Gelsenkirchen. Die Ausländerbehörde Gelsenkirchen steht regelmäßig in der Kritik. Nach einer großen internen Untersuchung soll hier nun einiges anders laufen.

Ewig lange Wartezeiten, umstrittene Entscheidungen, Klagen über „unmenschliches Verhalten“ und offensichtlich überlastetes Personal: Die Gelsenkirchener Ausländerbehörde ist immer wieder Zielscheibe von großem Frust. „Das Geschäft läuft nicht immer ruckelfrei“, gibt auch Hans-Joachim Olbering, Leiter des Referats Sicherheit und Ordnung der Stadt, zu – nicht ohne dabei zu betonen, dass es in Ausländerämtern vieler anderer Städte ähnlich aussehe. Was in Gelsenkirchen genau falsch läuft und anders gemacht werden kann, sollte eine sogenannte Organisationsuntersuchung klären. Nun hat die Stadt erstmalig detailliert offengelegt, wie sich das Amt neu aufgestellt hat.

Wartezeiten im Gelsenkirchener Ausländeramt verkürzt, mehr Personal eingeplant

„Der wohl wichtigste Punkt: Die Bearbeitungszeit von Anliegen wie die Verlängerung von Aufenthaltserlaubnissen konnte laut Stadt merklich reduziert werden. Noch vor einigen Monaten war es üblich, 14 bis 15 Monate auf einen persönlichen Termin warten zu müssen. „Das ist so zustande gekommen, weil jeder, der vorgesprochen hat, blind einen Termin bekommen hat“, erläutert Daniel Sulkowski vom Ausländeramt. „Das haben wir geändert.“

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Nun soll innerhalb von sechs Monaten eine abschließende Bearbeitung der Anliegen erfolgen. Dazu können sich die Klienten zunächst via Brief, Mail oder Online-Kontaktformular melden. Dann wird geprüft, ob eine persönliche Vorsprache überhaupt notwendig ist. Ist sie das, so kann man innerhalb von drei Wochen mit einem Termin rechnen. So lange dauert es laut Sulkowski auch ungefähr, bis die Anliegen bearbeitet sind, die ohne Termin erledigt werden können.

Das Team der Ausländerbehörde an der Zeppelinallee 4 musste schon viel Kritik einstecken. Wird es hier nun endlich besser?
Das Team der Ausländerbehörde an der Zeppelinallee 4 musste schon viel Kritik einstecken. Wird es hier nun endlich besser? © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Knapp 61 Kräfte kümmern sich im Gelsenkirchener Ausländeramt um 62.000 Menschen

Aktuell leben knapp 62.000 Menschen ohne deutschen Pass in Gelsenkirchen, wovon rund ein Drittel aus der EU kommt und rund 550 Menschen im laufenden Asylverfahren sind. Vor der internen Prüfung waren für die Anliegen dieser Menschen lediglich 53,75 Stellen eingeplant. Nachdem die Behörde auf Herz und Nieren überprüft wurde, hat man den Personalschlüssel um sieben Kräfte auf 60,75 Mitarbeiter erhöht. Aktuell unbesetzt sind allerdings sechs Stellen. Denn leicht ist es nicht, Personal für das Amt zu bekommen.

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„Es gab seit Mitte 2018 insgesamt 45 Personalwechsel, seitdem fand fast ein kompletter Austausch der Abteilung statt“, sagt Waldemar Kinzel, Leiter der Ausländerbehörde. Dass dies – wie angesichts des Security-Dienstes vor der Tür oft behauptet werde – mit aggressivem Verhalten einiger Klienten zusammenhänge, verneint Referatsleiter Hans-Joachim Olbering jedoch. „Das hat nichts mit der Sicherheit zu tun, vielmehr ist es die hohe Arbeitsbelastung“, sagt er. „Und wer erkennt, dass es für ihn zu belastend ist, der hat schnell Alternativen, sich anderswo in der Verwaltung umzuschauen.“ Olberings Hoffnung: Dass sich durch die jetzt eingeleiteten Besserungen herumspricht, dass es doch nicht so übel in der Behörde ist.

Hat die Gelsenkirchener Ausländerbehörde ein Qualitätsproblem?

