Die Bilder von Butscha stehen für Kriegsverbrechen. Der Westen sollte es nicht nur bei lautstarker Betroffenheitsrhetorik belassen.
Es ist nur wenige Tage her, da führten sich russische Verhandlungsführer als die großen Friedensengel auf. Beim Gipfel mit ukrainischen Vertretern vor knapp einer Woche verkündeten die Emissäre aus Moskau, Russland werde sich aus den heftig umkämpften Städten Kiew und Tschernihiw„radikal“ zurückziehen.
Es sah auf den ersten Blick wie eine Geste der Einsicht aus. Manche im Westen hofften gar auf eine Weichenstellung hin zu einem nicht allzu fernen Ende des Ukraine-Krieges.
Die jüngsten Bilder aus der Kiewer Vorstadt Butscha entlarven die russische Friedensrhetorik als weiteres Kapitel der Moskauer Lügenmaschine. Es sind unerträgliche Aufnahmen: Massengräber mit fast 300 Todesopfern, erschossene Menschen, die auf dem Rücken mit Kabelbindern gefesselt sind. Straßen, auf denen sich die Überreste zerschossener Fahrzeuge türmen.
Alle humanitären Standards wurden mit Füßen getreten
Russland führt einen erbarmungslosen Krieg gegen Zivilisten. Grausamer können Kriegsverbrechen kaum ausfallen. Alle humanitären Standards, die sich die Weltgemeinschaft in der UN-Charta und der Genfer Flüchtlingskonvention gesetzt hat, wurden in Butscha mit Füßen getreten.
Russlands Präsident Wladimir Putin hat einen Vernichtungsfeldzug gegen die Ukraine angezettelt. Er rechtfertigt und befiehlt nicht nur barbarische Gewalt, er versteigt sich auch in bizarre Geschichtsfantasien. Der Ukraine spricht er das Recht auf eigene Staatlichkeit ab, als ob die Sowjetunion noch auf der Landkarte existieren würde.
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Als Rache dafür, dass die Bevölkerung nicht in Scharen zu den Aggressoren überläuft, sondern ihre Unabhängigkeit erbittert verteidigt, kennt Putin nur eines: kaputt bomben, Geburtskliniken in Schutt und Asche legen, das ganze Land mit einer Politik der verbrannten Erde überziehen.
Die Ukraine soll so zerstört werden, dass sie den Wunsch, mittelfristig ein prosperierendes EU-Mitglied zu werden, von sich aus begräbt. Der Kremlchef wird auch von der tief sitzenden Angst getrieben, dass in seiner Nachbarschaft ein attraktives Gegenmodell entsteht, das die Bürger seines Landes ins Grübeln bringen könnte.
Putin konzentriert nun seinen Bombenhagel auf den Süden
Weil das russische Militär nicht in der Lage ist, die Ukraine im Blitzkrieg zu erobern, fasst Putin seine Ziele nun enger. Er konzentriert seinen Bomben- und Raketenhagel auf den Süden – dort strebt er die Schaffung einer festen Landbrücke von der Krim bis nach Russland an. Darüber hinaus sollen russische Truppen den rohstoffreichen Donbass vollends erobern.
Putin schwebt vor, am 9. Mai mit militärischen Teilsiegen im Süden und Osten der Ukraine vor seine Landsleute zu treten. Am Tag, an dem Russland den Sieg über die Nazi-Truppen feiert, will er mit diesen Trophäen aufwarten. Welch zynisches Spiel.
Der Westen sollte es nach Butscha nicht nur bei lautstarker Betroffenheitsrhetorik belassen. Der Ankündigung von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, eine „unabhängige Untersuchung“ zu starten, müssen zügig Taten folgen. Russische Kriegsverbrechen sollten dokumentiert und dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zugeleitet werden.
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Auch dürfen weitere Sanktionen gegen Russland kein Tabu sein. Der Gedanke, dass Deutschland jeden Tag 200 Millionen Euro für Energielieferungen in die Moskauer Kriegskasse überweist, ist angesichts der Bilder von Butscha unerträglich. Ob wir es wollen oder nicht: Dahinter steckt eine indirekte Komplizenschaft mit Putin.
Anders als etwa die Osteuropäer steht Deutschland sowohl bei der Frage der Waffenlieferungen an die Ukraine als auch beim Thema Import-Stopp für russische Energie auf der Bremse. Die Bundesregierung könnte mehr tun, um Moskau zu treffen.