Gelsenkirchen-Buer/-Resse. Warum die Gelsenkirchener Spielstube von Buer nach Resse umziehen soll. Trägerverein fühlt sich von Gebäude-Eigentümer GGW gedrängt.

Charmanter Altbau, riesiges Außengelände, individuelle Förderung: Für viele Familien ist die von einem Verein betriebene Kita Spielstube an der Romanusstraße in Buer eine feste Größe in der pädagogischen Landschaft von Buer. Ob sie das dort auch bleiben wird, ist freilich fraglich: Wenn der Jugendausschuss der Verwaltung folgen sollte, werden sich die Eltern der Kita-Kinder ab Sommer 2024 auf längere Anfahrtswege einstellen müssen – nach Resse.

Denn die Gelsenkirchener Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft (GGW) als Eigentümer will den Mietvertrag mit dem Trägerverein kündigen, um das Gebäude abzureißen und das Grundstück in bester Lage von Buer anderweitig zu nutzen. Die zweigruppige Einrichtung soll im Erdgeschoss eines Neubaus Am Buerschen Waldbogen eine neue Heimat für dann drei Gruppen finden. Eine entsprechende Beschlussvorlage hat die Verwaltung kurzfristig am Wochenende an die Politik versandt.

Bei Standort-Verlagerung würden in Gelsenkirchen-Buer 44 Kita-Plätze verloren gehen

Das Neubaugebiet Am Buerschen Waldbogen in Gelsenkirchen soll eine eigene Kita bekommen: Geplant ist, dass die Spielstube des gleichnamigen Trägervereins im August 2024 von der Romanusstraße in Buer ins Vorzeigequartier zieht. Die GGW bietet der Elterninitiative dafür das Erdgeschoss eines geplanten Neubaus an.
Das Neubaugebiet Am Buerschen Waldbogen in Gelsenkirchen soll eine eigene Kita bekommen: Geplant ist, dass die Spielstube des gleichnamigen Trägervereins im August 2024 von der Romanusstraße in Buer ins Vorzeigequartier zieht. Die GGW bietet der Elterninitiative dafür das Erdgeschoss eines geplanten Neubaus an. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Wie es darin heißt, würden mit einer solchen Verlagerung 44 Betreuungsplätze in Buer verloren gehen. Bislang bietet die Einrichtung 35 Plätze für Kinder ab drei Jahren und neun Plätze für Unter-Dreijährige. Am neuen Standort könnten 55 Mädchen und Jungen betreut werden: 39 Über- und 16 Unter-Dreijährige, was ein gesamtstädtisches Plus von elf Plätzen ausmachen würde. [Lesen Sie auch: Gelsenkirchen: Ärger um Vergabeverfahren am Waldbogen Buer]

Das Problem: „Ein Wegfall der Einrichtung an der Romanusstraße mit ihren insgesamt 44 Betreuungsplätzen wird eine Unterversorgung am Standort nach sich ziehen, die durch den Neubau der Kindertageseinrichtung am Buerschen Waldbogen nicht kompensiert werden kann“, räumt Gekita als Träger der Gelsenkirchener Kindertagesbetreuung ein. Denn: „Im Stadtteil Buer kann eine generell verstärkte Nachfrage nach Betreuungsplätzen verzeichnet werden.“

Gelsenkirchen: Langfristig am Waldbogen kein Bedarf außerhalb des Neubaugebiets

Am Waldbogen bestehe derweil „außerhalb des Neubaugebietes voraussichtlich kein langfristiger Bedarf für eine Einrichtung am Standort“, heißt es unter Bezug auf die Jugendhilfeplanung. Für die zusätzliche Nachfrage durch das neue Wohngebiet wurde vielmehr einerseits eine Kita im Osten Buers angeregt und andererseits eine flexible Betreuung etwa in Form einer Kindertagespflege empfohlen, die bei rückläufigem Bedarf problemlos zurückgebaut werden könnte.

Weitere Folge einer Standortverlagerung: Für Gekita würden höhere Betriebskosten entstehen – für 2024 wären es knapp 29.000 Euro, ab 2025 dann jährlich 70.000 Euro.

Gelsenkirchener Trägerverein Spielstube fühlt sich unter Druck

Für Magnus Rasche vom Vorstand des Trägervereins Spielstube sind das alles Gründe, die gegen einen Umzug der Einrichtung an der Romanusstraße sprechen. Zwar habe die Elterninitiative der GGW signalisiert, das Umzugs-Angebot anzunehmen, dies allerdings nur mangels Alternativen. „Der Waldbogen ist der falsche Standort“, ist er sicher.

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Dabei hat er sowohl die längeren Anfahrtswege für die Eltern im Blick, die dem Umweltschutz und dem Prinzip „kurze Beine, kurze Wege“ widersprächen, als auch die finanzielle Situation des Vereins. Schließlich müsste dieser das finanzielle Risiko tragen, falls die Einrichtung nicht voll ausgelastet sein sollte. Im schlimmsten Fall stünde er vor der Alternative, höhere Elternbeiträge zu verlangen oder die Kita zu schließen.

