu tun. Und das soll es ja eigentlich machen, das Spielen und das Pfeifen.“

Yüksel hat deshalb für sich die Reißleine gezogen, nachdem er beim Spiel FSM Gladbeck gegen Beckhausen 05 Ende Mai anhaltend übel beleidigt worden sei. Der Gelsenkirchener war an diesem Tag Erster Assistent, stand also an der Seitenlinie und wurde dabei nach eigenen Angaben immer wieder beleidigt. Als Yüksel die Pöbler zur Rede stellte, kochte die Stimmung hoch, so dass das Spiel für einige Minuten unterbrochen werden musste.

+++ Sie wollen keine Nachrichten aus Gelsenkirchen verpassen? Dann können Sie hier unseren kostenlosen Newsletter abonnieren +++

Ein Beobachter des Kreisschiedsrichterausschusses, der die ausschlaggebenden Beleidigungen selbst nicht gehört, wohl aber den darauffolgenden Tumult mitbekommen habe, sei anschließend zu Yüksel in die Kabine gekommen. „Statt zu mir zu halten, hat er mich kritisiert“, sagt der Gelsenkirchener Referee. Das brachte das Fass für den Unparteiischen, der einst bei Eintracht Gelsenkirchen in Ückendorf anfing und inzwischen als Schiedsrichter von Schalke 04 gelistet ist, zum Überlaufen.

Auch interessant

„Leider habe ich auch in der Vergangenheit keine Rückendeckung oder gar Wertschätzung für meine Leistungen erhalten. Beim kleinsten emotionalen Aussetzer wurde mir jetzt kein Verständnis entgegengebracht. Im Gegenteil, ich wurde dafür kritisiert“, sagt Yüksel resigniert.

Tatsächlich würde der Kreisschiedsrichterausschuss gerne mit dem 25-Jährigen über den Vorfall in Gladbeck reden, doch Yüksel habe bisher alle Einladungen dazu ausgeschlagen, so der Vorsitzende Frank Kaczmarczik auf WAZ-Nachfrage. Grundsätzlich stehe der Ausschuss nämlich zu seinen Schiedsrichtern und Kaczmarczik bestätigt auch, was so bekannt wie inakzeptabel ist: „Tatsächlich sehen sich Schiedsrichter oft schlimmen Beleidigungen und Bedrohungen ausgesetzt. Für uns ist es wichtig, möglichst genau über alles informiert zu werden, damit wir die Vereine gegebenenfalls für das Fehlverhalten verantwortlich machen können“.

Schiedsrichter Muhammed Esad Yüksel beim Spiel der C-Junioren-Landesliga von SSV Buer gegen den SV Horst 08 im November 2021 in Gelsenkirchen an der Löchterheide.
Schiedsrichter Muhammed Esad Yüksel beim Spiel der C-Junioren-Landesliga von SSV Buer gegen den SV Horst 08 im November 2021 in Gelsenkirchen an der Löchterheide. © Archivfoto: Oliver Mengedoht / FUNKE Foto Services

Muhammed Esad Yüksel hat dem für sich nun nach sechs Jahren ein Ende gesetzt. Zuletzt hat er im Herrenbereich Partien auf Bezirksliga-Niveau geleitet. „Es ist traurig, dass meine Frau, meine Familie, meine Freunde Angst um mich haben müssen“, sagt der junge Mann mit türkischen Wurzeln. „Es ist beschämend, dass ich aufs Übelste beleidigt werde. Und es tut mir wirklich weh, aber leider muss ich auch eingestehen, dass es hauptsächlich migrantische Spieler und Angehörige sind, die mich und meine Kollegen auf den Plätzen beleidigen und bedrohen.“

Yüksel hat seit seinem siebten Lebensjahr nahezu durchgehend Vereinsfußball gespielt. Eine schwere Verletzung am Handgelenk beendete seine eigene Spielerkarriere aber vor einigen Jahren. „Ich wollte dem Fußball aber dennoch treu bleiben und habe ein gesteigertes Gerechtigkeitsempfinden“, erklärt der Ückendorfer, warum er vor sechs Jahren Schiedsrichter geworden ist. „Aber wenn meine schwangere Frau draußen vor Angst zittern oder weinen muss, wenn ich auf oder neben dem Platz wieder einmal angegangen werde...“, sagt Yüksel, atmet tief ein und lässt den Satz unbeendet stehen. Seine Pfeife bleibt fortan stumm.