Gelsenkirchen. Abgemeldete Fahrzeuge, die abgestellt werden, sind ein Ärger, gerade in Gelsenkirchen. Warum die Stadt Probleme hat, gegen Halter vorzugehen.

  • Die Stadt Gelsenkirchen leitet immer weniger Verfahren gegen Halter illegal abgestellter Fahrzeuge ein. Das hat nicht nur mit Corona zu tun.
  • „Es ist in vielen Fällen nicht möglich, den Halter zu ermitteln“, heißt es aus dem Rathaus. So verlaufen viele Verfahren im Sand.
  • Eine neue Gesetzeslage und neue städtische Ordnungsregeln könnten im Kampf gegen die abgemeldeten Fahrzeuge helfen.

Gelsenkirchen ist und bleibt eine Hochburg für am Straßenrand abgestellte, meist längst abgemeldete Fahrzeuge. Doch während die Stadt ihre Anstrengungen gegen die illegal geparkten Autos 2019 stark erhöht hatte, sind im vergangenen Jahr kaum Verfahren zur Bestrafung dieser Ordnungswidrigkeiten eingeleitet worden. Das geht aus einer Antwort der Verwaltung an die AfD-Fraktion hervor. Woran liegt es? Wieder nur an Corona?

Schließlich waren – wie die WAZ berichtete – Mitarbeiter des Kommunalen Ordnungsdienstes (KOD) im vergangenen Jahr überwiegend wegen Corona-Verstößen im Einsatz. Die Stadt bestätigt: „Der Rückgang der Fallzahlen ist auch der coronabedingt notwendigen Aufgabenpriorisierung geschuldet.“ Aber es liegt nicht nur an der Pandemie.

Stadt Gelsenkirchen: „In vielen Fällen nicht möglich, den Halter zu ermitteln“

Zunächst zu den Zahlen: 2018, als die Verwaltung das Problem mit den abgestellten Pkw noch wenig im Blick hatte, wurden lediglich 172 Bußgeldverfahren eingeleitet, im Jahr darauf waren es dann schon 1248. 2020 war die Zahl mit 1063 eingeleiteten Verfahren ähnlich hoch. Und dann 2021 der tiefe Fall: Hier listet die Stadt lediglich 109 Verfahren gegen Fahrzeughalter, meist Autohändler, die den öffentlichen Raum als kostenloses Zwischenlager zweckentfremden.

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„2019 haben wir uns intensiv um das Problem bemüht. Dann allerdings haben wir festgestellt, dass es in vielen Fällen nicht möglich ist, den Halter zu ermitteln“, erklärt Stadtsprecher Martin Schulmann. So seien viele eingeleitete Verfahren im Sand verlaufen. Teils werde die Ermittlung auch erschwert, beispielsweise indem der Halter die Fahrgestellnummer an der Windschutzscheibe abdeckt.

Abgestellte Pkw: Die wenigsten Fahrzeughalter müssen in Gelsenkirchen am Ende zahlen

2021 hat sich der Ordnungsdienst laut Schulmann dann von vornherein auf jene Fälle konzentriert, die lösbar schienen. „Zum Beispiel auf abgestellte und abgemeldete Fahrzeuge, die noch einen Wert von 20 bis 30.000 Euro haben.“ In solchen Fällen melde sich dann sehr schnell jemand, bevor so ein Fahrzeug auf dem Schrott lande. In anderen Fällen wollen sich die Halter offenbar ihrer Fahrzeuge entledigen – und lassen die Stadt die Entsorgungsleistung übernehmen.

Schulmanns Erklärung bezieht sich auch auf weitere Zahlen: Denn auch wenn die Stadt das Vorgehen gegen illegal abgestellte Fahrzeuge 2019 und 2020 oben auf die Prioritätenliste setzte, mündeten die wenigsten Verfahren am Ende auch in zu zahlenden Bußgeldern. Von 1063 Verfahren im Jahr 2019 konnten am Ende beispielsweise lediglich knapp sieben Prozent auch entsprechend abgeschlossen werden. Lediglich 71 Bußgeldbescheide wurden in diesem Jahr erlassen.