Eigentümer GGW: Kita-Gebäude in Buer ist nicht rentabel zu sanieren

Harald Förster, Geschäftsführer der Gelsenkirchener Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft (GGW), will das jetzige Grundstück der Spielstube mittelfristig anderweitig nutzen. Im Vordergrund der Standortverlagerung stehe aber, dass das jetzige Haus an der Romanusstraße in Buer nicht mehr rentabel zu sanieren sei.
Harald Förster, Geschäftsführer der Gelsenkirchener Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft (GGW), will das jetzige Grundstück der Spielstube mittelfristig anderweitig nutzen. Im Vordergrund der Standortverlagerung stehe aber, dass das jetzige Haus an der Romanusstraße in Buer nicht mehr rentabel zu sanieren sei. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

GGW-Chef Harald Förster bewertet die Situation völlig anders. Er weist die Überlegung zurück, „dass es uns in erster Linie darum gehen könnte, die Fläche in Buer zu vermarkten.“ „Wir handeln vielmehr, weil das Gebäude aus den 1950ern marode und nicht wirtschaftlich zu renovieren ist. Es entspricht nicht mehr den heutigen Anforderungen an eine Kita.“ [Lesen Sie auch: Buerscher Waldbogen: Warum die Eigentümer protestieren]

Wie das Grundstück in Filetlage mit dem 2000 Quadratmeter großen Außengelände und dem alten Baumbestand nach einem Gebäude-Abriss bebaut werden soll, dies sei noch völlig unklar. „Der Bebauungsplan sieht noch eine öffentliche Nutzung vor, dieses Problem muss erst einmal geklärt werden“, so Förster. Ein drei- oder viergeschossiger Bau mit Wohnungen sei nur eine Idee, „vielleicht sogar mit einer Kita im Erdgeschoss, wenn die Stadt dafür dann Bedarf hat.“

Städtischer Kita-Träger könnte sich bei zu geringer Nachfrage „Steuerung“ vorstellen

Die Sorge, dass die Elterninitiative am neuen Standort zu wenig nachgefragt werden könnte, teilt er nicht. „Ich bin sicher, dass der Bedarf da ist, selbst wenn es im Neubaugebiet zu wenig Kinder geben sollte. Für Eltern ist räumliche Nähe nicht das einzige Kriterium, wie auch die Anmeldezahlen von bestimmten Schulen immer wieder zeigen.“

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Holle Weiß, Leiterin des städtischen Kita-Trägers Gekita, sieht dies ähnlich. Überdies könne Gekita steuernd eingreifen, „wenn über unser Kita-Portal abzusehen wäre, dass zu wenige Anmeldungen eingehen. Dann könnte man überlegen, ältere Kindertagespflege-Einrichtungen in angemieteten Wohnungen zurückzubauen.“

Stadt sucht nach Grundstücken und Wohnungen, um mehr Betreuungsplätze zu schaffen

Was das Defizit von 44 Betreuungsplätzen in Buer angeht, so „suchen wir weiter mit Nachdruck nach Möglichkeiten, etwa zur Anmietung von Wohnungen oder nach einem Baugrundstück.“ Insgesamt sei die Versorgungsquote in Buer „gut“. Aktuelle Zahlen seien derzeit nicht zur Hand, weil der neue Jugendhilfeplan gerade erst erstellt werde.

CDU begrüßt Verlagerung der Kita in Neubaugebiet

Als „großartig“ bewertet die CDU die geplante Verlagerung der Kita Spielstube zum Neubaugebiet Am Buerschen Waldbogen. „Endlich fällt die Entscheidung über die Zukunft der Kindertageseinrichtung“, jubelt Frank Winkelkötter, wohnungspolitischer Sprecher der CDU. Bereits im Mai 2020 habe die CDU-Fraktion bei einem Ortstermin auf diese Entwicklung hingewirkt.

„Junge Familien sind der Motor der Entwicklung vor Ort“, betont er. Für die fußläufige Erreichbarkeit einer Kita werde so richtigerweise in einem großen Neubaugebiet gesorgt. „Die Eltern werden es uns danken“, so Winkelkötter. Baubeginn sei voraussichtlich im Herbst 2022.

Warum die Verwaltung der Politik empfiehlt, dem Projekt zuzustimmen, wo dieses durchaus Nachteile mit sich bringe? „Wir sehen dies als Nachfolgelösung für eine bestehende Einrichtung, die sich um eine Gruppe erweitert. Für uns als Stadt entstehen dabei elf neue Betreuungsplätze.“ In Buer einen alternativen Standort zu finden, sei unmöglich gewesen.

Derweil sieht es so aus, als würde die Entscheidung über den Umzug doch nicht in der Jugendausschuss-Sitzung am 14. Juni, sondern auf die Zeit nach der Sommerpause vertagt. Wie Dominic Schneider als Bezirksbürgermeister Nord auf Nachfrage erklärt, hätten die Verordneten in den Bezirken Nord und Ost noch Beratungsbedarf. „Im Moment reichen uns die Informationen noch nicht aus. Wenn aber nichts gegen eine Verlagerung sprechen sollte, müsste man bei einem eventuellen Verkauf des Grundstücks in Filetlage nicht überlegen, den Erlös mal in die Umgestaltung Buers zu investieren.“