Gelsenkirchen. Gelsenkirchens Südstadion ist seit Jahren in einem desolaten Zustand. Jetzt teilen es sich auch noch zwei Sportvereine. Sie fühlen sich betrogen.

Als erstmals über die notwendige Sanierung des Südstadions geredet wurde, da waren die Jungs von Michael Buch und Thorsten Schnürpel noch Mini-Kicker. „Heute sind sie erwachsen, passiert ist immer noch nichts“, sagen die Eintracht-Vorstandsmitglieder. Die vergangenen Jahre ihrer Vereinslaufbahn haben die Söhne hier in Ückendorf sogar nur noch hinter Gittern gekickt: Mittlerweile steht seit über vier Jahren ein Bauzaun vor den heruntergekommenen Rängen. „Und die Stufen haben schon geklappert, als ich jung war“, sagt Buch. Sie sind der augenscheinlichste, aber bei weitem nicht einzige langjährig bekannte Mangel.

Südstadion: Zwei Gelsenkirchener Fußballvereine teilen sich ein marodes Gelände

Da ist zum Beispiel noch der Hydrant am Rasenplatz, der wegen eines Rohrbruchs vor zehn Jahren trockengelegt worden ist. Da sind die Duschen, die nach Legionellenbildung teilweise demontiert wurden. „Im Stadtnorden dagegen werden die ersten Kunstrasenplätze erneuert und weitere entstehen. Da kann man sich vorstellen, dass die Wut hier im Süden wächst“, ärgert sich Michael Buch. Und nun sollen sich diese marode Sportanlage auch noch zwei Vereine teilen und den Spielbetrieb auf einem Ascheplatz und einem Kleinspielfeld im Winter aufrechterhalten.

„Die Stehstufenanlage bitte nicht betreten. Stolpergefahr!“: Dieses Schild hängt mittlerweile seit Jahren an den Rängen im Südstadion. Gerd Eschenröder (Etus Gelsenkirchen 1934), Thorsten Schnürpel und Michael Buch (beide SG Eintracht Gelsenkirchen 07/12, v.li.) fordern, dass hier endlich die Bagger anrollen.
„Die Stehstufenanlage bitte nicht betreten. Stolpergefahr!“: Dieses Schild hängt mittlerweile seit Jahren an den Rängen im Südstadion. Gerd Eschenröder (Etus Gelsenkirchen 1934), Thorsten Schnürpel und Michael Buch (beide SG Eintracht Gelsenkirchen 07/12, v.li.) fordern, dass hier endlich die Bagger anrollen. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Denn vergangenen Spätsommer mit ins Südstadion gezogen ist der ETuS Gelsenkirchen 1934. Die Eisenbahner wurden von Gelsensport und der Wirtschaftsförderung von ihrem alten, mittlerweile zum Verkauf stehenden Gelände an der Dessauerstraße gelockt – mit verheißungsvollen Versprechungen, wie sich Gerd Eschenröder vom ETuS erinnert. Beispielsweise sollte der Verein dabei unterstützt werden, die Flutlichtanlage von der Dessauerstraße ins Südstadion zu transportieren. Lesen Sie auch:Gelsenkirchen: Harter Interessenskonflikt um Dessauerstraße

ETuS und Eintracht Gelsenkirchen: „Wir werden nur ausgebremst“

Die Hoffnung der Vereine: Dass der Zusammenschluss dazu führen wird, dass endlich die Bagger anrollen, um die maroden Stehstufen zurückzubauen. „Aber es wird immer nur geredet, nichts gemacht“, sagt Thorsten Schnürpel. Was ihn dabei besonders stört: „Hier haben sich zwei Vereine zusammengeschlossen, um etwas Neues zu schaffen, um Ressourcen zu konzentrieren und Platz zu sparen. Sowas sollte Vorbildcharakter haben – stattdessen werden wir nur ausgebremst.“

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Gespräche gegeben habe es in den vergangenen Monaten viele hier am Stadion, erinnern sich die Fußballer. Von OB Karin Welge bis zu Mitarbeitern diverser Stadtreferate, von Vertretern verschiedener Parteien bis – zuallererst – der früheren Gelsensport-Spitze um Marco Baaron. Dass die konkrete Zukunft des Südstadions unter alter Führung ausgemacht worden sei, werde seitens der Stadt gerne als Erklärung für die Verzögerung gespiegelt, sagt Gerd Eschenröder. Die Vereine geben sich damit nicht zufrieden: „Wir werden seit Jahren vertröstet“, sagt Schnürpel. „Egal, was man anspricht, bei der Stadt ist alles nur problem- und nicht lösungsorientiert. Es wird etwas angekündigt, was in Planungsritualen versickert.“