AfD: Recht und Ordnung können nicht mehr umgesetzt werden

Für Enxhi Seli-Zacharias, stellvertretende Fraktionschefin der AfD in Gelsenkirchen, sind das nicht weniger als Anzeichen eines „failed state“, also eines gescheiterten Staats, der seine grundlegenden Funktionen nicht mehr erfüllen kann. Dass kaum Fahrzeughalter zur Verantwortung gezogen werden konnten, bewertet die Stadtverordnete als Beweis dafür, „dass das staatliche Gewaltmonopol und grundlegende Verwaltungsstrukturen so stark eingeschränkt sind, dass Recht und Ordnung entsprechend nicht mehr umgesetzt werden können und Städte danach kaum handlungsfähig sind.“

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Immerhin versprechen zwei Faktoren mehr Erfolg gegen die Halter unzulässig abgestellter Fahrzeuge: Die Stadt plant, ihre sogenannte „Ordnungsbehördliche Verordnung über die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ anzupassen. Sie bildet als Regelwerk die Basis für die Arbeit des Ordnungsdienstes. Das Verbot, nicht zum Straßenverkehr zugelassene Autos und Anhänger abzustellen, soll um Fahrzeuge ohne gültigen Versicherungsschutz ergänzt werden. Laut Stadtsprecher Schulmann will man damit insbesondere stärker gegen ausländische Fahrzeuge vorgehen: Sie seien oft zwar noch zugelassen, aber bereits ohne Versicherungsschutz.

So viele unzulässig geparkte Fahrzeuge wurden in Gelsenkirchen abgeschleppt

Außerdem hat das Land im Dezember das Straßen- und Wegegesetz geändert. Die Stadt hatte bei der Gesetzesänderung darauf gehofft, dass künftig schon von einem Verstoß gegen das Straßenrecht ausgegangen wird, wenn ein Fahrzeug länger als einen Tag abgestellt wird. Die Stadt hätte dann sofort abschleppen können und nicht erst noch schriftlich verwarnen müssen. Ganz so eindeutig ist man mit der Gesetzesänderung allerdings nicht geworden, wie Hans-Joachim Olbering, Leiter des Ordnungsreferats, nun feststellen musste. In seinem Referat will man nun genau analysieren, welche neuen Möglichkeiten sich durch die Gesetzesänderung in der Praxis ergeben. „Wirklich helfen würde uns der Sofortvollzug.“

Über 4500 abgestellte Fahrzeuge

4788 Fahrzeuge ohne gültiges Kennzeichen wurden nach Angaben der Stadtverwaltung im Jahr 2020 illegal im öffentlich Raum abgestellt. Kann ermittelt werden, wer ein Fahrzeug illegal abgestellt hat, droht ein Bußgeld von 250 Euro, im Wiederholungsfall von bis zu 1000 Euro. Hinzukommen die Abschleppkosten.

Bislang ist es so gewesen, dass Mitarbeiter des Ordnungsreferats erst einmal einen orangefarbenen Aufkleber auf die Windschutzscheibe kleben, wenn sie ein Fahrzeug ohne gültiges Kennzeichen am Straßenrand entdecken. Mit ihm wird der Eigentümer aufgefordert, das Fahrzeug innerhalb von vier Wochen zu beseitigen. Reagiert der Halter nicht, wird das Fahrzeug abgeschleppt. Die Zahl der abgeschleppten Fahrzeuge blieb über die letzten Jahre relativ konstant: 2017 wurden zum Beispiel 124 Fahrzeuge abgeschleppt, 2019 waren es 158 Fahrzeuge, im Jahr 2021 waren es 108 Autos.

Anmerkung: In einer früheren Version des Artikels wurde aufgeführt, dass das Land erst noch plant, den Kommunen mit einem neuen Gesetz mehr Handlungsmöglichkeiten zu geben. Die entsprechende Stelle wurde korrigiert.