Gelsenkirchen/Gladbeck. Wegen Drogenhandel im großen Stil musste Ahmed „Sharo45“ Sharif in den Knast. Nun unterhält er auf Youtube per „antirassistischer“ Koch-Show.
- „Antirassistische Koch-Show“ mit millionenfachen Klicks: Mit seinem Kanal „Beast Kitchen“ unterhält Ahmed „Sharo45“ Sharif inzwischen 280.000 Youtube-Abonnenten.
- Zuvor verbrachte der Gladbecker sechs Jahre hinter Gittern, weil er jahrelang im großen Stil mit Drogen dealte.
- Warum der Ex-Schwarzgeld-Millionär und heutige Food-Influencer mit seinem Kanal auch Frieden stiften möchte und wie er heute auf seine Vergangenheit blickt, erzählt er im WAZ-Gespräch.
Als die erneute Zuspitzung des Nahost-Konflikts vor einem Jahr auch auf den Gelsenkirchener Straßen ankam und antisemitische Parolen vor der Neuen Synagoge gebrüllt wurden, da wählte Ahmed „Sharo45“ Sharif den entgegengesetzten Weg: Für seine mehr als 70.000 Follower auf Instagram und seine 280.000 Youtube-Abonnenten dokumentierte der gläubige Moslem, wie er bei einem jüdischen Freund zu Gast war und mit ihm Hummus aus einer Schale aß. „Wir lassen uns durch Politik nicht spalten“, lautete die Botschaft – die zugleich Hauptrezept seines „Beast Kitchen“-Kanals ist: Vom langjährig inhaftierten Drogendealer wurde der Gladbecker zum Friedensbotschafter und Food-Influencer mit eigener Koch-Show. „Es gibt zu wenig Vorbilder in den sozialen Medien“, sagt er.
Sharos bewegtes Leben: Eine Vergangenheit wie aus dem Paralleluniversum
Wir treffen Sharo in seiner Lieblingsdönerbude an der Rupenburgstraße 1 nahe der Rungenberghalde. Obwohl er sich für seinen Youtube-Kanal mittlerweile seit zwei Jahren durch viele Imbisse und Restaurants in ganz Deutschland probiert hat, kommt der 38-Jährige immer noch fast wöchentlich hierher. Natürlich werden er und sein Kameramann, Geschäftspartner und guter Freund Tristan Barkowski, hier empfangen wie Familienmitglieder. Seine zuvorkommende und freundschaftliche Art ist ansteckend; seine Vergangenheit wirkt wie aus einem Paralleluniversum.
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Sechs Jahre musste Ahmed Sharif in der JVA Bochum-Krümmede einsitzen. Man konnte ihm nachweisen, rund 570 Kilo Cannabis in drei Monaten über die holländische Grenze geschmuggelt zu haben. Doch seine Dealer-Karriere war eigentlich viele Kilo schwerer: Schon in der Schule vertickte er die ersten Tütchen, finanzierte seine erste Wohnung mit Schwarzgeld.
Anerkennung durchs Kochen: Wenn ein Auflauf wertvoller ist als ein Sportwagen
Das erste Mal im Gefängnis landete er allerdings, nachdem man den gelernten Maurer auf dem Bau nicht anständig bezahlte – und er anschließend die Fäuste sprechen ließ. „Ich bin als Eierdieb reingegangen und wurde dann in sechs Monaten im Knast zum Kriminellen ausgebildet“, erzählt Sharo von der misslungenen Resozialisierung. Auch nach dem Gefängnis wurde er nur abgespeist mit perspektivlosen Arbeitsverhältnissen. Der feste Entschluss folgte: „Ich werde mit Drogen mein Geld verdienen.“ Es wurde viel Geld, sehr viel Geld. Doch der materielle Reichtum bescherte ihm keine seelische Zufriedenheit. Viele falsche Freunde hätten versucht, seine Gunst zu erlangen, bedauert er noch heute.
Was schon damals da war: Das Koch-Hobby. Als er mit 17 von Zuhause auszog und zwei Jahre lang vor allem durch Buer zog, mal mit Drogeneinnahmen einen Hotelbesuch finanzierte, mal längere Zeit bei Freunden unterkam, da habe er „nur Junk-Food in sich reingestopft“. Das Bedürfnis, es Zuhause so duften zu lassen wie „damals bei Mama in der Küche“, brachte ihn dann so weit, in der eigenen Küche zu experimentieren. Irgendwann dann wagte er sich, seinen Freunden Eigenkreationen aufzutischen.