Stadt Gelsenkirchen will Ascheplatz mit „besonderem Verfahren“ aufarbeiten lassen

Auf WAZ-Nachfrage nach dem aktuellen Fahrplan für die Renovierung des Südstadions heißt es seitens der Stadt: Gelsensport werde den Ascheplatz „nach einem besonderen Verfahren“ aufarbeiten lassen. „Das Verfahren wird zunächst auf der Sportanlage Lohmühle getestet und dann im Südstadion angewandt“, so Stadtsprecher Martin Schulmann. Die dafür beauftragte Firma soll an der Lohmühle loslegen, sobald kein Frost mehr im Boden herrscht.

Und die Bewässerung des Rasenplatzes? Seit einem Jahrzehnt behilft man sich im Stadion mit einem Feuerwehrschlauch als Provisorium. Nun soll eine rund 150 Meter lange Wasserzuleitung verlegt werden. Zu diesem Vorhaben läuft laut Schulmann aktuell die Ausschreibung.

Auch die Bänke im Gelsenkirchener Südstadion sind in einem schlechten Zustand. Das Gelände teilen sich inzwischen der ETuS Gelsenkirchen 1934 und die SG Eintracht Gelsenkirchen 07/12
Auch die Bänke im Gelsenkirchener Südstadion sind in einem schlechten Zustand. Das Gelände teilen sich inzwischen der ETuS Gelsenkirchen 1934 und die SG Eintracht Gelsenkirchen 07/12 © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Mit Blick auf den Umzug der Fluchtlichtanlage, heißt es aus dem Rathaus: Hier seien die Planung und Untersuchung noch nicht abgeschlossen. „Ein Ab- und Wiederaufbau wäre vermutlich sehr teuer. Die Entscheidung darüber, ob diese Maßnahme umgesetzt werden kann, steht noch aus“, so Schulmann.

Was den Rückbau der eingezäunten Stufen angehe, so sei Gelsensport „bereits dabei, notwendige Vorarbeiten, wie zum Beispiel die Anfrage einer Luftbildauswertung zwecks möglicher vorhandener Kampfmittelbelastungen oder einen Antrag zur Vermessung der Anlage“ auf den Weg zu bringen. Gibt es bei den Kosten Klarheit, soll der Plan in die Abstimmung zur Politik.

Ein kleiner Lichtblick: 125.000 Euro für die ETuS-Kicker

Michael Buch kann bei diesen Ausführungen nur seufzen – für ihn sind sie alles andere als ein hoffnungsvolles Zeichen. „Das klingt, als wenn man in einer sehr fernen Zukunft mal beginnen möchte, mit der Arbeit anzufangen. Man zieht sich wieder auf eine Bestandsaufnahme zurück, obwohl man seit Jahrzehnten weiß, was hier die Probleme sind.“

Ein kleiner Lichtblick: Wenn das Grundstück an der Dessauerstraße verkauft wird, soll der ETuS vom neuen Eigentümer 125.000 Euro erhalten, um einen dort noch bestehenden Überlassungsvertrag zu beenden. Vielleicht, so Gerd Eschenröder, könne man damit zumindest den Umzug der Flutlichtanlage selbst in die Hand nehmen. „Bevor das Geld nicht geflossen ist, planen wir aber nichts.“

Sachstand in der BV

Die Grünen in der Bezirksvertretung Süd haben jetzt eine Anfrage zum Südstadion an die Verwaltung gestellt und wollen unter anderem wissen: Welche konkreten Zusagen wurden von wem in der Verwaltung und bei Gelsensport gegenüber dem ETuS 1934 und der SG Eintracht gemacht? Welche Zusagen wurden eingehalten? Und welche kurzfristigen Möglichkeiten sieht die Verwaltung, den Vereinen mit einem Baukostenzuschuss zu helfen, um Eigenleistungen möglichst noch vor der Sommerpause zu realisieren?

Eine Beschlussvorlage zum weiteren Vorgehen am Südstadion soll nach Bitte der Grünen dann für die übernächste Sitzung der BV-Süd am 17. Mai vorliegen.