Gelsenkirchen. Viele Ukraine-Spenden aus Gelsenkirchen landen zunächst in der Georgskirche. Neben Nützlichem ist allerdings immer wieder auch Schrott dabei.
- Gotteshaus wird Lagerplatz: Die Gelsenkirchener Georgskirche ist zu einer zentralen Sammelstelle für Ukraine-Spenden geworden.
- Von der Kirche aus sollen nun wieder Hilfskonvois mit starten – idealerweise wöchentlich. Die Stadt beteiligt sich allerdings nicht mehr aktiv.
- Krisenstabsleiter Luidger Wolterhoff appelliert: Wer einen Hilfstransport plant, sollte sich über die Unwägbarkeiten an der Grenze im Klaren sein.
Wer sich diese gigantischen Berge an Kartons und Säcken vergegenwärtigt, die allein in der Kirche St. Georg an der Florastraße ihren Lagerplatz gefunden haben, der kann sich in etwa ausmalen, in welchen Dimensionen Spenden in ganz Europa für die Ukraine zusammengekommen sein müssen. Das Gotteshaus ist mittlerweile zu einem zentralen Sammelpunkt geworden. „Allein im Katalogisieren und Sortieren der ganzen Spenden stecken 500 Stunden ehrenamtliche Arbeit“, sagt Jürgen Hansen, der nach Kriegsbeginn als Vorsitzender der „Task Force Flüchtlingshilfe“ von der Ukraine aus zu Spenden aufgerufen hatte. Nun ist Hansen wieder in Gelsenkirchen – aber nur für kurze Zeit.
Gelsenkirchener Jürgen Hansen kehrt mit Krankenwagen in die Ukraine zurück
Denn schon an diesem Sonntag, am 27. März, will er erneut ins Kriegsgebiet aufbrechen nach Switlowodsk nahe Krementschuk in der Zentralukraine, dort, wo er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin vor Kriegsbeginn ein Haus gekauft hatte. Dieses Mal will der 65-Jährige einen mit Spendengeldern finanzierten Krankenwagen, unter anderem bepackt mit zwei Defibrillatoren vom Bergmannsheil Buer, dorthin bringen. Die gespendeten Medikamente, Babywindeln, Lebensmittelkonserven und sonstigen Hilfsgüter aus der Kirche finden in einem Großtransporter Platz.
Der Lkw-Fahrer, ein Ukrainer, habe eine Sondergenehmigung erhalten, um ausreisen zu dürfen – üblicherweise dürfen Männer über 18 Jahre die Grenze nicht übertreten. Er sei bereits vorgefahren und habe „etwa die Hälfte der Sachen aus der Kirche dabei“, sagt Hansen. Um den Rest abzuholen, soll er nach der Ablieferung erneut aufbrechen. Idealerweise soll ein wöchentlicher Transport stattfinden.
„Man hat den Eindruck, manch einer hat seinen Dachboden ausgeräumt“
„Sehr dankbar“ sind Hansen und die anderen Ehrenamtlichen für die große Hilfsbereitschaft und „die vielen qualitativ hochwertigen Spenden "– aber es befinden sich auch „abgelaufene Lebensmittel und Medikamente, kaputte Anziehsachen oder hochhackige Frauenschuhe“ unter den gespendeten Sachen, sagt Atilla Öner, der sich hier mit engagiert. „Man bekommt teils schon den Eindruck, dass manch einer versucht hat, seinen Dachboden auszumisten“. Manche Gegenstände, wie Anziehsachen oder löslicher Kaffee, werden aktuell wiederum weniger in der Ukraine gebraucht. Sie sollen an Kriegsflüchtlinge verteilt werden, die ihren Weg nach Gelsenkirchen gefunden haben.
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Die Stadt, die einen ersten großen Hilfskonvoi mitorganisierte und diesen unter anderem von der Feuerwehr begleiten ließ, will sich an weiteren Transporten nicht direkt beteiligen. Zwar glückte die Übergabe der ersten Waren an der rumänisch-ukrainischen Grenze vor rund zwei Wochen – allerdings sorgte das kriegsbedingte Chaos an der Grenze auch für Ärger unter den Beteiligten. Manche, so heißt es aus dem Helferkreis, seien nach der Aktion keine Freunde mehr geworden.
Gelsenkirchens Krisenstabsleiter Wolterhoff rät von unüberlegten Hilfstransporten ab
„Aus der Erfahrung, die wir gemacht haben, wie kompliziert so eine Übergabe an der Grenze ist, mit welchen Unwägbarkeiten und Unklarheiten man dort konfrontiert ist, können wir Helfern, die nicht in einer klassischen Hilfsorganisation arbeiten, nur raten: Wenn Sie etwas zur Ukraine transportieren wollen, dann geht das nur, wenn Sie eine wirklich klare Struktur bei der Abgabe haben“, appellierte Krisenstabsleiter Luidger Wolterhoff, nachdem die Übergabe doch noch geglückt war.
„Der Weg über die Grenze ist das Nadelöhr“, weiß inzwischen auch Uli Nickel, der sich mit seinem Gelsenkirchener Busunternehmen und seiner Nickel-Stiftung ebenfalls bereits am ersten Konvoi beteiligt hatte. „Es ist schön, wenn so viele Menschen nun Spenden an die Grenze bringen wollen, aber wenn man es nicht richtig macht, dann ist es am Ende möglicherweise nur Aktionismus.“
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Um eine geordnete Übergabe an der Grenze gewährleisten zu können, hat sich Nickel unter anderem dem seit 2014 aktiven Recklinghauser Verein „Hilfe und Hoffnung“angeschlossen, der über direkte Kontakte in die Ukraine verfügt. Den Transport der Waren übernehmen dann unentgeltlich die Nickel-Reisebusse. „Am Freitag ist unsere vierte Fahrt gestartet. Am Montag geht ein weiterer Bus auf die Reise“, teilte Uli Nickel mit, den besonders freut, dass sich bereits zahlreiche Fahrer von der Ruhrbahn, seinem Auftraggeber, bereiterklärt haben, die Hilfstransporte als Zweitfahrer zu begleiten.
Dauerhelferin Keisel
Eine Schlüsselfigur der Ukraine-Hilfswelle in Gelsenkirchen ist Cornelia Keisel von der Tiertafel und Ratsgruppe „Tierschutz Hier!“. Sie hat die Flüchtlingshilfe etwa beim Palettieren unterstützen können. „Aus den Spenden im Tierschutz kennt man das, da weiß man, wie Paletten gepackt werden.“Auch wenn bereits viel gespendet wurde – Keisel hofft, dass die Spendenbereitschaft langfristig anhält. „Lebensmittel, Tiernahrung, Medikamente, Verbandzeug: Wir können weiterhin alles gebrauchen.“Wer noch etwas spenden möchte oder beim Sortieren der Waren mit anpacken möchte, kann sich mittwochs und freitags zwischen 10 und 17 Uhr an der Georgskirche an der Franz-Bielefeld-Straße 38 melden. Kontakt zu Cornelia Keisel: 0163 2516236