Zweifel bleiben in der Politik, ob durch die organisatorischen Verbesserungen auch tatsächlich die „Qualitätsprobleme“ verschwinden, von denen etwa der WIN-Stadtverordnete Ali-Riza Akyol spricht. Er beruft sich in seiner Kritik auf Fälle aus seinem Umfeld, teils seien Leute aufgefordert worden, das Land zu verlassen, obwohl ihnen eigentlich ein über zweijähriger Aufenthalt in Deutschland zustehen würde. „Hier muss einfach vernünftig gearbeitet werden“, sagt Akyol, es gehe um Existenzen und lebensentscheidende Einschnitte.

Eine Fehlentscheidung vermutet der WIN-Politiker auch hinter der umstrittenen Abschiebung einer geistig behinderten Kosovarin, die im August 2021 ausreisen musste. Die WAZ berichtete:Gelsenkirchen schiebt geistig Behinderte (20) in den Kosovo ab

So ist das Amt aufgeteilt

Das Ausländeramt ist in vier Bereiche aufgeteilt: In Team 1 (Service) werden Anträge und Bescheinigungen angenommen, herausgegeben und Akten verwaltet. Auch übernimmt Team 1 die Betreuung von Asylbewerbern, die der Stadt zugewiesen wurden. . Team 2 (Aufenthalt und Integration) prüft und entscheidet über Anträge, die im Team 1 aufgenommen werden. Auch werden hier Visa-Anträge über die Botschaften bearbeitet. Team 2 ist im Austausch mit anderen Behörden, beispielsweise auch um Scheinvaterschaften zu prüfen. Team 3 (Rechtliches und EU) kann Anträge auf einen Aufenthalt ablehnen, die in Team 2 vorgeprüft wurden. Auch nimmt das Team an Schwerpunktkontrollen z.B. am Arbeiterstrich oder in Schrottimmobilien teil und kann den Verlust der EU-Freizügigkeit feststellen und Abschiebungsandrohungen aussprechen. Team 4 (Rückkehrmanagement) ist das ausführende Organ und kümmert sich darum, dass ausreisepflichtige Ausländer auch wirklich das Land verlassen. Hierzu findet aber zunächst erneut eine Prüfung statt, ob nicht doch eine Bleibeperspektive besteht.

Behördenleiter Kinzel dagegen verweist auf die Struktur seines Amtes (Infobox), in der eine mehrfache Überprüfung von Ausreisepflichten „zum Standard“ gehöre. „Das Aufgabenfeld ist nicht einfach, natürlich gibt es schwierige Entscheidungen, aber alle Bleiberechtsperspektiven werden sorgfältigst durchgeprüft.“ In manchen Fällen gebe das Recht keinen anderen Weg als die Rückführung ins Heimatland vor. Die Herausforderung sei es, dies vom Persönlichen zu trennen. „Natürlich lässt einen nicht alles kalt, auch bei uns sind schon Tränen geflossen, wenn es etwa um Abschiebungen geht, in die Kinder involviert sind." Deswegen sei auch die interne Nachbearbeitung solcher Fälle so wichtig.

Ist das Gelsenkirchener Ausländeramt telefonisch nicht erreichbar?

Viel Kritik musste die Behörde in der Vergangenheit auch einstecken, weil sie telefonisch angeblich nicht erreichbar gewesen ist. Dass die Telefonnummer der Hilfe-Hotline (0209/169 2907) online auf der Homepage der Stadt nicht auffindbar gewesen ist, sei laut Waldemar Kinzel jedoch keine Absicht, sondern lediglich ein technisches Versehen. „Die Hotline war immer erreichbar“, sagt er.

Bei einer Auswertung vor über einem Jahr habe sich gezeigt, dass die Hotline fünf bis sechs Mal pro Minute angerufen wurde. Nach einer aktuellen Auswertung sind es nunmehr 430 Anrufe am Tag und somit nur noch knapp ein Anruf pro Minute. „Der Ansturm auf die Nummer ist enorm“, sagt Kinzel. „Und jeder Anruf produziert einen Arbeitsaufwand.“ Dass sich dieser durch die technischen Probleme etwas reduziert hat: Dem ohnehin überlasteten Team dürfte dies durchaus in die Karten gespielt haben.