Gelsenkirchen. Flüchtlinge, die eine Wohnung in Gelsenkirchen gefunden haben und hierhin ziehen wollen, dürfen dies nicht. Das sorgt für unnötige Verzweiflung.
Stellen Sie sich vor: Sie und ihre Kinder fliehen vor russischen Raketen, Sie lassen ihr Hab und Gut, Ihre geliebte Heimat, Teile Ihrer Familie zurück im Krieg. Sie haben noch Bekannte im Ruhrgebiet, bei denen Sie glücklicherweise erst einmal im kleinen Gästezimmer unter kommen können. Sie wollen ihnen nicht auf der Tasche liegen, also melden Sie sich bei der Stadtverwaltung an, um Sozialgeld zu bekommen. Niemand sagt Ihnen, dass Sie eine Entscheidung mit schwerwiegenden Konsequenzen treffen.
Denn als etwas Ruhe einkehrt, Sie realisieren, dass sie nicht so schnell zurückkehren können in ihre Heimat, versuchen Sie eine Wohnung zu finden. Ein freundlicher Gelsenkirchener bietet ihnen eine Bleibe an und er unterstützt sie bei der Ummeldung. Doch dann erfahren Sie: Der Umzug nach Gelsenkirchen ist ausgeschlossen. Sie sind angekettet in der Stadt, in deren Ämtern sie zuerst vorgesprochen haben.
Den Zuzug von mehr Flüchtlingen zu erlauben, würde Gelsenkirchen nicht überfordern
Von zwei vergleichbaren Fällen hat unsere Redaktion erfahren. Es darf angenommen werden, dass es viel mehr von ihnen gibt. Und sie zeigen: Was die Umzugsregelungen für Ukrainer angeht, zeigt sich die deutsche Bürokratie von ihrer empathielosesten und unmenschlichsten Seite.
Den ohnehin schwer belasteten Ukrainern wird mit dem Umzugsverbot ihre eigene Zukunftsgestaltung verbaut. Dass Menschen deswegen sogar lieber wieder zurück ins Kriegsgebiet ziehen, wie ein Fall aus Gelsenkirchen zeigt, ist eine Blamage für das deutsche Flüchtlingsmanagement und die angeblich so pragmatische Hilfsbereitschaft, die man den Vertriebenen von allen Seiten aus versprochen hatte.
Natürlich hat eine Stadt wie Gelsenkirchen immense Integrationsherausforderungen. Aber einzelnen Ukrainern, die hier eine Wohnung gefunden haben, den Zuzug zu erlauben, würde die Stadt weder bei der Integration noch finanziell überbelasten. Tun wir nicht so, als würde man so einen tausendfachen Zuzug in die Gelsenkirchener Sozialsysteme provozieren. Dass Städte wie Herne mit Handlungshinweisen des Landes offenbar lockerer umgehen, zeigt zudem, dass mehr Entgegenkommen auch in Gelsenkirchen möglich wäre und man hier nicht so knallhart vorgehen müsste.
Umzug von ukrainischen Flüchtlingen: Gesetzgeber sollte mehr Ausnahmen schaffen
In der Verantwortung ist aber eigentlich der Gesetzgeber in Land oder Bund. Es wäre zum Beispiel möglich, gerade für die Menschen, die in den ersten chaotischen Wochen nach dem Krieg gekommen sind und oftmals überhaupt nicht über die Konsequenzen ihrer Registrierung aufgeklärt wurden, klare Ausnahmen beim Umzug zu schaffen. Die aktuelle Praxis aber sorgt dafür, dass man den Menschen schadet und sie verzweifeln lässt. Menschen, die man doch eigentlich schützen will.