Gelsenkirchen-Ückendorf. Schock an der Dessauerstraße in Gelsenkirchen-Ückendorf: Sportplatz und Fläche des Reitvereins stehen zum Verkauf. Währenddessen klagen Anwohner.

  • Der Sportplatz und das Gelände des Reitvereins ETuS an der Dessauerstraße in Gelsenkirchen-Ückendorf soll nun plötzlich verkauft werden. Das Bieterverfahren läuft bis Ende April.
  • Reitverein und Anwohner sind geschockt und haben die Sorge, dass auf dem Gelände nun eine Fabrik entsteht.
  • Eine entsprechende Bauvoranfrage für eine gewerbliche Nutzung wurde bereits positiv beantwortet. Doch die Anwohner klagen dagegen.

Seit im April 2021 erstmals öffentlich die Rede davon war, dass der Sportplatz an der Dessauerstraße in Ückendorf verkauft werden soll, tobt ein Interessenskonflikt um die Fläche: Erhan Baz, Geschäftsführer der Halal-Schnellrestaurant-Kette „Mr. Chicken“, will das Grundstück gewerblich nutzen, der dort liegende Reitverein ETuS aber fühlt sich durch die Expansionspläne bedroht, will sich selbst vergrößern – und hat sich die Unterstützung einer Anwohnerinitiative gesichert. Nun öffnet sich ein neues Kapitel im Streit um den Sportplatz: Das Bundeseisenbahnvermögen, Eigentümer der Fläche, bietet das Grundstück jetzt offiziell zum Verkauf an.

Verkauf an der Dessauerstraße: So teuer ist das Grundstück in Gelsenkirchen

„Ich bin fassungslos“, sagt Monika Patryas vom Reitverein, dessen Gelände nun mit verkauft wird. Mitte Februar hieß es auf WAZ-Anfrage noch unkonkret vom Eisenbahnvermögen, man habe grundsätzlich die „gesetzliche Aufgabe, sämtliche eigene Liegenschaften zu veräußern.“ Dass das Bieterverfahren knapp zweieinhalb Wochen später tatsächlich offiziell eröffnet wurde, hatte Patryas nicht für möglich gehalten. „Bisher hüllte sich das Bundeseisenbahnvermögen ja in Schweigen. Und jetzt auf einmal geht es so schnell.“

Um diesen Sportplatz an der Dessauerstraße in Gelsenkirchen-Ückendorf geht es: Der Eigentümer, das Bundeseisenbahnvermögen, will die Fläche mitsamt dem Gelände des Reitervereins nun verkaufen.
Um diesen Sportplatz an der Dessauerstraße in Gelsenkirchen-Ückendorf geht es: Der Eigentümer, das Bundeseisenbahnvermögen, will die Fläche mitsamt dem Gelände des Reitervereins nun verkaufen. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Verhandlungsbasis für die knapp 18.000 Quadratmeter große Fläche ist ein Betrag von knapp 700.000 Euro. Aber damit nicht genug: Zusätzlich müssen rund 125.000 Euro erbracht werden, um den Überlassungsvertrag mit dem Fußballverein ETuS 1934 zu beenden. Kaufinteressenten müssten insgesamt also mindestens 825.000 Euro bieten. Die Angebotsfrist zur Abgabe des Höchstgebots: der 29. April.

Die Fußballer trainierten noch vor einigen Monaten neben dem gleichnamigen Reitverein und sind mittlerweile ins Südstadion der SG Eintracht 07/12 gezogen. Die Stadt und Gelsensport hatten den Umzug angeschoben und darauf verwiesen, dass es Kaufinteressenten für den Sportplatz gibt. Der Überlassungsvertrag zwischen Fußballverein und Eigentümer besteht aber weiterhin. Lesen Sie hierzu: ETuS Gelsenkirchen möchte ins Südstadion ziehen