„Auf einmal war es so ein simpler Nudelauflauf, für den ich Lob und Anerkennung bekam. Das war super, ein tolles Gefühl“, erzählt der Mann, der zuvor nur mit Sportwagen, teuren Uhren und lila Euroscheinen Begeisterung erntete.
Die Zeit nach dem Knast: Sharos „nervenzehrender Kampf“
Bis er ein Geschäft aus seiner Leidenschaft fürs Essen machen sollte, auf Youtube Millionen Klicks für Küchengespräche mit Hip-Hop-Größen, Sportlern oder Lehrern, Ex-Nazis oder Meeresbiologen bekommen sollte, da war es noch ein harter Weg: Nach dem Knast versuchte das Muskelpaket zunächst sein anderes Hobby, den Kraftsport, zum Beruf zu machen, und wollte sich in Fitnessstudios als Trainer hocharbeiten. „Ich bin für jede Schicht eingesprungen, habe mehr gearbeitet als alle anderen, aber wurde mit dem Kleinsten abgeschrieben“, erzählt er. Hinzukam: Der private Stress zu Hause, seine damalige Frau und Mutter seiner kleinen Tochter, konnte er nur schwer zufriedenstellen. Als „nervenzehrenden Kampf“ fasst er diese Zeit zusammen.
Mit sozialen Medien habe er zu dieser Zeit noch gar nichts am Hut gehabt, doch dann dokumentierte Sharo seinen Weg zur Bodybuilding-Meisterschaft per Video. Und merkte: Bei den Followern kommt er gut an. Als er und Tristan dann die ersten „Beast Kitchen“-Folgen drehten, verschlang das Publikum diese wie der Gladbecker seinen Döner an der Halde.
Gladbecker Sharo45: „Ich will alles dafür tun, dass meine Kinder anders erzogen werden“
Immer wieder trifft Sharo in seinen Küchen-Interviews auch auf Gäste, die etwa in ihrer Musik das glorifizieren, was den 38-Jährigen so viele Jahre seines Lebens gekostet hat – das Krimellen-Leben, der Drogenmissbrauch, der heute mehr denn je als Lifestyle in der Popkultur propagiert wird. Bietet das nicht Gefahr, jemanden eine Plattform zu geben, der das vertritt, was Sharo nicht vertreten möchte?
„Ich mache meinen Standpunkt immer wieder klar“, sagt er. „Aber wir gehen auch nicht immer an einen kritischen Punkt in den Gesprächen.“ Am wichtigsten sei ihm zu vermitteln: Man kann sich mit jedem an einen Tisch setzen und reden. „Wir wollen Brücken bauen.“
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Wie schwierig dies gerade heutzutage ist, erlebte Sharo selbst noch einmal sehr deutlich, als er für seinen Kanal ein israelisches Restaurant besuchte – und sich in den Kommentaren blanker Juden-Hass breitmachte. „Auch ich habe früher Phrasen unwissentlich übernommen, aus dem Elternhaus, aus den arabischen Nachrichten“, erzählt er. Nur werde der Hass heute noch einmal zusätzlich aufgeladen durch soziale Medien.
Sharo selbst motivierten die Auseinandersetzungen in seinen Kommentaren jedoch nur noch mehr, das anfangs beschriebene Friedenszeichen zu setzen. „Ich will alles, was in meiner Macht steht, dafür tun, dass meine Kinder anders erzogen werden“, sagt er – und man könnte denken, dass er damit nicht nur seine mittlerweile drei Kinder, sondern seine ganze Community meint. „Ich selbst hätte mir früher jemanden in meiner Kindheit gewünscht, der mir sagt: Mensch ist Mensch, losgelöst von Religion und Staatsangehörigkeit.“
Zurück ins Gefängnis
Unter dem Titel „Die Knackis – weiche Herzen treffen auf harten Beton“ will Sharo Ende des Jahres/Anfang 2023 ein Format starten, bei dem sieben Prominente aus dem Netz für acht Tage im Gefängnis verbringen sollen. Dabei sollen sie persönlich an ihre Grenzen gebracht werden. Sharo will so gleichzeitig abschrecken und unterhalten, wie er erzählt.
Alle Neuigkeiten gibt es auf seinem Youtube-Kanal„BeastKitchen“ und seiner Instagram-Seite (@sharo.45).