Ihr Reiterhof und der Fußballplatz daneben sollen nun verkauft werden: Monika Patryas vom Reitverein ETuS an der Dessauerstraße ist geschockt.
Ihr Reiterhof und der Fußballplatz daneben sollen nun verkauft werden: Monika Patryas vom Reitverein ETuS an der Dessauerstraße ist geschockt. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Zur nun zum Verkauf stehenden Fläche gehört nicht nur der Fußballplatz, sondern auch das Gelände des Reitvereins. Im Exposé heißt es zwar, dass der Mietvertrag mit dem Reitverein vom Käufer zu übernehmen ist, allerdings macht Monika Patryas darauf aufmerksam, dass jener Vertrag jährlich kündbar sei. Nicht nur deshalb macht sie sich Sorgen um ihren Verein: Sollte eine Fabrik auf dem Sportplatz entstehen, so würden die Reiter zu sehr eingekesselt, so die Sorge. Der Reitsport sei dann nicht mehr möglich.

Dessauerstraße: Anwohner wehren sich gegen weiteres Gewerbe

Dass „von der Nutzungsmöglichkeit als Gewerbe auszugehen“ sei, wird so wörtlich auch noch mal im Exposé betont. Ebenfalls hatte die Stadt bereits eine positive Bauvoranfrage für eine Gewerbehalle genehmigt, wie sie „Mr. Chicken“-Chef Erhan Baz unter anderem vorschwebt. Von Anwohnerseite allerdings wird nun gegen jene Bauvoranfrage geklagt.

Die Fläche ist im Regionalen Flächennutzungsplan als „allgemeines Siedlungsgebiet“ ausgewiesen, bei der Stadtverwaltung wird das Gebiet beschrieben als „überwiegend durch gewerbliche Nutzung gekennzeichnet“. Einen finalen Bebauungsplan gibt es für das Gebiet allerdings nicht (Infobox). In solchen Fällen ist eine Bebauung laut Baurecht zulässig, sofern sie sich in die Umgebung einfügt. Das heißt: Neubauten müssen zum Bild passen, wobei auch Rücksicht auf die Wohnbebauung genommen werden muss.

Veränderungssperre für Bebauungsplan

Der Rat der Stadt hat erst im Februar Veränderungssperre für den Bebauungsplan „Gewerbegebiet nördlich Dessauerstraße“ auf ein weiteres Jahr verlängert.

Hintergrund ist der Wunsch von Aldi, sich vor Ort vergrößern zu wollen – was Politik und Verwaltung unter Berücksichtigung des städtischen Einzelhandelskonzepts jedoch verhindern wollen. Erst wenn die Veränderungssperre 2023 ausläuft, kann das Bebauungsplanverfahrens fortgesetzt werden.

Eine Fabrik auf dem Sportplatz jedenfalls wäre nicht im Einklang mit der Umgebung, ist man bei der Anwohnerinitiative überzeugt. Die Fläche sei viel zu groß für eine Pauschalbetrachtung, und: „Die Anwohner kann man nicht einfach wegzaubern.“ Man rechnet sich deshalb gute Chancen aus, bei der Klage gegen die positive Bauvoranfrage Erfolg zu haben. Auch weil man vermutet, dass bei Erstellung jener Anfrage nicht alle Verfahrensschritte in der Verwaltung korrekt abgelaufen sind.

Ückendorfer Grundstück: Altlasten sorgen für zusätzliche Probleme

„Wir sind gespannt auf den Ausgang der Klage“, sagt Jan Philip Schaaf, Bezirksverordneter der Grünen im Süden. Seine Partei will ebenfalls keine Bebauung der Fläche, sondern setzt sich dort für eine „Grüne Insel“ ein. „Außerdem muss endlich grundsätzlich durch die Stadt geklärt werden, wie die Beseitigung aber mindestens eine nachhaltige Sicherung der vorhandenen Altlasten vorgenommen werden kann und welche ungefähren Kosten damit verbunden wären“, sagt Schaaf.

Die Schadstoffe im Boden stammen aus der Zeit, als sich auf dem Sportplatz noch eine Kohlendestillationsanlage befand, und lägen in Verantwortung des künftigen Eigentümers. Die leise Hoffnung aller Beteiligten: Dass die Altlasten zumindest für potenzielle Investoren von auswärts, die sich im Bieterverfahren einbringen könnten, Abschreckungspotenzial haben könnten.